Pro und ContraCorona-Informationen: mit oder ohne Filter?

Pro und Contra / Corona-Informationen: mit oder ohne Filter?
Diese Landkarte sorgt seit einigen Tagen für Diskussionsstoff Quelle: Gesundheitsministerium

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Vergangene Woche hat das Gesundheitsministerium versehentlich eine nach Gemeinden aufgeschlüsselte Landkarte der Corona-Fallzahlen veröffentlicht. Seitdem sorgt sie für Diskussionen. Einige Kommunalpolitiker sehen die Publikation kritisch und befürchten eine Stigmatisierung der stark betroffenen Gemeinden. Für andere ist die Veröffentlichung ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz – sie begrüßen die ungefilterten Informationen. Ein Pro und Contra zur versehentlichen Veröffentlichung der Landkarte.

Pro: Kommunale Nebelkerzen

Guido Romaschewsky

Da zeigt sich die Regierung endlich einmal transparent und veröffentlicht (versehentlich, wie es heißt) nach Gemeinden aufgeschlüsselte Corona-Fallzahlen in übersichtlicher Kartenform. So, wie man es auch aus anderen Ländern kennt. Und prompt regt sich Unmut, setzt bei vielen kommunalen Oberhäuptern das große Jammern ein: Man riskiere, „stigmatisiert“ zu werden, so der Abwehrreflex von Emile Eicher, Georges Mischo, Dan Biancalana, Marco Schank und anderen. Worin der Nutzen einer solchen Darstellung überhaupt liegen könne, fragt der empörte Chor vieler Bürgermeister(innen), die damit zwangsläufig den Eindruck erwecken, dass es ihnen irgendwie lieber wäre, die Bürgerinnen und Bürger mögen doch bitte nicht die volle und ganze Wahrheit über den Stand der Infektionen in allen Teilen des Landes erfahren.

Eine klassische Nebelkerze! Und sehr typisch für Luxemburg, das es in vielen Dingen bevorzugt, das Kind ja nicht beim Namen zu nennen, da man um Gottes willen niemandem wehtun möchte. Lieber „gefilterte“ Wahrheiten, um keinem zu nahe zu treten, statt den Menschen zuzutrauen, sich via genauere Informationen selbst ein Bild der Lage zu machen.

Das Ganze erinnert ein wenig an den ersten Monat der Pandemie in Europa, als uns die Politik und selbst manche Gesundheitsexperten weismachen wollten, Masken zu tragen, sei wenig hilfreich und schütze keineswegs vor einer Ansteckung mit SARS-Cov-2. Seltsamerweise trugen die „Profis“ alle schon seit langem Mund-Nasen-Schutz. Zu erklären war diese Märchenstunde im Endeffekt damit, dass unsere und andere Regierungen nicht in der Lage waren, die nötigen Mengen an Masken für ihre Bevölkerungen zu beschaffen.
Das Wort „Stigmatisierung“ wird im Zusammenhang mit der Karten-Veröffentlichung verdächtig oft strapaziert. Warum haben die Gemeindegrößen solche Angst vor einer transparenten kartografischen Übersicht, Angst vor der plastischen Darstellung eines Fakts? Jeder halbwegs aufgeklärte Mensch wird die rohen Fallzahlen selbst richtig einschätzen können: Dass es in den dichter besiedelten Gebieten mehr Covid-Erkrankungen gibt als z.B. im ländlichen Osten, liegt auf der Hand; das wird die meisten Leute nicht von einem Einkauf in Esch oder Differdingen abhalten, sollte ihnen allerdings – positiver Effekt! – ein Ansporn sein, umso mehr auf die „gestes barrières“ zu achten.

Von Stigmatisierung könnte dann die Rede sein, wenn aufgrund eines unfairen „Äpfel und Birnen“-Vergleichs einzelne Kommunen benachteiligt würden. Das ist bei der Bekanntgabe absoluter Infiziertenzahlen nicht der Fall. Manche Gemeinden könnten sich sogar „bretzen“, auf der Karte besonders positiv (also viral negativ) dazustehen. Mit etwas Vorsicht zu genießen ist die Karte mit der auf 10.000 Einwohner projizierten Zahl der Infizierten, auf der ein paar Mini-Gemeinden schlecht aussehen – dennoch ist auch diese Darstellung ein Informationsplus für jeden, der die Zahlen richtig einordnen kann. Die Regierung sollte sie niemandem vorenthalten!

