Wer hat den Schlossherrn umgebracht?

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(AFP)

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Ein erschossener Immobilienmakler, drei verhaftete Verdächtige, Inzestvorwürfe: Die belgische Presse spekuliert über die Hintergründe eines rätselhaften Verbrechens.

Stijn Saelens starb an einem Schuss in die Lunge, so viel ist sicher. Doch wer hat den Immobilienmakler umgebracht – und warum? Diese Fragen beschäftigen seit letztem Freitag, als die Leiche des belgischen Schlossbesitzers gefunden wurde, die Presse des westeuropäischen Landes.

Der verworrene belgische Krimi, dessen Protagonisten ein westflämischer Schlossherr, seine Gattin, deren Vater und Bruder, ein zwielichtiger Freund und ein Grüppchen Tschetschenen sind, begann am 31. Januar. An diesem Tag meldete die Schlossherrin von Wingene in Westflandern ihren 34-jährigen Gatten als vermisst. In der Eingangshalle des Schlosses hatte Elisabeth G. eine Blutlache und eine Patronenhülse entdeckt. Blutige Schleifspuren führten zur Eingangstreppe, so als hätte jemand eine Leiche aus dem Haus geschleppt. Ein DNA-Vergleich brachte schnell Klarheit, dass es sich in der Tat um das Blut von Stijn Saelens handelte.

Die Ermittler, die sofort eine Grossfahndung auslösten, gingen daher von einem Tötungsdelikt aus. Zu Recht, wie sich dann am vergangenen Freitag zeigte, als Saelens‘ Leiche in einem Waldstück in Maria-Aalter bei Brügge endlich gefunden wurde, verscharrt in einer Grube. Die Autopsie ergab, dass der Immobilienmakler an einem Schuss in die Lunge gestorben war; er war an seinem eigenen Blut erstickt.

Auftragsmord??

Bereits kurz nach Saelens Verschwinden wurden dessen Schwiegervater, der wohlhabende Hausarzt André G., und sein Schwager Peter G. in Gewahrsam genommen, kurz darauf aber wieder freigelassen, weil sie für die Tatzeit ein Alibi hatten. Dafür nahmen die Ermittler am 3. Februar den 61-jährigen Pierre S., einen Freund und Patienten von André G., und vier Tschetschenen fest. Letztere, bei denen man einen Grundstücksplan des Schlosses fand, seien für den Mord am Schlossherrn angeheuert worden, glaubte die Staatsanwaltschaft. Zumal sich bei ihnen auch noch ein Zettel fand, auf dem ein Name stand: jener von Pierre S., der als Mittelsmann fungiert habe. Dennoch mussten auch diese Verdächtigen schon am 4. Februar aus Mangel an Beweisen wieder auf freien Fuss gesetzt werden.

Merkwürdig erscheint das Verhalten von Elisabeth G., der Gattin des Schlossherrn: Schon am 1. Februar, als ihr Vater und Bruder noch von der Polizei verhört wurden, suchte sie Pierre S. in Maria-Aalter auf und fragte ihn, ob er etwas mit dem Verschwinden ihres Mannes zu tun habe. S., der sich damals noch gar nicht im Visier der Ermittler befand, verneinte und Elisabeth G. kehrte nach Hause zurück. Zunächst erzählte sie den Ermittlern aber nichts von diesem Besuch. Später begründete sie ihren frühen Verdacht gegen S. damit, sie habe ihn eben für eine zwielichtige Figur gehalten.

Auswanderungspläne

Am 15. Februar nahm die Polizei Saelens Schwiegervater André G., den Schwager Peter G., Pierre S. und drei der vier Tschetschenen erneut fest. Die Tschetschenen wurden tags darauf wieder aus der Haft entlassen, die anderen drei Verdächtigen dagegen befinden sich noch in Gewahrsam der Untersuchungsbehörden. André G. und Peter G. lagen offenbar seit Monaten im Streit mit Saelens. Der Schlossherr plante nämlich, mitsamt seiner Frau und den vier kleinen Kindern nach Australien auszuwandern, wo er in einer russischstämmigen Gemeinde eine Bio-Farm aufbauen wollte. Diese Pläne sollen André G. missfallen haben, der befürchtete, dass sich Saelens mit seiner Familie dort einer Sekte anschliessen würde.

Inzest-Vorwurf

Der dritte Verdächtige, Pierre S., besitzt ein Holzhütte in dem Waldstück, in dem die Leiche gefunden wurde. Und er soll seinem Neffen Johnny bereits zwei Wochen vor dem Mord den Auftrag erteilt haben, in diesem Waldstück eine Grube auszuheben – eben jene Grube, in der Saelens verscharrt wurde. Die Medien vermuten deshalb, der Mord sei von langer Hand geplant worden.

Möglicherweise war die Bluttat aber auch ein Racheakt: Es geht das Gerücht, dass Saelens seine jüngste Tochter sexuell missbraucht haben soll. André G., so schreibt die flämische Zeitung „Standaard“, sei vor einigen Monaten deswegen mit Saelens‘ Frau zur Polizei gegangen, worauf dieser ihn wütend zur Rede gestellt habe. Die Eltern des Immobilienmaklers betrachten diese Vorwürfe als bösartige Unterstellung.

Die drei Verdächtigen, deren Rechtsanwälte am 20. Februar Akteneinsicht erhielten, weisen die Vorwürfe nach wie vor von sich. Piet Rotsaer, der Anwalt von Peter G., verlangt die Freilassung seines Klienten, da dieser über ein schlüssiges Alibi verfüge.