FinanzplatzBürger vermissen Kundennähe

Finanzplatz / Bürger vermissen Kundennähe
Manchen Kunden kommt Online-Banking immer noch chinesisch vor. Sie bevorzugen den persönlichen Kontakt am Schalter ihrer Hausbank. Foto: Editpress/AFP

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Otto Normalverbraucher und die klassischen Banken liegen nicht immer auf einer Linie. Hohe Gebühren, Schließungen von Filialen oder kompliziertes Online-Banking sind einige der Kritiken, die Bürger und ULC („Union luxembourgeoise des consommateurs“) gegenüber den Banken hierzulande äußern. Die Kritik der Verbraucher, vor allem der älteren, ist nachvollziehbar, die Reaktion der Banken auf ein verändertes wirtschaftliches Umfeld allerdings auch.

Online-Banking ist gratis! Manchen Menschen aber scheint es oft zu umständlich oder zu unpersönlich. Es klagen vor allem jene, die ihren Computer, falls sie überhaupt einen haben, nicht als Bankschalter sehen wollen. Sie ziehen deshalb die Agentur ihrer Hausbank vor, müssen dort aber oft Gebühren für etwas zahlen, das online gratis ist, zum Beispiel Überweisungen oder Geldabheben.

Auf diese „horrenden Gebühren“ für verschiedene Leistungen hat der Luxemburger Verbraucherschutz (ULC) schon öfters aufmerksam gemacht. Zuletzt vor einer Woche bei einer Pressekonferenz. Es ist nicht die einzige Klage von ULC und Bürgern. Kritisiert wird auch, dass Bargeld scheinbar Gefahr läuft, vom Plastikgeld aus dem Alltag verdrängt zu werden.

Beanstandet wird nicht zuletzt aber auch die Schließung von Agenturen, vor allem im ländlichen Raum, wo der Weg zur Bank dann umständlicher wird, vor allem für jene, die kein Auto haben oder nicht bei jeder Wetterlage rauswollen. ULC-Präsident Nico Hoffmann, weist am Dienstag in den sozialen Medien unter anderem darauf hin, dass Einzahlungen oder Geldabhebungen in verschiedenen Filialen der Sparkasse nicht mehr möglich seien. So müssten beispielsweise Kunden aus Mersch nach Ettelbrück oder nach Walferdingen fahren, was nicht gerade um die Ecke sei.

Im Regen stehen lassen

Verschiedene Kritikpunkte haben sich in den letzten Monaten aus bekannten Gründen zugespitzt. Die Tatsache zum Beispiel, dass Geschäfte sich weigerten, Bargeld anzunehmen, oder dass wegen sanitärer Schutzmaßnahmen ein Bankbesuch nur nach Terminvereinbarung möglich war/ist oder die Kundenzahl im Innern der Bank reduziert wird und sich nun oft Warteschlangen vor der Tür bilden – auch bei schlechtem Wetter.

„Wir werden im Regen stehen gelassen“, sagen Kunden. Oder weniger dramatisch ausgedrückt: Sie vermissen, und nicht erst seit März dieses Jahres, bei ihrer Bank ein Entgegenkommen, das sie seit Jahrzehnten scheinbar gewohnt waren.

Die veränderte Wahrnehmung bei manchen Kunden liegt vielleicht einfach auch nur daran, dass heute deutlicher denn je wird, dass Banken keine öffentliche Dienstleistung sind (was sie auch nie waren), sondern ein Dienstanbieter, ein kommerzieller Betrieb, ein eigentlich „normales“ Geschäft. Und als solches müssen sie wie jeder andere Akteure aus der Wirtschaft Geld verdienen; auch das vielleicht mehr denn je und vor allem mit einem Angebot, für das früher, in besseren Zeiten, keine oder weniger Gebühren zu zahlen waren.

In den vergangenen Jahren, seit der letzten Finanzkrise, ist die Arbeit der Banken sicher nicht einfacher geworden. Das sagt auch Nicolas Mackel von Luxembourg for Finance (LFF), jener Agentur, die 2008 zur Förderung der Luxemburger Finanzindustrie gegründet wurde.

