ÖsterreichBank trickste mit Luftgeschäften alle Kontrollen aus und schädigte Tausende Sparer

Österreich / Bank trickste mit Luftgeschäften alle Kontrollen aus und schädigte Tausende Sparer
 Symbolfoto: Matthias Balk/dpa

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Parallelen zum Wirecard-Skandal sind frappant: Eine österreichische Regionalbank wurde mit Luftgeschäften groß, trickste alle Kontrollinstanzen aus und hinterlässt fast 700 Millionen Euro Schaden.

Nicht mangelnde sportliche Leistung hat den SV Mattersburg seinen Platz in der österreichischen Fußball-Bundesliga gekostet, sondern Wirtschaftskriminalität von historischem Ausmaß. Der burgenländische Kickerverein hatte – gepusht von Millionen der Commerzialbank Mattersburg – den Sprung von der Regional- in die höchste Liga geschafft, kann aber die Spiellizenz für die kommende Saison nicht mehr finanzieren, weil ihn der Sponsor mit in die Pleite gerissen hat.

Nicht nur die Fußballer schauen durch die Finger. Unternehmen, Gemeinden und Privatpersonen, die zu ungewöhnlich guten Konditionen ihr Geld bei der Provinzbank deponiert hatten, erlitten Totalverlust. Manche in zweistelliger, existenzbedrohender Millionenhöhe. Sparer werden zwar bis 100.000 Euro durch die Einlagensicherung entschädigt, 13.500 Sparbücher weisen jedoch einen darüber hinausgehenden Betrag auf, der nun ebenfalls weg ist.

Hunderte Fake-Konten

Denn bei der Bank ist nichts mehr zu holen. Deren Ex-Chef Martin Pucher hat bei den Einvernahmen durch die Staatsanwaltschaft bereits gestanden, dass sein Institut zum größten Teil eine Luftnummer war: Von den 800 Millionen Euro Bilanzsumme waren 688 Millionen gefakt. Mehr als 500 Konten sollen der Banker und eine Mitarbeiterin einfach erfunden haben. So gab es Kreditverträge mit Wiener Ärzten, die von ihrer „Geschäftsbeziehung“ mit der burgenländischen Bank erst jetzt nach Auffliegen des Skandals erfuhren.

Was wie ein provinzieller Wirtschaftskrimi begann, entwickelt sich immer mehr zum Politikum. Denn Pucher war auf regionaler Ebene das, was die Wirecard-Bosse auf dem internationalen Parkett waren: angesehen, politisch bestens vernetzt und scheinbar fähig, Naturgesetze der Finanzwirtschaft außer Kraft zu setzen. Während die Bilanzsumme des gesamten österreichischen Bankensektors seit der Finanzkrise 2008 um 17 Prozent schrumpfte, verdoppelte sich die der Commerzialbank nahezu. Das lag freilich weniger an verdächtig komfortablen Konditionen für Spareinlagen als vielmehr an der „kreativen“ Buchhaltung.

Weil Pucher schon 1992 mit den Bilanzfälschungen begonnen haben soll, steht die Frage im Raum, warum in diesen vielen Jahren niemand Lunte gerochen hat. Ein Gemisch aus wirtschaftlicher Inkompetenz und krimineller Energie ist wohl nur ein Teil der Erklärung. Tatsächlich bestand der Bankaufsichtsrat nicht gerade aus Finanzexperten, denen Malversationen sofort ins Auge gestochen wären. Ein örtlicher Bauer, ein Dachdeckermeister und ein Gastwirt waren überfordert mit der Aufgabe, Bilanzen zu lesen. Vielleicht haben sich auch manche die Nase zugehalten, als der Gestank hinter der Potemkinschen Bankfassade nicht mehr zu überriechen war.

Übergangener Whistleblower

Denn Direktor Pucher war eine lokale Größe, die Mattersburg weltberühmt in Österreich machte. Bis zu zwölf Prozent des Fake-Geldes gingen an den Fußballverein, der ohne den großzügigen Sponsor kaum in die Bundesliga vorstoßen und auch selbst nicht großzügige Geschenke machen hätte können. Soziallandesrat Christian Illedits (SPÖ) ist bereits zurückgetreten, weil er inzwischen erkannt hat, dass er sich vor zwei Jahren zum 60. Geburtstag vom SV Mattersburg nicht 100 Gramm Gold im Wert von heute 5.400 Euro schenken hätte lassen dürfen.

Für die ÖVP ist damit klar, dass die burgenländischen Genossen in der Sache mit drin hängen – auch Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil, unter dessen Aufsicht die hinter der Commerzialbank stehende Genossenschaft stand. Der rote Landeschef verteidigt sich, dass die kriminellen Machenschaften nicht in der Genossenschaft, sondern in der Bank stattgefunden hätten. Und er zielt mit einer Amtshaftungsklage gegen die Republik auch auf die ÖVP. Der standen nicht nur einige Commerzialbank-Aufsichtsräte nahe, in die Verantwortung der ÖVP fallen auch die Aufsichtsbehörden, die sich in der Causa ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckert haben.

Schon 2015 hatte ein Whistleblower auf die Scheinkredite hingewiesen. Die dem ÖVP-geführten Finanzministerium unterstehende Finanzmarktaufsicht entdeckte allerdings nur kleinere Unregelmäßigkeiten, die der burgenländischen Staatsanwaltschaft keine Ermittlungen wert waren. Immerhin wurden aber zwei Wirtschaftsprüfer der Kanzlei TPA, die übrigens auch die Bilanzen von Wirecard-Österreich geprüft hat, für fünf Jahre gesperrt. TPA durfte aber weiter die Commerzialbank prüfen, was nun ein wichtiger Punkt einer Musterklage gegen die Republik Österreich ist. Geschädigte hoffen so, ihr verlorenes Geld vom Staat zurückzuholen.

Es gibt aber auch Gewinner. Der WSG Tirol hat seinen Platz in der Bundesliga eigentlich verspielt. Der Konkurs des SV Mattersburg bescherte dem Absteiger aber unerwartet den Verbleib im Fußball-Oberhaus.