Der Luxemburger, der Hawking kannte

Der Luxemburger, der Hawking kannte

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Von Cristiana Rodrigues Costa, Chérine Cubuk, Myriam Lameiras Borges, Alexandra Da Costa, Eduardo Gouveia De Brito Costa, David Peres, Attila May

Der weltberühmte und an ALS erkrankte Physiker Stephen Hawking starb am 14. März dieses Jahres im Alter von 76 Jahren. Der Luxemburger Dr. Jean-Luc Lehners hat in Cambridge mit ihm zusammengearbeitet. Die Schüler haben ihn getroffen. 


Dieser Artikel gehört zu unserer Spezialausgabe zum Tag der Pressefreiheit. Wir haben den Schülern das Wort gegeben, die eine eigene Zeitung zusammengestellt haben. Lesen Sie hier die restlichen Artikel: ►Link


Wann und wo haben Sie mit Stephen Hawking gearbeitet?
Ich hab in seiner Gruppe in Cambridge gearbeitet, das ist etwa eine Stunde nördlich von London entfernt, also eine Stunde mit dem Zug. Das ist eine sehr alte Unistadt. Dort gibt es seit 800 Jahren eine Uni und da gibt es halt eine bekannte Physikabteilung, wo auch schon Isaak Newton gearbeitet hat vor 400 Jahren, und ich hab da von 2005 bis 2007 in Stephen Hawkings Gruppe gearbeitet.

War Stephen Hawking ein guter Freund von Ihnen?
Nein, so kann man das nicht sagen. Wie gesagt, es war sehr schwierig, mit ihm zu kommunizieren, und dann ist es auch schwer, jemanden kennenzulernen. Er war mein offizieller Chef, es wäre übertrieben zu sagen, dass er mein Freund war. Er war nur der Chef von dieser ganzen Gruppe in Kosmologie und Gravitationsphysik, in der ich auch zwei Jahre lang gearbeitet habe.

Existiert der Sprachcomputer von Stephen Hawking noch?
Ich weiß es nicht, aber bestimmt. Ein Ingenieur hat den Sprachcomputer für ihn gebaut, das war in den Achtzigerjahren. Irgendwann gab es bessere, aber er wollte die nicht haben, denn dann hätte seine Stimme sich geändert, deswegen hat man diesen alten Computer immer wieder repariert. Solche Computer sind normalerweise gar nicht mehr in Betrieb. Was jetzt damit passiert, weiß ich nicht.

Erinnern Sie sich an ein bestimmtes Erlebnis mit Stephen Hawking?
Ja, ich erinnere mich an ein Erlebnis, als ich einmal etwas organisiert habe. Zusammen mit einem Freund wollte ich Geld sammeln für einen guten Zweck. Es war ein Vortrag über Physik. Wir wollten Eintritt fragen und dann haben wir gedacht, damit Leute kommen, organisieren wir eine Lotterie, für jede Eintrittskarte gab es ein Los.
Der Gewinner sollte als Geschenk ein Buch mit Stephen Hawkings Unterschrift drin bekommen. Bei ihm bedeutet Unterschrift dann Fingerabdruck, weil er seine Hand ja nicht bewegen konnte und deswegen auch nicht schreiben konnte. Ich habe ihn also gefragt, ob er das mitmachen wollte, obwohl ich gar nicht sicher war, ob ich das fragen konnte oder durfte, aber er hat Ja gesagt, sofort und ohne lange nachzudenken. Er war immer bereit, Sachen für einen guten Zweck mitzumachen und hat gar nicht lange gezögert, das fand ich schön.

Haben Sie noch mit anderen Genies gearbeitet?
Naja, Genie ist so ein komisches Wort … Ich habe mit einigen guten Physikern gearbeitet, ja … mit sehr guten Physikern. Genie ist schwer zu sagen. Es gibt viele Leute, die sehr viele gute Ideen haben, auf verschiedene Art und Weisen. Unter Physikern war Stephen Hawking sehr bekannt, aber er war einer von vielen. Er war bei anderen Menschen sehr bekannt für einen Physiker, auch wegen seiner Krankheit und seiner Bücher.

