Wirtschaftsminister als Querdenker

Wirtschaftsminister als Querdenker
(AFP/Eric Piermont)

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Emmanuel Macron stellt nach den Pariser Attentaten die Frage nach der französischen Verantwortung.

Nicht einmal 24 Stunden hat der politische Frieden nach der eindrucksvollen Zeremonie zu Ehren der Attentatsopfer des 13. November 2015 gedauert. Der französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron hat der nationalen Kriegseinigkeit in Frankreich eine Wunde zugefügt, auf die jeder gerne verzichtet hätte.

Staatspräsident François Hollande spricht von Krieg, gibt das Versprechen ab, die Schuldigen zu bestrafen und schaut dabei nach Syrien, wo er einen Krieg führen will, bei dem der Gegner zwar einen Namen hat, es aber keine Fronten gibt.

Emmanuel Macron, der Wirtschaftsminister des Landes; blickt nach innen, sieht die Ursachen für den 13. November in Frankreich selbst. Die französische Gesellschaft selbst trage einen Teil der Verantwortung an den Attentaten. Sie sei fruchtbarer Boden für Dschihadismus geworden. Und zur Erklärung fügt er hinzu, dass die Gesellschaft ihr Versagen habe, die das Ausbreiten der Hydra Djihadismus bis in französische Breitengrade erlaubt habe, sagte Macron im Bezahlsender „Canal +“. Macron: „Die Republik mit ihren Prinzipien, mit ihrer Trennung von Kirche und Staat, mit ihrer Integrationsfähigkeit darf auf ihrem Territorium keinen Kompromiss dulden. Wir haben sie aber akzeptiert. Wir haben die Sachen laufen lassen“, präzisierte er. „Die Republik muss für jeden einen Platz haben“, fügte Macron an. „Wir haben aber die Ausschließung zugelassen. Das gilt nicht für die ganze Gesellschaft, aber das gilt für die Eliten, die eine Verantwortung im Drama des 13. November tragen“.

Premierminister Manuel Valls, der zunehmend Schwierigkeiten hat, Macron in dessen Gedankengängen folgen zu wollen und ihn zu verteidigen, ging nicht auf die Gedanken seines Wirtschaftsministers ein. Er argumentierte an ihnen vorbei und stellte klar, dass Frankreich die Terroristen mit allen Mitteln verfolgen werde.

Ségolène Royal, frühere Lebensgefährtin des Staatspräsidenten, Mutter seiner vier Kinder und als Umwelt- und Verkehrsministerin die Nummer drei in der Regierung, sagte: „Ich bin überhaupt nicht mit diesen Gedankengängen einverstanden. Ich bin der Meinung, dass wir, da wir doch Opfer dieser Attentate sind, uns jetzt nicht schuldig fühlen sollten. Ich weigere mich, in diese Logik einzusteigen. Es kommt überhaupt nicht in Frage, die Republik Frankreich in eine Rolle des Schuldigen zu drängen.“ Die eher linke französische Justizministerin Christiane Taubira, die zum Verdruss sowohl ihrer eigenen politischen Heimat als auch der bürgerlichen Opposition eher für eine liberale Justizpolitik steht, hatte schon am Mittwoch vergangener Woche anklingen lassen, dass Frankreich auch nach innen blicken müsse.

Am härtesten reagierte der Generalsekretär der Sozialisten, Jean-Christophe Cambadélis: „Emmanuel Macron gehört zu denen, die Frankreich gegen dessen Willen zum Glück zwingen wollen. Ich nenne das liberalen Bolschewismus.“ Mit Samthandschuhen wird der französische Wirtschaftsminister nicht mehr angefasst.

Emmanuel Macron hatte seine Gedanken bereits bei seinem Jahresempfang für die Presse Ende Januar 2015 geäußert. Unter Verweis auf eine gefährdete Jugend hatte er dafür plädiert, die Wirtschaft in Schwung zu bringen, damit sie Jugendlichen Arbeitsplätze anbieten könnte. Nur dann, so damals seine Argumentation, könne man vermeiden, dass sie den Sirenen des Islamismus verfielen. Macron bleibt mit seinen jüngsten Äußerungen auf der Linie seiner Argumentation. Der Wirtschaftsminister und der Premierminister werden sich in dieser Woche zu einem – allerdings seit Längerem geplanten – Gespräch treffen.