Vom Geheimdienstler zum Präsidenten

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(Reuters)

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Nach vier Jahren kehrt Wladimir Putin in das mächtigste Amt Russlands zurück. Der 59-Jährige legte am Montag den Amtseid ab, damit steht die einstige Supermacht womöglich vor einer neuen Ära.

Aber Fragen zu Freiheit und Fairness haben die letzten Wahlen in Russland begleitet. Gegen die offenkundigen Manipulationen bei der Parlamentswahl im Dezember formierte sich sogar die größte Protestbewegung seit dem Ende der Sowjetunion vor 20 Jahren. Am Abend seines Wahlsieges erklärte der Erfinder der „gelenkten Demokratie“ aber selbstbewusst: „Wir haben in einem offenen und ehrlichen Kampf gewonnen.“

Putin tritt nun als erster russischer Präsident nach dem Ende der Sowjetunion eine sechsjährige Amtszeit an. Seine Partei Geeintes Russland hat ihre Zweidrittelmehrheit bis zum vergangenen Dezember dazu genutzt, ihrem Chef eine längere Verweildauer im Kreml zu ermöglichen. Sollte der 59-jährige frühere Geheimdienstler in sechs Jahren noch einmal für das höchste Staatsamt antreten wollen, würde Russland das erste Vierteljahrhundert des neuen Millenniums von einem einzigen Mann gelenkt werden – keiner außer dem sowjetischen Diktator Josef Stalin kam seit dem Zarenreich auf eine längere Regierungszeit.

Kein Zweifel am wahren Herrscher

Denn das Intermezzo mit seinem Nachfolger Dmitri Medwedew, bei dem er von 2008 bis jetzt ins Ministerpräsidentenamt rotierte, gilt nicht wirklich als Unterbrechung seines Einflusses. Putin wusste in den vergangenen vier Jahren immer wieder klar zu stellen, wer im Fall des Falles die Zügel in der Hand hielt.

Putin wurde 1999 vom ersten russischen Präsidenten in der Ära nach der Sowjetunion, Boris Jelzin, ins Moskauer Machtzentrum geholt und zunächst ins Ministerpräsidentenamt gehievt. Nach Jelzins in seiner Neujahrsansprache überraschend verkündeten Rücktritt übernahm er zunächst dessen Vollmachten und wurde im März 2000 zum Präsidenten gewählt. Gnadenlos hatte er bis zur Wahl die aufständische Kaukasus-Republik Tschetschenien einigermaßen unter Kontrolle gebracht – bei der Mehrheit der Russen kam das an.

Vom Geheimdiensagenten zum Präsidenten

Bis dahin hatte der ehemalige Geheimdienstoffizier des KGB, der auch einmal in Dresden stationiert war, eine mittelprächtige Apparatschik-Karriere gemacht, die ihn von seiner Heimatstadt St. Petersburg nach Moskau führte. Dort war er bis zum Leiter des Inlandsgeheimdienstes und Sekretär des Sicherheitsrats aufgestiegen, als ihn Jelzin im August 1999 zum Ministerpräsidenten berief.

Putin übernahm damals ein Land, in dem es nach einer ungezügelten Privatisierung eine neue, kleine Klasse der Reichen und Superreichen bei gleichzeitiger Verelendung großer Bevölkerungsteile gab. Der Kaukasuskonflikt mit dem Krieg in Tschetschenien hatte die Sehnsucht nach einem starken, tatkräftigen Führer beflügelt – der Jelzin in den letzten Jahren nicht mehr war.

Russische Außenpolitik bleibt berechenbar

Putin nutzte seine Chance. Die Medien, die unter Jelzin halbwegs frei berichten konnten, brachte er auf Staatslinie. Vor allem das Fernsehen, das in seinen ersten Jahren im Kreml das einzige Medium war, das jeden Winkel des Riesenlandes erreichte, schaltete von investigativen Ansätzen auf patriotisch um. Inzwischen entstand eine Oppositionsbewegung, die vor allem über das Internet kommuniziert und sich organisiert. Das zeigten Proteste gegen Manipulationen bei der Parlamentswahl im Dezember.
Putin reagierte, machte selbst den Vorschlag, die Präsidentenwahl mit Webcams im jeden Wahllokal überwachen zu lassen. Zugleich wurde das russische Volk daran erinnert, dass es noch immer feindselige ausländische Bestrebungen und die Gefahr des Terrorismus gebe – in der Woche vor der Wahl gab es plötzlich viel Sendeplatz für Mordverschwörungen zum Schaden Russlands.

In Putins Welt gibt es nur Schwarz und Weiß, und ganz ähnlich wie seinerzeit in der Irak-Krise bei US-Präsident George W. Bush ist, wer nicht für ihn ist, gegen ihn. Gegner hat Putin schon als „Schakale“ bezeichnet, der Westen kann von ihm eine gewisse Verlässlichkeit und Kontinuität erwarten: Der geplante Raketenabwehrschild in Europa wird weiter das Verhältnis mit den USA belasten, und der syrische Präsident Baschar Assad kann auf das russische Veto gegen Sicherheitsratsresolutionen bauen, die Moskau als Einmischung in innere Angelegenheiten betrachtet.

(Uwe Käding/dapd/Tageblatt.lu)