1,8 Millionen Dokumente aus der luxemburgischen und internationalen Literatur ziehen um

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Vor rund fünf Jahren war es endlich so weit: Der erste Baustein für das neue Gebäude der Nationalbibliothek auf Kirchberg wurde gelegt. Seither laufen die Vorbereitungen auf den großen Umzug ins „Bricherhaff“-Viertel auf Hochtouren. Trotz logistischer Kniffelei blickt das Team um Bibliotheksdirektorin Monique Kieffer hoffnungsvoll auf die kommenden Monate, denn neue Räumlichkeiten sind längst überfällig.

Von Laura Tomassini

Im Zeitschriftenlesesaal stapeln sich die Kartons, in den Regalen fehlen erste Bücher und insgesamt breitet sich ein Hauch von Aufbruchsstimmung im ehemaligen Athenäum neben der Kathedrale aus. Die Nationalbibliothek ist bereit. Bereit für einen Umzug der Superlative. Schon möglichst bald wandert das Personal der „Bibliothèque nationale de Luxembourg“ (BNL) nämlich mitsamt 1,8 Millionen Werken auf Kirchberg, um dort ein neues Kapitel zu beginnen. Am 18. April 2013 wurde nach langer Debatte endlich das Gesetz zum Bau eines neuen Gebäudes gestimmt, seither herrscht reges Treiben am städtischen Boulevard Roosevelt. „Die Wörterbücher wurden bereits teilweise geräumt, man könnte dies die ‚prélude‘ der großen Umzugsaktion nennen“, erzählt Monique Kieffer, die Direktorin der Nationalbibliothek.

Die Geschichte der BNL führt zurück ins Jahr 1798, als Luxemburg unter französischer Herrschaft noch dem „Département des forêts“ angehörte. „Damals wurde in allen Départements eine sogenannte ‚école centrale‘ mit einer zentralen Bibliothek eingerichtet. Das war ein sehr modernes Konzept, das sowohl als Schulbibliothek als auch für die breite Öffentlichkeit gedacht war“, erklärt Kieffer. Als eine der ältesten solcher Einrichtungen hierzulande startete die heutige Nationalbibliothek damals ihre Mission zur Wissenssammlung. Nach und nach füllte sich der Grundbestand mit historischen Werken aus dem In- und Ausland und wurde somit schnell zum zentralen Archiv für das gedruckte Wort. Oder sollte es zumindest, denn trotz langjähriger Bemühungen schafft es die BNL frühestens 2019, ihrem Namen auch wirklich gerecht zu werden und die aktuell auf sieben Standorten verstreuten Sammlung in einer Bibliothek zusammenzuführen.

Eine Bibliothek des 21. Jahrhunderts

Bereits seit ihrem Umzug 1973 ins alte „Jesuitenkolléisch“ neben der Kathedrale warten die Bücher der BNL auf Räumlichkeiten, die ihren besonderen Anforderungen auch wirklich gerecht werden. „Das Gebäude hier wurde zwar umgebaut, aber gemacht für eine Nationalbibliothek war es nie. Der damalige Direktor Gilbert Trausch hatte bereits nach einigen Jahren neue Depots beantragt, da die vorhandenen zu klein waren. Darunter hat die Bibliothek stets sehr gelitten“, blickt Kieffer zurück. Neben dem offensichtlichen Platzmangel kämpfte das Personal fast jährlich mit Feuchtigkeitsproblemen, welche die Instandhaltung der Werke erschwerte. Dies soll sich mit dem neuen Gebäude endlich ändern. Genaue Daten für den großen Umzug existieren noch nicht – allerdings aus gutem Grund, wie die Direktorin erklärt: „Die Leute denken oftmals, dass wir nur ein paar Bücher in Regale stellen müssen. Dem ist allerdings nicht so, denn das Ganze ist viel komplexer und die Vorbereitungsarbeiten dauern bereits seit Jahren.“

