EschBewegung im Dossier „Keeseminnen“, doch die Zeit scheint abzulaufen

Esch / Bewegung im Dossier „Keeseminnen“, doch die Zeit scheint abzulaufen
So sieht das Terres-Rouges-Gelände momentan aus der Vogelperspektive aus. Die „Keeseminnen“ befinden sich links unten. Foto: Editpress/Claude Lenert

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Momentan stehen die Bagger still, doch zum Ende des Kollektivurlaubs am 24. August könnten die Abrissarbeiten auf dem Terres-Rouges-Gelände in Esch weitergehen. Hier soll mit der „Rout Lëns“ ein neues Stadtviertel entstehen. Ins Dossier um den Erhalt der „Keeseminnen“ ist zuletzt zwar Bewegung gekommen, vor einer Zerstörung geschützt sind sie aber nicht. Im Gegenteil.   

„Wir haben Angst, dass vom Sommerloch profitiert wird, um die ‚Keeseminnen‘ endgültig dem Erdboden gleichzumachen“, sagt Denis Scuto vom „Centre national de la culture industrielle“ (CNCI). Die Sorge ist nicht ganz unbegründet, denn schon während des Corona-Lockdowns hatte ArcelorMittal Ende April quasi klammheimlich begonnen, die „Keeseminnen“ abzureißen. Am 30. April hatte es deswegen eine Protestkundgebung von Escher Bürgern gegeben.

Allerdings passen die „Keeseminnen“ nicht ins architektonische Konzept von IKO Real Estate, das nach dem Abriss und der Sanierung durch ArcelorMittal das 10,5 Hektar große Areal übernimmt und mit dem Bau des neuen Stadtviertels beginnt. In den Plänen ist der Erhalt verschiedener Elemente der 1977 stillgelegten „Brasseurschmelz“ vorgesehen, allerdings nicht jener der „Keeseminnen“. 

Um den Abriss zu verhindern, hatte der Historiker Denis Scuto mit einigen Mitstreitern in einem Brief an Kulturministerin Sam Tanson („déi gréng“) Denkmalschutz für die „Keeseminnen“ (und andere Gebäude) auf „Terres Rouges“ beantragt. Dies lehnte Tanson in einem Schreiben vom 29. Juli ab. Begründung: Die Erzbunkeranlage wurde bei der Bestandsaufnahme durch die Luxemburger Denkmalschutzbehörde und die Escher Gemeinde vor einigen Jahren als nicht schützenswert eingestuft. Für die Industriekultur CNCI asbl ein großer Fehler, denn die über 100 Jahre alte Erzbunkeranlage ist auf Stelzen gebaut, was sie architektonisch einzigartig macht. Außerdem schrieb sie ein Stück Sozialgeschichte, denn ihr Bau war die Reaktion auf etliche Streiks der italienischen „Schmelz-Arbeiter“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts.  

Ministerin Tanson stellt sich in ihrer Antwort an Scuto und Co. hinter die Denkmalschutzbehörde „Site et monuments“ und verweist auf die Verantwortlichkeit der Escher Gemeinde. Handwerkergasse, Turbinenzentrale, Gebläsehalle und andere Gebäude werden unter Schutz gestellt, die „Keeseminnen“ nicht, was der ursprünglichen Einschätzung der Behörde und der Gemeinde entspricht und demnach in den Plänen des Bauherren IKO Real Estate auch so berücksichtigt wurde. Gleiches antwortete Tanson auf eine parlamentarische Anfrage von Marc Baum („déi Lénk“), was den Abgeordneten jedoch nicht zufriedenstellte, weshalb er am 21. Juli eine weitere Frage einreichte. In der möchte er mehr über die Kriterien wissen, die die Denkmalschutzbehörde in ihrer damaligen Entscheidung anwendete, und darüber, auf Basis welcher technischen und wissenschaftlichen Studien die Entscheidungen zustande kamen. 

Denkmalschutz ein Thema

Dass der Denkmalschutz in Luxemburg aktuell verstärkt in den Fokus gerät, zeigt die Petition 1639 zum „Schutz des historischen Bauerbes“. Offensichtlich haben immer mehr Luxemburger den Eindruck, dass finanzielle Aspekte öfter im Mittelpunkt stehen, als sie es eigentlich sollten. Dass also Immobilienunternehmer zu viel Macht im Land haben. In den jüngsten Affären um die Stallungen des Heisdorfer Schlosses machte die Lokalpolitik genau wie Ministerin Sam Tanson einen eher hilflosen Eindruck. 

Die Petition fordert eine Umkehr der Beweislast. Das heißt, der Bauherr muss das Einverständnis aller Instanzen haben, eher er Gebäude, die vor 1959 gebaut wurden, abreißt. 5.327 Menschen unterzeichneten sie, wodurch das Quorum von 4.500 Unterschriften deutlich überschritten wurde. Nun kommt es also im Parlament zu einer öffentlichen Debatte über den Schutz historischer Bausubstanz im Land. Passend zum neuen Denkmalschutzgesetz, das sich momentan auf dem Instanzenweg befindet.   

Ende 2019 wurde zudem eine Facebook-Gruppe mit dem Namen „Luxembourg under Destruction“ gegründet. Die stellt sich gegen die ungezügelte Bau- und Abrisswut im Land. Inzwischen hat die Gruppe fast 1.900 Mitglieder.  

Ähnliche Ziele verfolgt auf internationaler Ebene die von der EU finanzierte Vereinigung „Europa Nostra“. Bei ihr hat die CNCI die Aufnahme der „Keeseminnen“ in die Liste der „The 7 Most Endangered“, der sieben meistgefährdeten Gebäude des Kultur- bzw. Welterbes, gestellt. Einsendeschluss für die Kandidaturen ist der 7. September. Bis zum Ende des Jahres wird „Europa Nostra“ entscheiden, wer in das Programm für 2021 aufgenommen wird. Ob die „Keeseminnen“ dann noch stehen, darf bezweifelt werden. „Uns läuft die Zeit davon. Dabei sind noch so viele Fragen unbeantwortet“, sagt Denis Scuto.    

 

Grober J-P.
13. August 2020 - 13.15

Ist denn schon bekannt was der Quadratmeter Wohnfläche kosten wird? Unter 3000 steig ich mit ein.

Blau
13. August 2020 - 12.07

Der Schein trügt, der Käse ist gegessen.

Nomi
13. August 2020 - 11.11

Maacht Alles platt, dann sidd dir och secher datt di negativ Erregnisser vun der Geschicht sech widderhuelen !

Robbes
13. August 2020 - 10.41

Ich finde das vorgestellte Konzept für die Rout Lëns sehr gut. Einige schöne Industriebauten bleiben erhalten und bekommen eine neue publikumsdienliche Nutzung. Den Keeseminnen ist schwer eine sinnvolle Nutzung in einem neuen Stadtviertel zuzuschreiben. Sie bilden einen Riegel, der das neue Viertel von dem gewachsenen Viertel Hiel abgrenzt. Der Platz zwischen den Keeseminnen und der Bahnlinie ist zu schmal um bebaut zu werden. Bei einem Erhalt der Keeseminnen geht zuviel Bauland verloren, was den Preis der Wohnungen auf der Rout Lëns stark nach oben treiben würde, weil dann mehr Denkmalschutz-Kosten auf weniger Wohnungen umgelegt werden müssen.