Banken wie auch Versicherungsgesellschaften müssten, so Nicolas Mackel, in einem wirtschaftlichen Umfeld arbeiten, das schwieriger geworden sei. Konkurrenz, mit Mehrkosten verbundene internationale Auflagen sowie der Druck, Geld zu verdienen, auch um in neue Dienstleistungen investieren zu können, mache den Banken das Leben nicht einfacher. Zudem habe auch die Digitalisierung verstärkt Einzug gehalten, was sich unter anderem im Online-Banking ausdrückt. Das käme einer großen Zahl an Kunden auch durchaus entgegen, sagt Mackel. Das streitet auch Nico Hoffmann von der ULC nicht ab, weist aber darauf hin, dass halt nicht jeder sich mit diesem System anfreunden könne. Wenn die Verbraucherschutzorganisation Kritik übe, gehe es ihr vor allem um die Schwächeren unter den Kunden – ältere Leute oder Behinderte, aber auch jüngere oder allgemein Menschen, die aus diversen Ursachen keine Bankkarte oder Zugang zu Internet hätten.

Kundennähe und Wirtschaftlichkeit

Was Nico Hoffmann fordert, also eine sozialere und menschlichere Herangehensweise der Banken, bezeichnet Nicolas Mackel als eine Herausforderung für die klassischen Schalter-Banken bei ihrer Suche nach einem Gleichgewicht zwischen Kundennähe, die für jede Bank nach wie vor wichtig sei, und eben der Wirtschaftlichkeit.

In diesem Zusammenhang, so Mackel, würden Banken Filialen schließen, weil sich der Aufwand wirtschaftlich nicht mehr lohne. Dazu gehört auch, wie es im Kontext der Schließung der letzten Bank in der Gemeinde Park Hosingen hieß, dass Banken, in denen mit Bargeld gearbeitet wird, mehr als eine Person beschäftigen und bestimmten Sicherheitsanforderungen entsprechen müssten, wobei Ersteres oft wegen ausbleibender Kundschaft wenig Sinn ergebe und Letzteres oft eine teure Umrüstung erfordern würde. Das sei nicht mehr überall möglich, hieß es damals.

Zu betonen sei allerdings, so Nicolas Mackel, dass die Banken ihre Kunden nicht aus den Augen verlieren wollten – und würden. Beim Online-Banking sei immer noch sehr vieles „gratis“, was zu den normalen Dienstleistungen zählen würde. Einiges sei online sogar billiger und einfacher: Überweisungen ins Ausland nämlich. Nach wie vor habe aber auch immer noch jede Bank im Land ihre Agenturen verteilt, wo Kunden hingehen könnten: „Es ist aber eine Tatsache, dass immer weniger Menschen von dieser Möglichkeit Gebrauch machen“, so der Direktor von LFF.

Den Vorwurf, dass Banken heutzutage weniger gut im Dienste des Kunden funktionieren würden, lässt Nicolas Mackel nicht gelten. Dass es während des Lockdowns möglich gewesen sei, Kredite aufzunehmen oder zu verlängern und allgemein in einer Geschäftsverbindung zu einer Bank zu bleiben, zeuge davon, dass die Finanzinstitute, dank Investitionen, gut aufgestellt seien und Krisensituationen meistern könnten. Dazu gehöre auch, dass die Banken in den vergangenen Monaten gemeinsam mit dem Staat kleine und mittlere Unternehmen (KMU) unterstützt hätten.

Insgesamt, so Nicolas Mackel, sei die Finanzindustrie ein starker und international anerkannter wirtschaftlicher Akteur, der in Bewegung bleiben und den Menschen im Lande durch seine Arbeit weiterhin zugutekommen würde. Sei es durch das Zahlen von Steuern oder das Schaffen von Arbeitsplätzen, die weit über das eigentliche Bankgeschäft hinausgingen. 

Eine bis in kleinere Ortschaften des Landes verzweigte physische Präsenz von vollumfänglich funktionierenden Banken wird es eher aber nicht mehr geben, kann man Nicolas Mackel verstehen. Das solle aber nicht heißen, dass man sich nicht Gedanken machen könne über verschiedene mögliche Schritte, die jenen helfen könnten, die mit der eingeschlagenen Richtung Schwierigkeiten haben. 

