Kunst„Behescht“: Georges Hausemers Ausstellung im „Mierscher Kulturhaus“

Kunst / „Behescht“: Georges Hausemers Ausstellung im „Mierscher Kulturhaus“
Die Ausstellung bietet einen sehr tiefen Einblick in die Seele des Autors Foto: Mierscher Kulturhaus

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Vom 2. Oktober bis zum 20. Dezember dieses Jahres können Interessierte die Kunstausstellung des 2018 verstorbenen bekannten Luxemburger Autors, Reiseschriftstellers und Übersetzers Georges Hausemer bestaunen. Nur wenige seiner Leser wissen, dass Hausemer zu Lebzeiten ebenfalls als Zeichner tätig war. Die Ausstellung, zu welcher nun auch kürzlich das begleitende Buch „Behescht – 97 komprimierte Unterhaltungsromane“ bei dem von Hausemer und dessen Ehefrau Susanne Jaspers gegründeten Verlag Capybarabooks veröffentlicht wurde, bietet einen ausdrucksvoll tiefen Einblick in die komplexe Seele des Autors.

Schlägt man die Bedeutung von „Behescht“ nach, so stößt man auf „behešt“, das serbische Wort für Paradies, Himmelsreich. Diese Begriffe können beim Betrachten von Hausemers Kunst fast schon als Oxymora betrachtet werden, da man eher in finstere Traumwelten mit abstrakt expressionistischen Zügen eintaucht als in paradiesisch anmutende Landschaften. Die Farbpalette des Künstlers gestaltet sich weitestgehend düster, was gewissermaßen die Stimmung der „komprimierten Unterhaltungsromane“ in „Behescht“ widerspiegelt. Die Ausstellung ist in fünf verschiedene Kunstphasen unterteilt: die frühe Phase (1990), die verschwundene Phase (1994-1996), die Kunstwerke einbezieht, die aufgrund der ausgewählten Farben und Techniken verblassten und mit der Zeit verschwanden, die schwarze Phase (1996), die Hauptphase (2003-2004) und die letzte Phase (2017). Jede einzelne Phase erzählt ihre eigene Geschichte. Hausemer experimentiert von Anfang an mit verschiedenen Papierarten, Texturen, Collagen, Motiven und Perspektiven.

Das Buch zur Ausstellung
Das Buch zur Ausstellung Foto: Mierscher Kulturhaus

Gleich beim Betreten der Ausstellung wird man darauf aufmerksam gemacht, sich die App Artivive auf das Smartphone herunterzuladen. Mithilfe von Augmented Reality werden so gekennzeichnete Kunstwerke Hausemers zum Leben erweckt. Die Zigarre des Gemäldes fängt auf dem Handydisplay plötzlich zu qualmen an, dem fallenden Menschen in „Der zwölfte Mann“ werden Flügel verliehen und die ohnehin bereits dekonstruierte Realität eines unbetitelten Werkes wird noch weiter bis ins Unkenntliche verzerrt. Man begegnet stets Fabelwesen, Tieren oder Menschen, die auf groteske Art und Weise aus der Sicht Hausemers dargestellt werden, umgeben von schleierhaften Symbolen und fragmentarischen Textauszügen. Literatur und Malerei werden unmittelbar miteinander verknüpft und schaffen eine Einheit. So lassen sich Leitmotive wie der menschliche Verfall, Krankheit, Abhängigkeit oder Dualismen wie Leben und Tod, Liebe und Hass, Ruhe und Gewalt oder Lebhaftigkeit und Ohnmacht in den Bildern deutlich erkennen. Hausemer spielt des Weiteren mit dem Kontrast zwischen filigranen Linien und monströsen Gestalten, zwischen Dystopie und Realität.

Prägende Erfahrung

Hausemers Texte in „Behescht“ veranschaulichen, unterstreichen und ergänzen die malerische Kunst, indem sie unter anderem Entwürfe gescheiterter Existenzen, zwischenmenschlicher Beziehungen und der Abstinenz gegenüber dem Leben liefern. Ebenso wie Georges Hausemer während seiner zahlreichen Reisen selbst geografische Grenzen überschritten hat, wird der Betrachter seiner Kunst gezwungenermaßen mit der Scheu vor dem Fremden konfrontiert und dazu angehalten, eine Horizonterweiterung fern von jeglicher Orientierung und Grenzen zuzulassen. Die weitaus prägendste Erfahrung macht man beim Betrachten der fünften und letzten Phase von Hausemers Schaffen. „Im letzten April war ich zum ersten Mal tot. Seither habe ich keine Angst mehr vor dem Leben“ (Georges Hausemer, 2017). Dieses Zitat ziert die Wand dieser letzten Phase und beschreibt Hausemers Krebsdiagnose im Frühjahr 2016.

 Foto: Mierscher Kulturhaus

Die Krankheit verarbeitet der Künstler deutlich in seinen letzten Bildern, die sich vor allem durch eine Schwarz-Rot-Weiß-Farbkombination auszeichnen und den Tumor, ähnlich der Vorstellung eines Blutegels, als saugende Kreatur darstellen, die mal mehr und mal weniger Macht über den geschundenen Körper besitzt. Alles in allem ist der Besuch und das Durchblättern von „Behescht“ eine sehr emotionale Erfahrung, die Georges Hausemers außerordentlich genialen Geist nicht nur in der Literatur, sondern auch in der bildenden Kunst unterstreicht.