/ "Wir sind von Schwulen umzingelt"
Das Filmfestival von Cannes hat dieses Jahr ein politisches Zeichen gesetzt. Die Goldene Palme erhielt der französische Film „La vie d’Adèle“ von Regisseur Abdellatif Kechiche. Darin wird eine lesbische Beziehung thematisiert. Sogar die expliziten Sexszenen und die durchzogenen Kritiken hat die Jury nicht davon abgehalten, den Film gebührend zu würdigen.
Diese hohe Auszeichnung ist ein Statement in einem Land, das sich mit gleichgeschlechtlicher Liebe enorm schwer tut. Seit Wochen gehen die konservative Opposition und die katholische Kirche gegen die Homo-Ehe auf die Strasse. Zu Tausenden protestieren sie gegen das historisches Gesetz zur Einführung der Homo-Ehe, eines der zentralen Wahlversprechen des sozialistischen Staatschefs François Hollande. Das Gesetz war Ende April vom Parlament endgültig beschlossen worden. Es trat am 18. Mai in Kraft. Das Gesetz räumt Homosexuellen neben der Eheschliessung auch ein Adoptionsrecht ein.
„Invasion“ von Homosexuellen
Eine dieser glühenden Gegnerinnen ist Christine Boutin, Präsidentin der Christlich-Demokratischen Partei. Die konservative Politikerin tritt für die Verteidigung der Familie und der christlichen Grundwerte ein. Für Boutin führt die gleichgeschlechtliche Liebe in die Polygamie. In einem TV-Interview wurde sie am Montag auf den Siegerfilm von Cannes angesprochen. „Was ist schon die Goldene Palme, überall, in jeder TV-Serie, in jedem Film gibt es immer mehr Schwule“, meinte sie abschätzig. Dann verglich sie Homosexuelle mit Unkraut: „Schwulsein ist modern. Wir sind umzingelt von Schwulen.“ Es drohe eine „Invasion“ von Homosexuellen, so Boutin. „Es gibt keine Geschichte ohne eine homosexuelle Geschichte mehr. Auch hier gibt es eine Art von Sättigung.“ Französische Zeitungen sind über dieser offenherzige Homophobie entsetzt. Madame Boutin sei eine Schande für die französische Politik, echauffiert sich ein Kommentator von „Le Nouvel Observateur“.
Doch auch Madame Boutin ist nicht gefeit gegen Angriffe auf ihre Privatsphäre. Ebenfalls am Montag war sie Gast in einer Diskussionsrunde der Talkshow „ça vous regarde“ des Senders LCP (siehe Video oben). Ein Zuschauer befragte die Katholikin über ihre Beziehung zu ihrem Ehemann: „Madame Boutin, Sie sind ja mit Ihrem Cousin verheiratet, stört Sie Inzest unter Erwachsenen nicht, und stört es Sie nicht, wenn Sie sich in das Privatleben von Schwulen einmischen?“
Von Privatsphäre und Inzest
Tatsächlich ist Boutin seit 1967 mit ihrem Cousin ersten Grades, Louis Boutin, verheiratet. Das ist in Frankreich zwar legal, eine Heirat kann allerdings nur mit einem päpstlichen Dispens möglich gemacht werden. Das Paar hat drei Kinder. Pikiert antwortete sie dem Mann: „Ich werde diese Frage nicht beantworten, werde nicht über meinen Cousin sprechen. Das Gesetz verbietet es nicht, dass sich Cousin und Cousine vermählen. Einzig aus religiös-moralischen Gründen könnte das Recht eingeschränkt sein. Also, Monsieur, lassen Sie mich in Ruhe mit Fragen über meinen Mann, mit dem ich seit 45 Jahren verheiratet bin.“
Doch der Zuschauer lässt nicht locker und giftelt weiter, dass sie ebenfalls die Privatsphäre der Homosexuellen in Ruhe lassen möge. Über den Inzest-Einwurf wurde Boutin wütend: „Das ist nicht akzeptabel, das ist eine Beleidigung.“ Das mit ihrem Mann sei keine Inzest, das sei eine private Angelegenheit. Einen Tag später drohte sie auf Twitter, ihre Angreifer, die ihre Ehre (und Ehe) diffamieren, anzuzeigen. „Enough!“ schrieb sie erzürnt und beleidigt.
Die erste Homo-Ehe soll an diesem Mittwoch in der südfranzösischen Stadt Montpellier geschlossen werden. Die Behörden befürchten bei Trauungen von Schwulen und Lesben Störaktionen radikaler Gegner – Christine Boutin wahrscheinlich an vorderster Front.
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