Was hat Nordkorea vor?

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(Reuters)

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Medial wirksam inszeniert Nordkorea seine Drohungen gegen die USA und Südkorea. Doch hinter den aggressiven Tönen und den militärischen Reaktionen verbirgt sich offenbar ein gezieltes Taktieren im Kampf um Aufmerksamkeit.

Nordkoreas Drohungen und Warnungen vor einem neuen Krieg nehmen zu. Im ganzen Land rüsten sich Soldaten zum Kampf und versehen ihre Fahrzeuge mit Tarnnetzen. Die Propagandamaschine der kommunistischen Führung fährt groß angelegte Kampagnen: „Tod den US-Imperialisten“, verkünden Plakate, und das Volk wird aufgerufen, mit „Waffen“ zu kämpfen „statt mit Worten“. Zuletzt versetzte Staatschef Kim Jong-Un sein Militär in Einsatzbereitschaft und ließ Raketen auf die USA und Südkorea richten. Man befinde sich im Kriegszustand, betonte er.

Doch Kim und seine eine Million Mann starke Armee wissen selbst, dass ein Raketenangriff auf die USA einem militärischen Selbstmord gleich käme. Was Nordkorea mit seinen Provokationen und seiner aggressiven Rhetorik erreichen will, ist vor allem Aufmerksamkeit.

Aus dem Ausland will Kim Anerkennung für Nordkoreas Status als Atommacht erlangen und damit die USA und Südkorea unter Druck setzen. Die Regierung in Pjöngjang will zudem erreichen, dass die US-Soldaten koreanisches Gebiet verlassen. Raketen und Rüstung – so kostspielig und gefährlich sie sind – dienen Nordkorea als letzter Trumpf, um die USA an den Verhandlungstisch zu bekommen.

Raketen in Position

Aus Washington kommen jedoch andere Signale. Der Sprecher des Weissen Hauses, Josh Earnest, teilte mit, die «kriegstreiberische Rhetorik» Pjöngjangs vertiefe allenfalls Nordkoreas internationale Isolation. Die USA seien in der Lage und bereit, ihre Interessen in der Region zu verteidigen.

Dass dem so ist, hat das US-Militär demonstriert. Am Donnerstag wurde bekannt, dass Washington zwei atomwaffenfähige Tarnkappenbomber zu einem derzeit laufenden Manöver von US-amerikanischen und südkoreanischen Soldaten geschickt hat. Daraufhin liess Staatschef Kim in einer medial ausgeschlachteten Aktion nordkoreanische Raketen in Position bringen.

Kims wichtigstes Publikum ist sein Volk

Experten gehen jedoch nicht davon aus, dass Nordkorea in der Lage ist, die USA mit einer Atombombe anzugreifen. Narushige Michishita vom japanischen National Graduate Institute for Policy Studies sagt, Nordkorea habe bislang noch nicht erfolgreich interkontinentale Raketen getestet. Jedoch könnten Mittelstreckenraketen seiner Einschätzung zufolge US-Militärziele in Japan erreichen. Am naheliegendsten wäre aus seiner Sicht aber ein kleinerer Angriff an der koreanischen Westküste, der die USA nicht veranlassen würde, mit aller Macht militärisch einzugreifen.

So harsch die Drohungen aus Pjöngjang auch wirken mögen: Kims wichtigstes Publikum sind die Menschen in seinem Land. Während Nordkorea wirtschaftlich am Boden ist – das durchschnittliche pro-Kopf-Einkommen liegt auf dem Niveau von Staaten in Subsahara-Afrika – appelliert das Regime an das Nationalbewusstsein seiner Landsleute, indem es den Eindruck einer unmittelbar bevorstehenden Bedrohung weckt.

Nordkoreas Geschäfte laufen weiter

Seit Monaten arbeitet die Propagandaabteilung an den Vorbereitungen für den im Juli bevorstehenden 60. Jahrestag des Waffenstillstands mit den USA. Dieser gilt als einmalige Gelegenheit, um das Volk auf den noch jungen Führer Kim Jong-Un einzuschwören.

So recht mögen offenbar auch die Nordkoreaner selbst nicht an den Ausbruch eines Krieges glauben. Wirtschaftlich stehen die Zeichen allem Anschein nach auf Frieden. Die nationale Fluggesellschaft Air Koryo stockte trotz der aufgeladenen Stimmung die Zahl ihrer Flüge im Frühling auf – um die erwarteten Touristenströme nach Pjöngjang abzufertigen. Kriegsrhetorik hin oder her – offenbar laufen Nordkoreas Geschäfte normal weiter.