Stigmatisiert wird nicht durch ein Zuviel an Information, sondern durch zu wenig, weil dies Fehldeutungen und Spekulationen Tür und Tor öffnet. So wie es aktuell mit Luxemburg als Land geschieht. Dass wir zurzeit von manchen Staaten „geächtet“ werden, ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass deren zuständige Institute nicht willens oder in der Lage sind, einen korrekten Eins-zu-eins-Vergleich zwischen ihren und unseren Fall- und Testzahlen herzustellen. Und, wieder einmal, einer schlechten Kommunikation unserer Regierung – in diesem Falle nach außen.


Contra: Der Mehrwert fehlt

Chris Schleimer

Gegen Transparenz vonseiten der Regierung ist sicherlich nichts einzuwenden, vor allem nicht in Zeiten einer Pandemie und wenn die Regierung dann auch noch bei der Bekämpfung des Virus auf die Selbstverantwortung der Bürger setzt. Dennoch sollte man mit gesammelten Daten vorsichtig umgehen und sie in den richtigen Kontext setzen, bevor sie veröffentlicht werden. Letztendlich geht es nicht darum, möglichst viele, sondern möglichst aussagekräftige Daten hervorzuheben. Daten, die den Menschen helfen, bewusste Entscheidungen zu treffen und ihrer Selbstverantwortung gerecht zu werden. Genau diese Aussagekraft fehlt den Landkarten mit den nach Gemeinden aufgeschlüsselten Infektionszahlen.

Vor allem die Karte mit den hochgerechneten Infektionen pro 10.000 Einwohner hilft keinem weiter. In Luxemburg gibt es nur zehn Gemeinden, die überhaupt mehr als 10.000 Einwohner haben. Wie sinnfrei diese Darstellung ist, zeigt das Beispiel Kiischpelt, das mit fünf Infizierten bei 1.200 Einwohnern – projiziert auf 10.000 Einwohner – an der Spitze der „verseuchten Gemeinden“ liegt. Luxemburg ist einfach zu klein, damit eine Aufschlüsselung auf die einzelnen Gemeinden Sinn machen würde. In Deutschland werden die Infektionszahlen pro Landkreis veröffentlicht. Wobei die kleinsten Landkreise rund 50.000 Einwohner zählen.

Aber auch die absoluten Infektionszahlen pro Gemeinde sind nicht wirklich aufschlussreich. Nur die wenigsten Bürger arbeiten auch in der Kommune, in der sie wohnen, gehen ausschließlich dort essen, ins Kino, einkaufen oder mit Freunden etwas trinken. Die 150-190 Menschen, die am frühen Samstagmorgen die Hygieneregeln auf der Corona-Party im „Bambësch“ missachteten, stammten sicherlich nicht alle aus der Hauptstadt.

Letztendlich bestätigt die Karte nur, dass sich die meisten Infizierten in den bevölkerungsreichsten Gemeinden befinden – wer hätte das gedacht?! Die Daten der Landkarte bringen also nicht wirklich eine neue Erkenntnis – sie beunruhigen in diesen unsicheren Zeiten nur einige Menschen noch mehr. Den Restaurantbesitzern, Geschäftsleuten und Hoteliers dieser Regionen hat die Regierung durch die versehentliche Veröffentlichung der Landkarten einen Bärendienst erwiesen.

Wichtiger wäre es, den Bürgern präzisere Daten über Infektionscluster auszuhändigen. Diese würde ihnen wenigstens dabei helfen, selbstverantwortlich zu handeln. Das wäre jedenfalls sinnvoller als eine Karte, die im Endeffekt nur aufzeigt, wo die infizierten Personen ihre Quarantäne verbringen.

lucilinburhuc
11. August 2020 - 12.34

Im Land der Ewignörgler, kann Keiner es Jedem recht machen. Ein Pro und Contra zur versehentlichen Transparenz demnach...

de spëtzbouf
10. August 2020 - 17.37

Der Kampfsport kommt, von Corona begünstigt, immer mehr in die Mode. :)