Allein der Aufwand, die vielen gedruckten Werke ordnungsgemäß zu verpacken, nimmt Zeit in Anspruch und muss gut durchdacht sein. „Wir besitzen Bücher unterschiedlichster Art, von atypischen Großformaten bis hin zu Werken mit wertvollem Einband, und diese müssen alle richtig eingepackt werden, um so nicht beim Transport beschädigt zu werden“, erklärt die Direktorin. Nach einer staatlichen Ausschreibung für Umzugsfirmen auf europäischer Ebene hat sich eine Arbeitsgemeinschaft aus fünf Firmen zusammengefunden, um den Bestand der Bibliothek von A nach B zu befördern.

Die größte Umzugsaktion Luxemburgs

„Es heißt nicht zu Unrecht, dass dies die größte Umzugsaktion wird, die es in Luxemburg je gegeben hat“, meint Kieffer. Und als wäre die Anzahl der Werke nicht genug Arbeit, kommt noch die Tatsache hinzu, dass viele der Kollektionen der BNL in der Vergangenheit durch Platzmangel auf mehrere Standorte verteilt wurden und nun wieder zueinanderfinden müssen. „Dies bietet uns eigentlich eine gute Gelegenheit, unsere Bestände mal unter die Lupe zu nehmen und Lücken durch Nachkäufe aufzufüllen oder abgenutzte Werke durch Neuauflagen zu ersetzen“, sagt die Direktorin. Die Vorarbeit scheint demnach enorm und ist noch längst nicht getan, wie sie verrät: „Es war viel Konzeptarbeit nötig, um den neuen Belegungsplan auszuarbeiten und zu definieren, wie wir die einzelnen Kollektionen im neuen Gebäude präsentieren. Außerdem müssen die Werke mit einer sogenannten RFID, ‚radio-frequency identification‘, gekennzeichnet werden. Hinzu kommt unter anderem unsere rezente Putzaktion. Das ist logistisch extrem komplex.“

Wann es genau losgehen wird, will die Direktorin in naher Zukunft bei einer Pressekonferenz mitteilen. Bis dahin ist die Vorfreude beim Personal allerdings schon groß: „Wir alle sind froh, wenn wir die Umzugsaktion gut überstanden haben und uns auf neue Dinge konzentrieren können. In der letzten Jahren haben wir viel zu viel Energie mit der Behebung von Notsituationen verloren, das ist jetzt endlich vorbei.“ Energie soll künftig nur noch in die konstante Modernisierung der vielen Dienstleistungen der BNL fließen, wie Kieffer verrät: „Unser Hauptziel bei der Planung und Errichtung des neuen Gebäudes war die Bewahrung einer gewissen Flexibilität, denn keiner kann sagen, wie die Bibliothek in zehn Jahren aussehen wird. Die Leute verbinden Bibliotheken oft mit Altmodischem, doch wir haben die Ambition, eine Bibliothek des 21. Jahrhunderts zu sein.“

Was sich ändern wird

  • Übersichtlichkeit als neues Grundgesetz

Wo heute schmale Gänge und verschiedene Flügel auch noch bei regelmäßigen „Bib“-Besuchern für Orientierungslosigkeit sorgen, sollen die neuen Räumlichkeiten vor allem mit architektonischer Simplizität überzeugen. „Beim Eintritt in den Lesesaal sieht man direkt alle Bereiche, das war eines unserer Grundgesetze. Das Gebäude soll intuitiv genutzt werden können und das Leitsystem nur noch als zusätzliche Hilfe fungieren“, sagt die Direktorin. Optisch als treppenförmige Etagen konzipiert – die deutsche Architektin nennt den Lesesaal liebevoll „Weingarten“ –, bietet die Anordnung der unterschiedlichen Regale eine Übersicht über den gesamten Raum. „Man steht nicht direkt vor einer Wand voller Bücher, sondern sieht über die ersten Ränge hinweg. Das ist viel zeitgemäßer als hier am Boulevard Roosevelt“, so Kieffer.

