„Vatileaks“: Prozess gegen Ex-Kammerdiener

„Vatileaks“: Prozess gegen Ex-Kammerdiener
(Ettore Ferrari)

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Es bleibt spannend in der Enthüllungsaffäre "Vatileaks": Nächste Woche soll der Ex-Kammerdiener des Papstes vor Gericht aussagen. Er hat schon vorher gestanden, vertrauliche Dokumente entwendet zu haben. Möglicherweise gibt es einen kurzen Prozess.

Der Prozess um die Enthüllungsaffäre „Vatileaks“ im Vatikan könnte innerhalb einer Woche abgeschlossen werden. Der angeklagte ehemalige päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele soll nächste Woche vor Gericht befragt werden. Seine Aussage sei für den Dienstag angesetzt, berichteten vom Vatikan zugelassene Prozessbeobachter am Samstag nach der etwa zweistündigen Verhandlung.

Gabriele, der im grauen Anzug und weißen Hemd perfekt gekleidet vor Gericht erschien, habe gefasst gewirkt. Es sei möglich, dass vier Verhandlungstage ausreichten, zitierten die Beobachter den Präsidenten des vatikanischen Tribunals, Giuseppe Dalla Torre. Vatikansprecher Federico Lombardi betonte jedoch, es gebe kein Datum für das Ende des Prozesses.

Vom Schreibtisch des Papstes

Bei Gabriele waren vertrauliche Dokumente gefunden worden, die teils direkt vom Schreibtisch des Papstes stammten. Dem 46 Jahre alten Familienvater wird schwerer Diebstahl vorgeworfen, dafür drohen ihm bis zu vier Jahre Haft. Das Verfahren gegen einen wegen Beihilfe angeklagten Informatiker Claudio Sciarpelletti wurde abgetrennt. Bei ihm wurde ein Umschlag mit Papieren gefunden, die aber entgegen früherer Angaben nicht vertraulich gewesen seien.

Insgesamt acht Zeugen seien für Gabriele benannt worden. Unter ihnen ist neben etwa einem halben Dutzend Gendarmen und einer Helferin aus dem päpstlichen Haushalt auch der päpstliche Privatsekretär Georg Gänswein. Ob und wann Gänswein vor Gericht aussagen wird, blieb offen. Ergebnisse der vom Papst in dem Fall eingesetzten Kardinalskommission werden nicht in den Prozess einfließen – die kirchliche und die weltliche Aufklärung bleiben streng getrennt.

Anwesenheit keine Pflicht

Gabriele erschien in Begleitung seiner Anwältin Cristiana Arru vor dem mit drei italienischen hochkarätigen Juristen besetzten unabhängigen Tribunal. Nach vatikanischem Recht wäre seine Anwesenheit nicht unbedingt notwendig gewesen.

Sollte Gabriele eine Haftstrafe bekommen, müsste er diese in einem italienischen Gefängnis absitzen. Der Papst kann ihn aber begnadigen. Neben Vertretern der Vatikan-Medien „Osservatore Romano“ und Radio Vatikan waren nur acht Journalisten zugelassen.

Viele Dokumente sichergestellt

Die Ermittler hätten bei Gabriele insgesamt 82 Kartons voll Papiere sichergestellt, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi. „In dieser Masse von Dokumenten waren auch Dokumente, die mit der Anklage in Verbindung standen“, sagte Lombardi. Jedoch habe es sich vielfach auch um Unterlagen gehandelt, die sich Gabriele aus persönlichem Interesse etwa aus dem Internet ausgedruckt hatte.

Neben den Kopien von Hunderten Dokumenten waren bei Gabriele ein auf Papst Benedikt XVI. ausgestellter Scheck über 100.000 Euro, ein Goldklumpen – der möglicherweise gar nicht aus Gold ist – sowie ein wertvolles Buch aus dem 16. Jahrhundert gefunden worden. Diese Geschenke an den Papst habe er zurückbringen wollen, gab Gabriele an.

Mehrere Anträge gestellt

Verteidigerin Arru stellte zu Prozessbeginn mehrere Anträge, etwa, den Goldbarren auf Fingerabdrücke zu untersuchen. Das sei jedoch abgelehnt worden, weil das Stück mehrere Leute in der Hand gehabt hätten und Fingerabdrücke somit nicht aussagekräftig wären. Den Beobachtern zufolge legte das Gericht auf die bei Gabriele gefundenen Geschenke an den Papst keinen Schwerpunkt.

Seit Anfang des Jahres waren immer wieder brisante Dokumente aus dem Vatikan an die Öffentlichkeit gesickert. Unter anderem ging es um Korruption, um undurchsichtige Geschäfte der wiederholt in Verruf geratenen IOR-Bank des Vatikans und um ein angebliches Mordkomplott gegen den Papst. Hinter der „Vatileaks“-Affäre werden interne Machtkämpfe vermutet. Der Buchautor Gianluigi Nuzzi, der geheime Dokumente veröffentlichte, sagte mehrfach, der Kammerdiener sei „eine meiner Quellen“ gewesen.