Wer macht das Rennen: Tusk oder Kaczynski?

Wer macht das Rennen: Tusk oder Kaczynski?
(dpa)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Hochspannung in Polen: Herausforderer Jaroslaw Kaczynski wollte mit antideutschen Parolen punkten. Bis zuletzt lag aber Amtsinhaber Tusk in Umfragen knapp in Führung.

Polen hat ein neues Parlament gewählt. Mehr als 30 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, die 460 Abgeordneten zu bestimmen. Alle Umfragen vor der Wahl hatten ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen vorausgesagt. Demnach lag die regierende Bürgerplattform (PO) von Ministerpräsident Donald Tusk in der Wählergunst knapp vorn. Allerdings hatte Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski in der Schlussphase des Wahlkampfes mit antideutschen Äußerungen aufgeholt.

Der noch amtierende polnische Premierminister Donald Tusk kam am Sonntag mit Tochter Katarzyna ins Wahlbüro in Warschau. (Bild: dpa)

Der 62 Jahre alte Kaczynski von der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte seinen Wahlkampf auf die Unzufriedenen im Land zugeschnitten. Obwohl die polnische Wirtschaft nach dem EU-Beitritt des Landes 2004 boomt, profitieren vor allem in den ländlichen Regionen viele Menschen nicht vom Wachstum und neuem Wohlstand. Auch die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch.

Partei der Protestler

Auch eine neu gegründete Protestpartei, die Ruch Palikota des ehemaligen PO-Abgeordneten Janusz Palikot, wollte von den vielen Unzufriedenen profitieren. Vom absoluten Außenseiter hatte sich die Gruppe mit bunten Auftritten im Wahlkampf und der Forderung nach kostenlosen Verhütungsmitteln und freiem Internet in die Schlagzeilen gebracht. Umfragen zufolge könnte die Bewegung nicht nur den Einzug ins Parlament schaffen, sondern auf Anhieb drittstärkste Kraft werden.

Auch Tusks Liberaldemokraten dürften erneut auf ein Bündnis angewiesen sein. Favorit war der bisherige Juniorpartner, die Bauernpartei, die dazu allerdings die für den Einzug ins Parlament nötige Fünf-Prozent-Hürde nehmen musste. Als weiterer Koalitionspartner kam die Partei des Unternehmers und früheren Bürgerplattform-Abgeordneten Janusz Palikot infrage, die Homosexuellen-Rechte, Abtreibung und die Legalisierung weicher Drogen befürwortet und damit in Opposition zu der in Polen einflussreichen Katholischen Kirche steht.

Vier Prozent Wachstum

Tusk kommt zugute, dass Polen als einziges Land der Europäischen Union (EU) während der Krisenjahre 2008 und 2009 nicht in die Rezession stürzte. Für dieses Jahr wird ein Wirtschaftswachstum von vier Prozent erwartet. Kommendes Jahr soll die gemeinsam mit der Ukraine ausgerichtete Fußball-Europameisterschaft für zusätzliche Konjunkturimpulse sorgen. Tusk präsentiert sich selbst als Garanten der Stabilität in Polen und verspricht eine Fortsetzung seiner moderaten Wirtschaftsreformen. Trotz der Schuldenkrise in Europa setzt er sich für eine stärkere Integration der EU ein. Im Wahlkampf vermied der 54-Jährige Sparankündigungen trotz des hohen Haushaltsdefizits, das in diesem Jahr mit 5,6 Prozent der Wirtschaftsleistung erwartet wird.

Ratingagenturen haben bereits vor einer Herabstufung der Bonitätsnote gewarnt, sollte die Neuverschuldungsquote nicht rasch gesenkt werden. Volkswirte bezweifeln, dass Kaczynskis Nationalkonservative im Falle eines Wahlsiegs ausreichend gegensteuern würden. Die Partei Recht und Gerechtigkeit will Tusks Privatisierungskurs zurückfahren und steht für stärkere Eingriffe des Staates in die Wirtschaft. Geplant sind unter anderem eine Bankenabgabe und höhere Steuern für die Reichen.

Wahlschluss am Abend

Bis 14.00 Uhr hatten sich nach Angaben der staatlichen Wahlkommission gut 23 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt. Die Wahllokale sollten um 21.00 Uhr schließen.

Bei der Wahl kam es zu einigen Zwischenfällen. Im westpolnischen Gorzow Wielkopolski kam es zu einer mehrstündigen Verzögerung bei der Abstimmung in einem der Wahllokale, weil ein verdächtiges Paket gefunden wurde, das möglicherweise Sprengstoff enthielt. Auch in anderen Wahllokalen kam es nach Bombendrohungen zu Verzögerungen. Im ostpolnischen Lublin musste ein Wahlleiter von seinem Posten entfernt werden – er war betrunken zur Öffnung des Wahllokals erschienen.