Wut und Empörung in Belgien

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Belgien ist verstört. Die Ex-Frau des Kindermörders Dutroux ist auf freiem Fuß. Die Familien der Opfer sind entsetzt. Und die Anwohner des Klosters, in dem Michelle Martin künftig leben wird, fürchten um die Sicherheit.

Die vorzeitige Freilassung der Ex-Frau und Komplizin des Kinderschänders Marc Dutroux sorgt in Belgien für öffentliche Empörung. Bürger und Politiker machten am Tag nach der Entlassung ihrer Wut Luft. Im südbelgischen Malonne, wo Michelle Martin künftig in einem Kloster leben wird, fürchten Bürger um die Sicherheit. „Aus Angst werden unsere Kinder im Dorf nicht mehr frei herumlaufen können“, sagte die Anwohnerin Eva Kavian im flämischen Fernsehen VRT. Der Leiter des Kindergartens von Malonne, Pierre Meunier, sagte dem Sender, er fühle „Unverständnis und Wut.“

Der flämische Abgeordnete Jurgen Verstrepen machte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter den Vorschlag, einen Auftragsmörder auf Michelle Martin anzusetzen, berichtete der Sender VRT. Der Präsident des flämischen Parlaments, Jan Peumans, verurteilte den Aufruf, sah mit Hinweis auf die Meinungsfreiheit aber von einer Rüge ab: „Das ist Sache der Justiz“, sagte Peumans dem Sender.

Pfiffe und Buh-Rufe

Rund 50 erboste Bürger hatten am Dienstagabend vor dem Kloster in der Nähe von Namur protestiert, als Michelle Martin in einem abgedunkelten Wagen anreiste. Die 52-Jährige will künftig in dem Orden leben, ohne aber selbst Nonne zu werden. Die Menschen pfiffen und buhten Martin aus. Bereits in den vergangenen Wochen waren in Brüssel und Malonne tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen ihre Freilassung zu demonstrieren.

Die 52-Jährige war als Komplizin des Kinderschänders Dutroux zu 30 Jahren verurteilt worden, von denen sie 16 abgesessen hat. Dutroux hatte in den 90er Jahren sechs Mädchen entführt und gefoltert, vier von ihnen starben. Martin hatte die acht Jahre alte Julie und ihre gleichaltrige Freundin Melissa im Verlies des Kellers verhungern lassen. Nach einer Gerichtsentscheidung war Martin am Dienstag vorzeitig auf freien Fuß gekommen. Dutroux selbst muss lebenslang im Gefängnis bleiben.

„Der Weg der Nächstenliebe“

Einige Stimmen nahmen Martin und das Kloster aber in Schutz. Die Schwestern gingen den Weg der Nächstenliebe, schrieb die flämische Zeitung „Het Laatste Nieuws“. „Dafür verdienen sie Verständnis und Respekt, aber keine Drohungen.“ Martins Anwalt kündigte im belgischen Radio RTBF an, seine Mandantin werde die Familien der Opfer kontaktieren und einen Brief an den Vater eines der getöteten Mädchen schreiben. „Frau Martin hat mindestens zwei Mal den Vorschlag für eine Mediation gemacht, um Antworten auf die Fragen der Eltern zu geben und sie um Entschuldigung zu bitten aber sie weiß, dass die Eltern ihr nicht vergeben können“, sagte Anwalt Thierry Moreau.

Der Vater der kleinen Julie, Jean-Denis Lejeune, hatte zuvor einen Brief an Martin geschrieben und sie um Details über den Tod seiner Tochter gebeten. Bis heute hat Martin sich über die Umstände des Tods der Mädchen ausgeschwiegen. Lejeune schrieb laut Medienberichten in dem Brief, dass er nicht bereit sei, mit Martin zu sprechen oder ihre Entschuldigung anzunehmen. Jean-Denis Lejeune kämpft dafür, dass die Gesetzeslage in Belgien geändert wird, damit Verurteilte in besonders schweren Fällen künftig nicht mehr bereits nach einem Drittel der verbüßten Strafe freikommen. Die Regierung hat bereits entsprechende Maßnahmen angekündigt.