WHO befürchtet weit höhere Ebola-Zahlen

WHO befürchtet weit höhere Ebola-Zahlen

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Stirbt ein Afrikaner in einem abgelegenen Dorf oder versteckt von seiner Familie an Ebola, taucht er in der offiziellen Statistik nicht als Opfer auf. Die Zahl solcher Fälle dürfte hoch sein, vermutet die WHO.

Die Ebola-Epidemie in Westafrika könnte noch weit schlimmer sein als bisher angenommen. Mitarbeiter hätten in den betroffenen Gebieten Hinweise dafür gefunden, dass das wahre Ausmaß des Ausbruchs deutlich über den bislang bekannten Zahlen zu Krankheitsfällen und Opfern liege, teilte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit. OOffiziell erfasst waren bis zum 13. August 2127 bestätigte und Verdachtsfälle, 1145 Menschen starben.

Von dem Ausbruch sind in Guinea, Liberia und Sierra Leone vielfach sehr abgelegene Gebiete betroffen, in denen es kein effizientes Meldesystem gibt. Zudem stehen viele Menschen den Ärzten skeptisch gegenüber und vertrauen lieber traditionellen Heilern. Oft werden erkrankte Angehörige in den Häusern versteckt, um sie vor einem Transport zu Quarantänestationen zu bewahren – auch sie tauchen nicht in den offiziellen Listen auf.

Weiterer Ebola-Fall

Noch ist unklar, ob dies auch für Afrikas bevölkerungsreichstes Land Nigeria gelten könnte. Dort wurde inzwischen ein weiterer Ebola-Fall bestätigt: Ein Arzt habe sich mit dem Virus angesteckt, sagte Gesundheitsminister Onyebuchi Chukwu. Damit erhöht sich die Zahl der erfassten Infizierten im Land auf elf. Drei davon sind bereits gestorben. Von den acht Infizierten in Quarantäne sei aber mehr als die Hälfte auf dem Weg der Besserung, so Chukwu. Erwogen wird demnach, das experimentelle Ebola-Mittel „NanoSilver“ einzusetzen, das von einem nigerianischen Wissenschaftler entwickelt wurde.

Derzeit stünden in Nigeria 169 Menschen wegen Ebola-Verdachts unter Beobachtung, 163 in Lagos und 6 in Enugu, hieß es weiter. Die Fälle in Enugu gehen demnach auf eine Krankenschwester zurück, die in Lagos aus der Quarantäne floh und in die gut 500 Kilometer östlich liegende Stadt reiste. Alle bestätigten und Verdachtsfälle gehen wiederum auf einen infizierten Berater der liberianischen Regierung zurück, der im Juli in die Millionenmetropole Lagos gereist und dort am Flughafen zusammengebrochen war.

Drastische Maßnahme

Präsident Goodluck Jonathan griff zu einer drastischen Maßnahme, um einem seit fast sieben Wochen dauernden Streik des medizinischen Personals Einhalt zu gebieten: Der Staatschef orderte die sofortige Entlassung von 16.000 Ärzten an. Dies gehe aus einer internen Mitteilung an das Gesundheitsministerium hervor, berichtete die Zeitung «Premium Times». Das Ministerium könne nun andere Mediziner für die Behandlung von Patienten einstellen, wurde der Sprecher Isiaka Yusuf zitiert.

Mit dem Ausstand will das medizinische Personal bessere Arbeitsbedingungen und höhere Gehälter einfordern. Der Streik hat jedoch die Bemühungen um eine Eindämmung des Virus beeinträchtigt. In Nigeria leben Schätzungen zufolge fast 170 Millionen Menschen.

„Katastrophal“

Welche Folgen eine Ausbreitung von Ebola für Nigeria haben könnte, zeigt das Beispiel des viel kleineren Landes Liberia: Die Notfall-Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Liberia, Lindis Hurum, bezeichnete die Situation in der Hauptstadt Monrovia als „katastrophal“. Es gebe Berichte, dass sich in den vergangenen Wochen mindestens 40 Mitarbeiter von Gesundheitseinrichtungen mit Ebola ansteckten. Die meisten Krankenhäuser der Stadt seien geschlossen, und es werde gemeldet, dass auf den Straßen und in Häusern Leichen liegen.

Dem Land droht zudem eine Lebensmittelknappheit. Das Nachbarland Elfenbeinküste hat den Schiffsverkehr aus betroffenen Ländern durch seine Gewässer verboten. Auch der Luftverkehr nimmt immer weiter ab. Um eine Ausbreitung von Ebola in den überfüllten Gefängnissen zu verhindern, ordnete das Justizministerium Liberias an, mehr als 100 Gefangene aus der Untersuchungshaft zu entlassen, denen kleinere Vergehen vorgeworfen wurden.

Auch in Sierra Leone verschlimmert sich die Lage weiter. Da Menschen unter Ebola-Verdacht ihre Häuser 21 Tage nicht verlassen dürften, könnten sie weder ihre Felder bestellen noch einkaufen, teilte die Welthungerhilfe am Freitag mit. „Im Land sind die Preise für Grundnahrungsmittel wie Reis bereits um bis zu 40 Prozent gestiegen.“ Die USA forderten Angehörige von Mitarbeitern der US-Botschaft im Land auf, wegen der Ebola-Epidemie das Land zu verlassen. Es mangele an medizinischer Versorgung, teilte das US-Außenministerium mit.