Zehntausende Soldaten feiern die Diktatur

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Nordkoreas Streitkräfte haben am 65. Jahrestag der Staatsgründung eine Militärparade abgehalten. Pjöngjang startet gleichzeitig eine Charme-Offensive in Richtung Westen.

Die nordkoreanischen Streitkräfte haben am 65. Jahrestag der Staatsgründung in der Hauptstadt Pjöngjang eine grosse Militärparade abgehalten. Zehntausende Soldaten marschierten am Montag über den Kim-Il-Sung-Platz, hunderttausende Zivilisten schwenkten Blumensträuße. Die Parade wurde von Staatsführer Kim Jong-Un abgenommen. Es war die zweite grosse Militärparade in wenigen Wochen. Im Verhältnis zum Militäraufmarsch am 27. Juli war diesmal weniger schweres Kriegsgerät dabei.

Sanftere Töne

Die Außenpolitik wendet sich derweil wieder Mal von einem martialischem Auftreten ab. Auf Provokationen und Atomkriegsdrohungen folgt eine Charme-Offensive: Die Wiedereinrichtung einer Militär-Hotline zwischen Nord- und Südkorea, die Gespräche über eine Wiedereröffnung der Industriezone Kaesong, die geplanten Familienzusammenführungen. Im Frühjahr hatte Pjöngjang noch mit einem Atomkrieg gedroht und die internationale Gemeinschaft mit Raketentests provoziert, jetzt löst eine Charme-Offensive die diplomatische Eiszeit ab.

Doch man muss nur ein wenig an der Oberfläche kratzen, um zu erkennen, dass es kein grundlegender politischer Sinneswandel ist, den Staatschef Kim Jong-Un vollzogen hat. Denn Nordkorea zeigt sich nicht geneigt, im Streit über sein Atomprogramm einzulenken. Zwar kündigte Pjöngjang seine Rückkehr zu den sogenannten Sechs-Parteien-Gesprächen an – die Verhandlungen mit den USA, Südkorea, Japan, China und Russland liegen seit 2009 auf Eis. Aber Nordkorea stellt eine Bedingung, die Washington kategorisch ablehnt: in den Abrüstungsgesprächen als Atommacht anerkannt zu werden.

Es geht um Geld

Viele halten Nordkoreas vermeintliche Verhandlungsbereitschaft nur für einen Schachzug, um wieder in den Genuß von Hilfszahlungen zu kommen. Diese Strategie hat bereits Kims verstorbener Vater Kim Jong-Il während seiner 17-jährigen Herrschaft beherrscht: Phasen der Provokation und des Säbelrasselns wechselten sich ab mit versöhnlichen Gesten, um die ausländischen Geldgeber zu besänftigen.

Erstens haben sich die beiden koreanischen Staaten auf die Wiedereröffnung der Sonderwirtschaftszone Kaesong geeinigt. Im April hatte Nordkorea seine 53 000 Arbeiter aus dem gemeinsamen Industriepark abgezogen. Doch damit versiegte auch der Geldfluß, denn die südkoreanischen Unternehmen in Kaesong sind ein wichtiger Devisenlieferant für das international isolierte Nordkorea.

Zweitens planen Nord- und Südkorea, in Kürze die Familienzusammenführungen wiederaufzunehmen: Schon in diesem Monat sollen sich Verwandte treffen dürfen, die seit dem Koreakrieg vor 60 Jahren durch die innerkoreanische Grenze getrennt sind.

Und dann wäre da noch die nordkoreanische Touristenregion Kumgang, das Diamantgebirge. Nordkorea möchte dort gerne wieder südkoreanische Touristen empfangen – auch die 2008 ausgesetzten Reisen waren eine willkommene Einnahmequelle.

Bis zum nächsten Atomtest

Bei diesen Gesten hat Pjöngjang nichts zu verlieren – im Gegenteil. Die Familienzusammenführungen kosten nichts, und die Wiedereröffnung von Kaesong oder Kumgang ist sogar ein großer Gewinn.

Die Zwietracht zwischen Washington und Pjöngjang bleibt jedoch bestehen. Die USA fordern, dass Nordkorea mit konkreten Schritten seine Bereitschaft zur Abrüstung unter Beweis stellt. Die Aussichten dafür sind nicht besonders gut.

Wenn es jemandem gelingt, das nordkoreanische Regime zum Einlenken zu bewegen, dann ist es China. Zwar zögert Peking, seinen langjährigen Verbündeten fallen zu lassen, lässt aber durchaus kritische Töne vernehmen, wenn es um das nordkoreanische Streben nach Kernwaffen geht.

Dass Pjöngjang nicht vorhat, sein Atomprogramm aufzugeben, zeigen Satellitenfotos. Darauf ist zu sehen, dass die Urananreicherungsanlage ausgebaut und die wichtigste Raketenabschussbasis erweitert wird. Insofern misstrauen Beobachter der nordkoreanischen Sonnenschein-Politik.