Wie denken Sie über Stephen Hawking?
Naja, da gibt es sehr viel zu denken. (lacht) Er war eine außergewöhnliche Person, er hatte ja über 50 Jahre die Krankheit ALS, die bewirkte, dass seine Muskeln nicht mehr funktionierten und er konnte sich fast gar nicht mehr bewegen. Obwohl er diese Krankheit hatte, fand er sehr viel in der Physik heraus. Er war eine sehr spezielle Person, denn man konnte ja nicht normal mit ihm kommunizieren, weil er seine Muskeln nicht mehr gebrauchen konnte. Seine Stimmbänder funktionierten nicht mehr, deswegen musste er alles auf seinem Computer eingeben. Die Computersprache hat seine Stimme ersetzt.
Vor längerer Zeit hatte er so etwas wie eine Maus an seinen Finger angeschlossen, da konnte er den Finger noch bewegen. Er benutzte diese Maus, damit er die Wörter auf dem Computer raussuchen konnte. Zu der Zeit, als ich in Cambridge war, hat das nicht mehr funktioniert, da hatte er etwas an seiner Wange angeschlossen und mit den Bewegungen wurden die Wörter gesagt. Und ganz zum Schluss hatte er auch noch etwas am Auge, weil das das Einzige war, was noch funktionierte.
Er hat sehr lange gebraucht, um einen Satz zu machen. Deswegen konnte man kein richtiges Gespräch führen. Jedes Mal wenn er was sagen wollte, hat das mehrere Minuten gedauert und dann kam nur ein kurzer Satz, deswegen konnte man sich nicht richtig unterhalten. Leute die ihn schon sehr lange kannten konnten an seinem Ausdruck oder an seinen Augen schon erkennen, ob er einverstanden war oder nicht. Aber wenn man ihn nicht so lange kannte, war es sehr schwierig, ein Gespräch zu führen.
Man konnte ihm Sachen erzählen, aber dann konnte er sozusagen nur zustimmen oder nicht zustimmen. Als ich in Cambridge war, war er eigentlich immer da, auch wenn wir unsere Forschungsergebnisse vorgestellt haben. Er saß immer in der ersten Reihe mit seinem Rollstuhl. Das war schon immer ein bisschen aufregend, wenn man einen Vortrag gehalten hat und er saß nur 2 Meter entfernt. Er wollte immer wissen, was jeder so forscht. Es war erstaunlich, wie aktiv er war, für jemand der so krank war.“

Haben Sie etwas von Stephen Hawking gelernt?
Ja, also sehr viel sogar, nicht unbedingt direkt, aber durch seine Artikel und seine Arbeit habe ich sehr viel von ihm gelernt. Ich arbeite auch viel an Theorien, die er begonnen hat, also wo er die ersten Ideen dazu hatte. Ich versuche, diese Theorien jetzt auch weiterzuentwickeln mit meinen Arbeitskollegen. Also ja, ich habe sehr viel von ihm gelernt, weil seine Artikel waren immer sehr klar geschrieben, vor allem die aus den 70er und 80er Jahren.
Er hatte sehr viele Ideen, die wir jetzt noch weiterentwickeln können. Er hatte zu dem Zeitpunkt unglaublich viele Ideen, die auch jetzt noch immer nicht fertig entwickelt sind. Manche funktionieren nicht so gut, viele sind aber sehr gut und es ist spannend, daran weiterzuarbeiten.


ALS
Die Amyotrophe Lateralsklerose ist eine Motoneuron-Krankheit (eine degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems, die für die Muskelbewegungen verantwortlich ist). Diese Krankheit ist nicht ansteckend und nicht heilbar. Am Anfang zeigen sich oft Ungeschicklichkeiten, wie Hinfallen, Probleme beim Halten von Schreibgeräten oder andere Dingen, also schmerzlose Lähmungen von Armen und/oder Beinen. Später haben die Betroffenen Schwierigkeiten zu schlucken, zu sprechen und zu atmen. Sie sind früh auf den Rollstuhl angewiesen. Wenn diese Krankheit entdeckt wird, hat man normalerweise eine Lebenserwartung von maximal fünf Jahren, doch diese Krankheit beginnt normalerweise nicht vor dem 50. Lebensjahr. Trotzdem gibt es Menschen, die viel länger mit dieser Krankheit leben können.