EditorialBegrenzte Solidarität zwischen den EU-Staaten in Sachen Migrationspolitik

Editorial / Begrenzte Solidarität zwischen den EU-Staaten in Sachen Migrationspolitik
Hier fanden Flüchtlinge auf der griechischen Insel Lesbos Unterschlupf auf einem Parking eines Supermarktes Foto: AFP

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Kommende Woche wird die EU-Kommission einen neuen Gesetzesvorschlag für die gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik in der EU vorlegen. Es ist davon auszugehen, dass die Kommission von Ursula von der Leyen bei ihrem Versuch, einen der beschämendsten Bereiche der europäischen Politik neu zu ordnen, die Erfahrungen und Erkenntnisse der vergangenen Jahre berücksichtigen wird. Dazu gehört vor allem die traurige Feststellung, dass der Konsens über grundlegende Werte und Prinzipien in der Europäischen Union bröckelt, dass die Vorstellungen darüber, wie insbesondere Solidarität und Menschlichkeit in der Union gelebt werden sollen, zwischen den Mitgliedstaaten zunehmend auseinanderdriften. Das wird im Zuge der Geschehnisse rund um das Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos und am politischen Kalkül, mit dem das Elend der dort festsitzenden Migranten instrumentalisiert wird, wieder sehr deutlich.

Das überrascht auch nicht sonderlich, wenn man bedenkt, dass in manchen Ländern, wie jüngst in Polen, Wahlen für höchste politische Ämter gewonnen werden, indem gegen Minderheiten und Fremde gehetzt wird. Mit derartigen Partnern im Bunde ist es dann schwer, menschenwürdige Lösungen zu erarbeiten und umzusetzen. Auch wenn diese, wie nicht nur die regierende PiS in Polen, sondern auch der ungarische Regierungschef Viktor Orban und seine Fidesz, vorgeben, christlich-katholische Werte zu vertreten.

Allerdings muss in Bezug auf die miserablen Zustände in griechischen Flüchtlingslagern auch einmal darauf hingewiesen werden, dass dies seit Jahren eine Konstante ist und bereits in den Nullerjahren manche EU-Staaten, trotz bereits geltender Dublin-Regel (nach der Asylsuchende ihren Antrag in dem EU-Land stellen, in dem sie zuerst angekommen sind), keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland zurückschickten, da sie dort nicht gemäß geltenden Standards aufgenommen werden konnten. Daran haben in all den Jahren weder konservative und linke Regierungen in Griechenland noch die EU und ihre Mitgliedstaaten, trotz vorhandener Möglichkeiten, etwas geändert.

Was die EU-Kommission nun konkret am kommenden Mittwoch vorlegt, wird sicherlich mit Spannung erwartet. Immerhin hat das Ringen um Lösungen bei der Asyl- und Migrationspolitik bislang für erhebliche Verwerfungen und Streit zwischen den 27 gesorgt. Es könnte darauf hinauslaufen, dass die mangelnde Solidarität mit den Erstaufnahmeländern Griechenland und Italien etwa durch ein härteres Vorgehen bei den Rückführungen von abgewiesenen Asylsuchenden und der weiteren Festigung der EU-Außengrenzen kaschiert werden soll. Denkbar wäre zudem, dass aufnahmeunwilligen EU-Staaten die Möglichkeit eingeräumt wird, sich auf andere Art und Weise einzubringen. Etwa indem sie für andere Ausgaben im Rahmen dessen, was mittlerweile bedauerlicherweise zur Asyl- und Migrationspolitik hinzugezählt wird – Stacheldraht, Grenzschützer und dergleichen –, aufkommen. Das wäre zwar einstweilen ein schlechtes Zeichen für den Gedanken der Solidarität in der EU. Zumindest aber könnte das den Weg dafür freimachen, dass künftig den Menschen in den Flüchtlingslagern, sowie jenen, die sich weiterhin über das Mittelmeer auf den Weg nach Europa machen, schneller geholfen wird.

J.Scholer
20. September 2020 - 7.43

Flüchtlingsstrom stoppen und ein neuer Marshallplan für die Krisenländer.Wären alle Deutschen geflüchtet hätte man das Wirtschaftswunder, den Wiederaufbau Deutschlands nicht erlebt.