Krimi aus LuxemburgArgentinien, Spanien, Uruguay: Bei Netflix wird „Capitani“ zum überraschenden Welterfolg

Krimi aus Luxemburg / Argentinien, Spanien, Uruguay: Bei Netflix wird „Capitani“ zum überraschenden Welterfolg
Immer schön draußen bleiben: In „Capitani“ haben die Einheimischen es nicht so mit neugierigen Fremden. In der Realität darf die Serie aber gerne in aller Welt geschaut werden – in vielen verschiedenen Sprachen. Foto: Screenshot

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Die luxemburgische Krimiserie „Capitani“ ist seit einigen Tagen bei Netflix im Angebot und erfreut sich außerordentlicher Beliebtheit, auch in Ländern, in denen man das nicht so direkt erwarten würde. Auch der Serien-Schöpfer Thierry Faber kann sich darauf keinen Reim machen, obgleich die Freude natürlich groß ist. Er arbeitet mit dem Team derzeit an der Fortsetzung der Geschichte um einen Polizisten, der in der luxemburgischen Provinz erst über dunkle Geheimnisse stolpert – und dann sehr tief fällt.

Als der kreative Schöpfer der Serie „Capitani“ am Donnerstag mit dem Tageblatt telefoniert, ist ihm die Freude deutlich anzuhören – darüber, dass die Welt sich gerade so sehr für die erste rein luxemburgische Veröffentlichung bei Netflix begeistert. „Wir sind alle sehr überrascht und überwältigt“, sagt Thierry Faber zum Blitzstart, den die Serie beim Branchenriesen hingelegt hat: Kurz nach dem Release auf der Streaming-Plattform ist sie gleich in einer ganzen Reihe von Ländern nicht nur unter die Top 10 gekommen, sondern hat es mancherorts sogar auf den ersten Platz (des täglichen Rankings) geschafft. Besonders „Capitani“-begeistert waren die Zuschauer in den vergangenen Tagen in Argentinien, Griechenland, Spanien, Uruguay – eine Komplettaufzählung würde hier den Rahmen sprengen.

„Diesen ganzen Südamerika-Hype verstehe ich überhaupt nicht“, beteuert Faber. Zwar sei eine Ausstatterin des Teams aus Argentinien – aber auch die könne sich nicht erklären, was in ihrem Heimatland vor sich geht. „Für das Prestige ist das natürlich eine tolle Sache“, schwärmt Faber. „Netflix steht schließlich für Qualität.“

Nicht nur „OpenLux“ in aller Welt

Vielleicht hat ja die fast zeitgleiche Veröffentlichung der „OpenLux“-Artikel in der internationalen Presse einen Teil dazu beigetragen hat, Aufmerksamkeit für eine Serie aus dem Großherzogtum zu schaffen, in dem offenbar so einiges hinter der schönen Fassade lauert (siehe Extra). Faber kann auch das nicht sagen. Und wird auch in Zukunft selbst nicht viel mehr Hinweise bekommen: Er rechne zwar damit, dass Netflix in den kommenden Wochen ein Feedback geben wird – aber auch nur ein sehr allgemeines: „Wir werden nie genau erfahren, wie viele Leute das jetzt konkret gesehen haben“, sagt der 47-Jährige: Netflix ist berühmt-berüchtigt für seine Verschwiegenheit, die normalerweise nichts zulässt außer der Veröffentlichung der jeweils zehn beliebtesten Titel in einem Land, aber eben keine konkreten Zuschauerzahlen.

Dass die Welt jetzt, endlich, umfassend ihre Kenntnisse des Lëtzebuergeschen auffrischt, darf übrigens ebenfalls kaum erwartet werden: Nach dem Verkauf an Netflix hat der Streaming-Gigant die zwölf Folgen auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Türkisch synchronisiert. Untertitel stehen, unter anderem, auf Russisch bereit. Auch in der deutschsprachigen oder der französischen Version werden die meisten Rollen nicht von den Originalschauspielern gesprochen. „Das ging nur bei denen, die Zeit dafür hatten“, erklärt Faber, der selbst noch keine der Übersetzungen gesehen habe. Die eigene kreative Schöpfung bei Netflix zu „bingen“ – dafür war wohl, bei aller Freude, in den vergangenen Tagen zu viel zu tun.

