/ Wie die Titanic...

(Reuters/Pool)
„Die Titanic-Linke“ titelt die französische Zeitung „Libération“ zu einer Illustration des Kreuzfahrtschiffs, das mit Volldampf auf den Eisberg zusteuert. Die linke Zeitung zeigt damit Galgenhumor angesichts der verzweifelten Lage im eigenen Lager: Die sozialistische Regierung zerfleischt sich im Bruderkrieg zwischen Präsident François Hollande und Premier Manuel Valls, während die anderen linken Kandidaten für die Präsidentschaftswahl sich gegenseitig die Erfolgschancen rauben.
Fillon ist Favorit
Laut einer Umfrage von Kantar Sofres Onepoint im Auftrag von RTL, Le Figaro und LCI liegt der Kandidat der Republikaner François Fillon weit vor seinen möglichen Konkurrenten im Wettrennen um die französische Präsidentschaft. Er würde 28 bis 31 Prozent der Stimmen erhalten. Die Kandidatin des FN, Marine Le Pen, käme auf 23 bis 25 Prozent. Der aktuelle Präsident François Hollande läge in der Umfrage mit lediglich 7,5 bis 8,5 Prozent absgeschlagen auf dem dritten Rang und würde die Stichwahl klar verfehlen. Dort hätte laut Studie dann auch Fillon mit 66 Prozent gegenüber 34 Prozent für Marine Le Pen das bessere Ende für sich.
„Tragikomödie“ oder schlicht „Posse“: Die französischen Zeitungen lassen kein gutes Haar an Hollande und Valls, die sich seit einigen Tagen in aller Öffentlichkeit demontieren. Im Regierungslager brodelt es dermaßen, dass der sozialistische Finanzminister Michel Sapin einen dringenden Appell an die eigenen Reihen richtete: „Wir müssen alle die Ruhe bewahren.“ Während die Rechte sich in seltener Einigkeit hinter ihrem Präsidentschaftskandidaten François Fillon sammelt, beklagt der Parteichef der Sozialisten, Jean-Christophe Cambadélis, ein „Zerbröseln, eine Aufspaltung“ der Linken. „Es ist eine Situation, in der sich niemand mehr zurechtfindet“, klagt er ungewöhnlich offen. Die verheerende Lage ist vor allem der Schwäche von Präsident Hollande zuzuschreiben, der in den vergangenen Wochen selbst loyale Gefolgsleute gegen sich aufgebracht hat, allen voran Premier Valls. Dessen Ankündigung einer möglichen Kampfkandidatur gegen Hollande bei der geplanten Präsidentschaftsvorwahl der Sozialisten Ende Januar zeigt, dass die Stimmung im linken Lager auf den Gefrierpunkt gesunken ist. „Wenn der Präsident denkt, ich würde für ihn Wahlplakate kleben, hat er sich getäuscht“, soll ein wutschnaubender Valls Vertrauten gesagt haben.
Einigung beim Essen?
Aus dem Büro des Premiers wurde am Montagabend gestreut, Hollande und Valls hätten bei einem zweistündigen Arbeitsessen das Kriegsbeil begraben. Verzichtet der ehrgeizige Valls damit auf eine eigene Kandidatur und ermöglicht damit die des zaudernden Hollande, der sich bis Mitte Dezember erklären muss? Im Umfeld des Premiers kann man darüber nur lachen: „Verzichten? Das ist eine merkwürdige Interpretation“, sagte ein Vertrauter. Nach Ansicht der Zeitung „Les Echos“ ist Valls allerdings nur ein „Brutus light“. Zum Königsmörder fehlt dem 54-Jährigen aus Sicht des Wirtschaftsblattes die Statur – und der Zuspruch bei den Wählern. Nach einer neuen Umfrage käme Valls in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl im April nur auf neun Prozent der Stimmen – ebenso wenige wie der glücklose Hollande.
Noch vor Premier und Staatschef würden laut Umfragen zwei bereits erklärte Präsidentschaftskandidaten landen, die ebenfalls dem linken Lager zugerechnet werden: Hollandes früherer Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, der allerdings eher liberale Überzeugungen vertritt, und Jean-Luc Mélenchon, dessen Ansichten denjenigen der deutschen Linkspartei ähneln. Beide haben einer Teilnahme an der Vorwahl der Sozialisten eine Absage erteilt.
„Verlass das Kabinett“
Macron, der bei der Präsidentschaftswahl auf rund 14 Prozent der Stimmen hoffen kann, hat Valls aufgerufen, seinem Beispiel vom August zu folgen und Hollandes Kabinett zu verlassen. „Als ich eine andere Meinung hatte, habe ich das klar gemacht und bin meiner Verantwortung gerecht geworden“, ätzte er. Bei so viel Lust am Untergang können sich die Präsidentschaftskandidaten im rechten Lager zufrieden die Hände reiben.
Sowohl Fillon als auch die Präsidentin der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, schweigen vielsagend zum Machtkampf im anderen Lager. Die konservative Zeitung „Le Figaro“ liefert schadenfroh die Diagnose: „Auch die Lächerlichkeit kann die Linke töten.“
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