  • Die Tram und die moderne Architektur des Gebäudes

Praktisch bei der Planung der neuen Bibliothek war die Tatsache, dass sich eine Tramhaltestelle direkt vor der Tür befindet. „Die Architektur des Gebäudes hat dem durch einen Rücksprung am Eingang Rechnung getragen. Wir wollten eine Osmose schaffen zwischen der Haltestelle und unserem Vorplatz, da dieser teilweise überdacht ist und so die Leute zum Eintreten einlädt“, erklärt Kieffer. Insgesamt sollte die Architektur der neuen Bibliothek nicht etwa an neoklassische Bauten erinnern, sondern vielmehr das moderne Flair des 21. Jahrhunderts widerspiegeln. „Die Seiten sind mit großen Fenstern versehen, sodass man von außen in die Bibliothek hineinsehen kann und vielleicht Lust bekommt, hineinzugehen“, hofft die Direktorin.

  • Mehr Platz für frei zugängliche Bücher

Einer der ganz großen Nachteile des aktuellen Gebäudes ist die Tatsache, dass viele der gesammelten Werke im Magazin gelagert sind und so nicht frei ausgeliehen werden können. Im über 6.000 Quadratmeter großen Lesesaal auf Kirchberg finden diese nun ihren rechtmäßigen Platz, denn hier passen rund 300.000 Bücher ins Regal.

  • Optimale Bedingungen im neuen Magazin

Viel Schaden an den Sammlungen der Nationalbibliothek angerichtet hatte ebenfalls der poröse Sandstein im Keller des ehemaligen Athenäums. Nicht nur aus ästhetischer Sicht mussten die wertvollen Bestände der BNL unter immer wiederkehrender Feuchtigkeit leiden, auch finanziell wurde dieses Manko zum Problem. „Über die Jahre sind riesige Summen in die Restaurierung der beschädigten Werke geflossen. Aus diesem Schlamassel werden wir nun endlich herauskommen“, sagt Kieffer erleichtert. Neben optimierten klimatischen Bedingungen sei nun auch die Sicherheit im neuen Magazin gefestigt, dies durch einen besser kontrollierten Zugang zu den Räumlichkeiten sowohl für Besucher als auch fürs Personal.

  • 200 Quadratmeter für spezielle Werke

Eine besondere Kollektion der BNL sind die sogenannten „livres d’artistes“, welche derzeit aus Platzmangel im Schatten der Bibliothek schlummern. „Wir besitzen keinen richtigen Ausstellungsraum, um diese Werke zu zeigen. Es ist dramatisch, dass die Leute sie nicht sehen können“, meint Kieffer. Im neuen Gebäude wurde speziell hierfür ein Exporaum eingerichtet, der durch seine moderne Ausstattung künftig multimediale Ausstellungen zur Geltung bringen und so ein noch breiteres Publikum anlocken soll.

  • Ein Ort des Dialoges und des Austauschs

Nicht nur ein gemütliches Plätzchen zum Lesen will die Nationalbibliothek sein, sondern auch ein Ort des Dialoges. „Neben unserer Bildungsmission haben wir ebenfalls die Aufgabe, Offenheit und Kreativität zu fördern und Menschen durch Bücher zusammenzubringen“, sagt Monique Kieffer. Genau aus diesem Grund sind im Bauplan des neuen Gebäudes neben einem großen Konferenzraum ebenfalls mehrere kleine, multimedial ausgestattete Säle für Formationen enthalten. „So können wir auch mal zwei oder drei Veranstaltungen parallel organisieren. Die Nachfrage ist definitiv da, die Räume wurden jetzt schon fürs nächste Jahr reserviert“, verrät die Direktorin. Auch das kleine „café culinaire“ am Eingang der neuen Bibliothek passt in die Vision einer modernen BNL und soll für mehr Austausch zwischen den Besuchern sorgen.