Fortsetzung an aktuellem Brennpunkt

Schließlich steckt das Produktionsteam gerade in den Vorbereitungen für die zweite Staffel der Krimiserie: Am 15. März soll es losgehen – und es wird auch losgehen. Faber ist jedenfalls überzeugt, dass Corona kein Hindernis darstellt. „Es gibt ja ein Protokoll zwischen der ’Santé’ und der Branche, an das wir uns halten.“ Das besagt unter anderem, dass alle Crewmitglieder Masken tragen müssen, und dass eine Vermischung von Produktionsbereichen hinter der Kamera verhindert wird.

Auch in der fiktiven Welt des „Capitani“ wird Corona keine Rolle mehr spielen, jedenfalls keine tragende: „Die Geschichte spielt in einer Post-Covid-Zeit, auch wenn die Pandemie durchaus noch stellenweise präsent ist“, verrät Faber – und, dass die zweite Serie nicht mehr im Ländlichen spielt, sondern sogar mitten im Herz der Hauptstadt beginnt: „Die Staffel zwei knüpft Jahre später an der ersten an. Wir erfahren, dass Luc Capitani nach dem Ende der ersten Staffel wirklich im Gefängnis war. Jetzt taucht er im Drogenmilieu des Hauptbahnhofs auf – und dem Zuschauer wird nicht sofort klar, warum.“

Ohne Pandemie-Bezug bleibt „Capitani“ also trotzdem durchaus am Puls der Zeit: Die Situation rund um den Hauptbahnhof beschäftigt die Luxemburger nicht erst, seit dort umstrittene private Security unterwegs ist und ein junger Mann in Bonneweg erstochen wurde. In der Tageblatt.lu-Umfrage vom Donnerstag geben mehr als 80 Prozent der Teilnehmer an, die Bahnhofsgegend lieber zu meiden.

„Capitani“ wird das nicht – und also auch das Team von Samsa Films nicht. „Wobei wir recht diskret drehen, gerade auch weil es eben das Bahnhofsviertel ist“, erklärt Faber. Wenn alles nach Plan läuft, dauern die Dreharbeiten bis Ende Juni. Die zweite Staffel sollte dann im Februar 2022 bei RTL laufen. Die „Welttournee“ bei Netflix wird sich bestimmt anschließen. 

Extra: Die Serie „Capitani“

Dass die (Fernseh-)Welt da, wo sie „noch in Ordnung“ zu sein scheint, es mit Sicherheit ganz und gar nicht ist, wissen wir nicht erst, seit unentwegt in nebligen Fjorden oder pittoresken englischen Grafschaften fiese Morde aufgeklärt werden müssen. Schon in den frühen 90er-Jahren schickte Kultregisseur David Lynch einen spleenigen FBI-Agenten in eine Kleinstadt, die ihn immer normaler erscheinen ließ, je länger er sich dort aufhielt: Denn praktisch jeder in „Twin Peaks“ hatte etwas mit Kindesmissbrauch, Inzest, Menschenhandel, Wahnsinn, Drogendeals oder Korruption zu tun – oder war gleich ein waschechter Alien-Dämon.

Die luxemburgische Krimi-Serie „Capitani“ kommt zwar deutlich nüchterner daher und ohne Mystery- und Horror-Elemente aus – trotzdem findet sich in der lokalen Krimiserie mehr als eine Anleihe beim Super-Kult. Und auch für den titelgebenden Ermittler gerät sein Einsatz in der luxemburgischen Provinz zur Reise in ein finsteres Herz voller Doppelmoral, wo nicht nur Polizisten, Geistliche und, natürlich, Soldaten ihre dunklen Geheimnisse verstecken.

Das ist – betrachtet man es selbst auch mal ganz nüchtern – stellenweise unfreiwillig komisch, wenn man das Land kennt, das ja doch sehr klein ist. Die hyperlokalen Unterschiede erklärt die Serie aber zu Welten, die den Bewohner trennen, als ob sie niemals auch nur aus ihrem Dorf herauskämen. „Ech kommen aus dem Minett“, kann der Titelheld nur entnervt die Bewohner aus dem Ösling anblaffen, als die ihn mal wieder für einen Schnösel aus der Hauptstadt halten, nur weil er nicht genauso spricht wie sie selbst.

Trotzdem: Die Abenteuer des Luc Capitani, der schließlich auch einen Blick in den eigenen Abgrund werfen darf, ist solide und atmosphärisch dicht inszeniert und besticht mit vielen bestens aufgelegten Schauspielern – und ist damit nicht nur für Einheimische Pflichtprogramm. fgg

„Capitani“, Staffel 1, ist derzeit auf Netflix zu sehen. Die 12 Folgen hat man in kaum sechs Stunden geschaut.