In diesem Sinne hofft auch die ULC auf ein wenig Entgegenkommen und setzt weiterhin auf Finanzminister Pierre Gramegna. Bisher habe der sich, so Nico Hoffmann, aber offensichtlich noch nicht wirklich stark dafür eingesetzt, dass zum Beispiel schwächere oder ältere Bevölkerungsgruppen in den Genuss stark reduzierter Bankgebühren am Schalter kämen.

sofia
24. Oktober 2020 - 18.59

Kundennähe? 3,5cm Panzerglas verhindern jede Kundennähe. Dann lob ich mir den Bankomaten. Wenn der auch noch Devisen rausgibt, dann brauchen wir überhaupt keine Banken mehr.

frolick
24. Oktober 2020 - 12.52

@Charles Hild " Dat do hu dir absolutt richteg erkannt. Wann d‘ Geld bis ofgeschaft ass, da kommen Taxen op jidder klenger Transaktioun. " Ass Iech schonn opgefall, dass all Kéier wann Der eppes kaaft TVA drop geknuppt gëtt an dat schonn sou laang wéi Dir lieft?

Charles Hild
24. Oktober 2020 - 11.48

@Jemp Dat do hu dir absolutt richteg erkannt. Wann d' Geld bis ofgeschaft ass, da kommen Taxen op jidder klenger Transaktioun. Wann s de engem Aarbechter ee klengt Drenkgeld gess, da krit säi Steierbüreau bescheed gemailt. Wann däi Kand vu séngem Pätter fënnef Euro kritt, da muss du dat op deng Deklaratioun derbäi schreiwen. Ech soen iech awer elo wou den Haaptproblem läit: An EUROPA hunn se Negativzënsen entdeckt, dat heescht, du muss d' Bank bezuelen, fir dat si däi Geld versuergt. Eigentlech idiotesch. All normal Mënsch seet dann: ma dann huelen ech mäi Geld heem, ënnert d' Kappkëssen. Eh bien, wann d' Geld bis ofgeschaaft ass, da geet dat och net méi. Do kann s de da nach just Goldmënzen spueren, awer dat ass au Départ ee Verloschtgeschäft, weenst dem Handel.

carrie
23. Oktober 2020 - 13.37

@Reuter "Wenn ich eine Überweisung tätigen will, such ich meine Konto aus von dem ich das tun will, und das Empfängerkonto und die Summe und fertig. Wer das nicht hinkriegt, kann auch kein Formular ausfüllen." Genau, die gehören ins Alters- oder Pflegeheim, wenn sie ihr Konto nicht mehr gepflegt bekommen.

Chlor
23. Oktober 2020 - 13.33

@Jemp "Die Bankomaten, werden nach meinem Gefühl auch immer weniger" Ihr Gefühl trügt. Wie meistens.

Jemp
22. Oktober 2020 - 19.37

Die Banken würden sich am meisten über eine komplette Abschaffung des Bargeldes freuen. Sie könnten dann von jeder Transaktion, und sei es nur dem Kauf eines Päckchens Kaugummi, ihre Prozente abschöpfen, während die "Kunden" dann noch die Bankarbeit selbst machen. Die Bankomaten, werden nach meinem Gefühl auch immer weniger, besonders solche, die gesprengt wurden, werden nicht wieder ersetzt. Die anderen sind am Samstagmorgen schon leer, weil sie absichtlich nur mit minimalen Summen gefüllt werden. Überweisungen von größeren Summen dauern wieder eine Ewigkeit, wie vor der 2008-Krise. Wenn Sie ein Konto schließen, dauert die Überweisung des Restgeldes einen Monat und mehr. Und wenn es kein Bargeld mehr gibt, dann werden auch Bankgeschäfte per Computer oder Smartphone auf einmal wieder etwas kosten. Wenn es einen gibt, der sich über die Coronakrise freut und davon profitiert, dann sind es die Banken.

Reuter
22. Oktober 2020 - 14.22

"kompliziertes Online-Banking" Ich bin auch über 70 aber meine Bank-App erkennt mich auf meinem iPhone, der junge Spund in der Bank nicht. Wenn ich eine Überweisung tätigen will, such ich meine Konto aus von dem ich das tun will, und das Empfängerkonto und die Summe und fertig. Wer das nicht hinkriegt, kann auch kein Formular ausfüllen.

frolick
22. Oktober 2020 - 14.19

"Kundennähe" ist doch gerade das, auf das wir in Coronazeiten verzichten sollten.