Nationaler Aktionsplan für GleichstellungCCDH kritisiert: „PEGA nicht mega“

Nationaler Aktionsplan für Gleichstellung / CCDH kritisiert: „PEGA nicht mega“
Gesetzlich ist die Gleichstellung zwischen Frau und Mann bereits seit langem in Luxemburg verankert. Was das Wahlrecht angeht, sogar schon seit dem 8. Mai 1919. Im Alltag aber gibt es immer noch Schwierigkeiten.  Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Der neue Aktionsplan für die Gleichstellung zwischen Frau und Mann ist kaum ein halbes Jahr alt. Kritik hat das Schriftstück aber schon reichlich einstecken müssen. Es sei leer an Inhalten, so der Tenor. So sieht es auch die Menschenrechtskommission: Man vermisse unter anderem Fristen, Bewertungskriterien und konkrete Maßnahmen. Der Plan müsse sofort überarbeitet werden, so die Forderung.

„Vivons l’égalité“ – Gleichheit leben: So heißt der nationale Aktionsplan für die Gleichstellung von Frau und Mann, der im Sommer von Chancengleichheitsministerin Taina Bofferding (LSAP) vorgestellt wurde. „Mein Anspruch ist es, aus der Gleichheit zwischen Frauen und Männer ein Fakt zu machen, der im Alltag auch wirklich gelebt wird“, unterstrich die Ministerin. Bei der gleichen Gelegenheit erinnerte sie daran, dass die Gleichstellung in Luxemburg zwar juristisch längst verankert sei, im alltäglichen Leben aber immer wieder an Stereotypen scheitere.

Den PEGA („Plan d’action national pour une égalité entre les femmes et les hommes“) sieht das MEGA („Ministère de l’Egalité entre les femmes et les hommes“) als eine Art Roadmap mit sieben Schwerpunkten, die es den Akteuren erlauben sollen, diese Zielsetzung in den kommenden Jahren zu erfüllen. Die Luxemburger Menschenrechtskommission hat allerdings so ihre Zweifel, dass es den Verantwortlichen mit diesem Aktionsplan auch gelingen wird, ihr Bestreben in die Wirklichkeit umzusetzen.

48 Maßnahmen und 99 Aktionen soll der PEGA umfassen. Und doch sei das Schriftstück recht inhaltsleer, wie die „Commission consultative des droits de l’Homme“ (CCDH) in einer jüngsten Stellungnahme zwischen den Zeilen vermuten lässt. „An sich steht nichts drin“, sagt Präsident Gilbert Pregno gegenüber dem Tageblatt. Die Kritiken überwiegen, Lob gibt es kaum. Und auch positive Bewertungen sind mit einem „aber“ versehen: „Die Menschenrechtskommission begrüßt die Veröffentlichung des Aktionsplans“, heißt es etwa in der Mitteilung, allerdings mit dem Zusatz, dass dieser bereits 2018 erwartet worden sei.

Das Bestreben der Regierung nach einer partizipativen und transparenten Herangehensweise werde zwar zur Kenntnis genommen, so die CCDH trocken. Doch müsse sich Luxemburg nun mehr denn je die nötigen Mittel und Visionen geben, um eine Gleichstellungspolitik betreiben zu können, die den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen sei. Man soll sich nicht nur den wachsenden Forderungen in diesem Bereich stellen, sondern auch bereit sein, Rechte infrage zu stellen, die bereits als errungen galten.

Allerdings lasse der Aktionsplan in diesem Geiste so manches vermissen. Und die Liste ist lang: Es fehlten konkrete Fristen, Budgetangaben, Maßnahmen und Details zu den Personen, die für letztere verantwortlich zeichnen, sowie Kriterien, um diese auch ordentlich bewerten zu können. „Dieser Plan ist nichts weiter als eine Anordnung von bereits bestehenden Ideen und Aktionen“, schlussfolgert die CCDH. Eine richtige Strategie oder gar eine Analyse zu den Gründen hinter den strukturellen Ungleichheiten suche man vergebens.

So sei etwa die Chance für ein merkmalübergreifendes Vorgehen vertan worden. Dafür fehle es an konkreten Daten, aufgelistet nach Geschlecht, Alter, Herkunft und anderen wichtigen Merkmalen. „Solche Informationen sind jedoch unentbehrlich für eine eingehende und kohärente Analyse und könnten als Arbeitsgrundlage für ein Chancengleichheitsobservatorium dienen, dessen Schaffung bereits seit Jahren vorgesehen ist“, bedauert die Menschenrechtskommission. 

Es fehlt die „kohärente Allgemeinpolitik“

In der Stellungnahme befasst sich die CCDH auch mit dem Konzept des „Gender Mainstreaming“. Gemeint ist das Konzept, jegliche Maßnahmen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und von Männern zu untersuchen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Gleichstellung zu ergreifen. Bereits im allerersten Aktionsplan 1997 sei festgehalten worden, dem „Gender Mainstreaming“ auf allen politischen Ebenen Priorität einzuräumen. Ohne sichtbare Folgen, wie die Menschenrechtskommission befindet.

Kritisiert wird auch der Umstand, dass das „Gender Mainstreaming“ im neuen Aktionsplan nur noch explizit im Zusammenhang mit den Folgen der Pandemie erwähnt wird. In anderen Aktionsplänen dieser Regierung finde das Konzept überhaupt keine Erwähnung mehr, was laut CCDH auf das Fehlen einer „kohärenten Allgemeinpolitik“ zurückzuführen sei.

Im Umkehrschluss trage der PEGA anderen relevanten Aktionsplänen der Regierung nicht genug Rechnung. „Zum Beispiel wird der Umstand, dass verschiedene Menschen sich weder als Frau noch als Mann fühlen, im gesamten Schriftstück bis auf einen kurzen Satz in der Einleitung kein einziges Mal erwähnt. Dabei wird dieser Aspekt doch vom LGBTI-Aktionsplan aufgegriffen“, erklärt Gilbert Pregno.

In diesem Zusammenhang erinnert die Menschenrechtskommission an die Empfehlungen des UN-Ausschusses für Frauenrechte im März 2018. Damals wurde der Luxemburger Regierung unter anderem geraten, die gesetzliche Definition der Diskriminierung gegenüber Frauen nochmals zu überarbeiten. Das Großherzogtum müsse gezielter gegen sexuelle Gewalt, Menschenhandel, Ausbeutung und Prostitution vorgehen und die Teilnahme von Frauen am öffentlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben noch stärker fördern. Außerdem müssten sämtliche institutionellen Strukturen in Luxemburg vor dem Hintergrund der Gleichstellung zwischen Frau und Mann überarbeitet werden.

„Die CCDH schließt sich diesen Empfehlungen an“, heißt es in der Stellungnahme. Was Methodologie und Form angeht, so fordert die Menschenrechtskommission minimale Normen, die generell angewendet werden können. Sozusagen eine Standardvorlage für Aktionspläne. Mit einer transversalen Strategie soll gleichzeitig gewährleistet werden, dass sich die Gleichstellung wie ein roter Faden durch sämtliche politischen Aktionen und Entscheidungen zieht und die gewünschte Wirkung entfaltet.

Da es Usus sei, Aktionspläne regelmäßig anzupassen, ruft die Menschenrechtskommission die Regierung dazu auf, PEGA unverzüglich einer ersten Überholung zu unterziehen.