Italien Aus den Regionalwahlen könnten die rechten Parteien gestärkt hervorgehen

Italien  / Aus den Regionalwahlen könnten die rechten Parteien gestärkt hervorgehen
Werbung für Matteo Salvinis Kandidatin Susanna Ceccardi in Florenz Foto: Carlo Bressan/AFP

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Am kommenden Sonntag und Montag finden in Italien Wahlen in sechs Regionen statt. Vier von diesen werden bislang noch von Mitte-links-Bündnissen gehalten. Doch sowohl der sozialdemokratisch ausgerichtete Partito Democratico als auch der Koalitionspartner in Rom, die Bewegung 5 Sterne, sind untereinander und mit sich zerstritten. Gelingt es dem rechten Flügel unter Lega-Chef Matteo Salvini wie im Flügel nochmals, Regionen an sich zu ziehen, dürfte sich auch die Zentralregierung in Rom in Schwierigkeiten befinden.

Es werden die Superwahltage des Jahres 2020 werden: Am 20. und 21. September werden in sechs Regionen Italiens neue Gouverneure und Lokalregierungen gewählt, zudem steht ein Verfassungsreferendum über die Reduzierung beider Parlamentskammern zur Abstimmung. Der italienische Senat soll sich von 315 auf 200 Senatoren verkleinern, das Abgeordnetenhaus von 630 auf 400 Mandatsträger. Die Befürworter dieses Verfahrens versprechen sich davon eine effektivere Arbeit der Volksvertretungen. Die Gegner mahnen an, dass die Verfassungsänderung nur eine „demagogische Reform“ ist, die ohne ein grundsätzlich neues Wahlgesetz keine Wirkung zeigt. Die unterschiedliche Haltung in dieser Frage betrifft jedoch nicht nur das Referendum, sondern nimmt auch Einfluss auf mögliche – oder eben auch verhinderte – Wahlbündnisse bei den regionalen Urnengängen.

Lega-Chef Matteo Salvini jedenfalls frohlockt über die Zerstrittenheit innerhalb der Linken sowie mit dem römischen Koalitionspartner Movimento 5 Stelle (M5S). Der Rechtspopulist hofft, den Siegeszug der Mitte-Rechtsbündnisse von 2019 fortführen zu können. Im vergangenen Jahr konnten die rechts orientierten Parteien fünf Regionen, die bis dahin sozialdemokratisch regiert wurden, für sich gewinnen.

Kampf um die Toscana

Sein Hauptaugenmerk legt Salvini auf die Wahl in der Toscana. Sie wird allgemein als traditionell „rote Hochburg“ angesehen, nicht nur Provinzen und Kommunen wurden hier von Kommunisten und Sozialdemokraten dominiert, auch die Regionalregierung selbst lag seit der verfassungsmäßigen Einrichtung 1970 stets in den Händen der Kommunistischen Partei, später des Partito Democratico (PD). Dass der Lega-Chef gerade hier interessiert ist, die Macht zu übernehmen, zielt deutlich auf die Zentralregierung in Rom. Denn in Rom regiert zwar die Koalition aus M5S, PD, Italia Viva Matteo Renzis und der italienischen Linken. Doch in der Toscana konnten sich diese Kräfte nicht auf einen Kandidaten einigen. Gelingt es Salvini, seine Kandidatin Susanna Ceccardi (bislang Bürgermeisterin der kleinen Gemeinde Cascina) durchzusetzen, wird er dies als Beweis präsentieren, dass die Koalition unter Giuseppe Conte im Lande selbst nicht funktionsfähig ist. Seit Wochen tourt der Lega-Chef daher an der Seite seiner Kandidatin durch die Region, sucht vor allem in sozialen und wirtschaftlichen Brennpunkten den Kontakt zu den Bürgern. So unter anderem am früheren Stahlkocher-Ort Piombino. Hier sind nach der Abschaltung der Hochöfen 2014 mehr als 3.000 Arbeitsplätze weggefallen, einen Ersatz gab es in den vergangenen sechs Jahren nicht.

Dies trifft auch auf den Standort Taranto in Apulien zu. Das frühere Ilva-Werk ist nicht nur eine gesundheitsgefährdende Umweltschleuder, sondern infolge der Produktionsreduzierung auch ein Ort größter Arbeitslosigkeit. Ein Problem, das die Regionalregierung unter Michele Emiliano (wie sein toskanischer Amtskollege Enrico Rossi ebenfalls PD) nicht in den Griff zu bekommen scheint. Alle Versuche, in Verhandlungen mit dem neuen Eigentümer ArcelorMittal eine Sanierung und Rettung des Standortes zu erreichen, sind bislang ziemlich erfolglos geblieben. Möglicherweise könnte die Wählerschaft den Sozialdemokraten hierfür diesmal die Quittung geben und eine Mitte-rechts-Regierung bevorzugen.

Salvini mit Restrisiko

Ähnlich kritisch sieht es auch in Kampanien und in den Marken aus. Auch hier haben es die Mitte-links-Regierungen nicht überzeugend geschafft, dringende soziale Probleme zu lösen. Der Präsident der Region Kampanien, Vincenzo De Luca (PD), setzte seinen Hauptschwerpunkt auf Neapel. Sollte er die Regionalwahlen verlieren, will er zumindest bei den demnächst anstehenden Kommunalwahlen in der Hafenstadt den Bürgermeisterposten erlangen.

So kritisch die Aussichten für die Mitte-links-Bündnisse derzeit auch aussehen, muss Matteo Salvini mit einem erheblichen Restrisiko rechnen. Gerade pünktlich zu den Regionalwahlen kommen immer mehr neue Details zu den „verschwundenen“ 49 Millionen Euro früherer Wahlkampferstattungen ans Tageslicht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Geldwäsche und Veruntreuung, drei frühere Buchhalter der Lega befinden sich in Untersuchungshaft bzw. im Hausarrest. Spuren des Geldes führen nach Zypern und auf die Cayman-Inseln, dorthin sollen immerhin 19 Millionen Euro transferiert worden sein. Lega-Chef Salvini wiegelt ab. Es handele sich dabei um Geld der „alten“ Lega Nord, mit seiner Partei „Lega – Salvini Presidente“ habe dies nichts zu tun. Ob das die Wähler überzeugt, bleibt abzuwarten.

Insgesamt befindet sich das politische Italien wieder einmal in einer desolaten Situation. Eine deutliche Tendenz, wer am Montagabend als Sieger aus dem Rennen gehen könnte, ist nicht abzusehen. Sollten die Mitte-rechts-Kräfte allerdings die letzten linken Bastionen erobern, dürfte das die Regierung Giuseppe Contes in arge Bedrängnis bringen. Dabei hat der Premier beim Handeln der Covid-Krise und den Verhandlungen mit der EU um Unterstützungen für sein Land doch viel politisches und diplomatisches Geschick gezeigt. Contes Sympathiewerte, so zeigen Umfragen, sind so hoch und stabil wie bei kaum einem seiner Vorgänger.