Turmes: „Jean-Claude Juncker muss handeln“

Turmes: „Jean-Claude Juncker muss handeln“
(dpa/Patrick Pleul)

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Das EU-Parlament stimmt gegen die Entscheidungsfreiheit bei nationalen Importverboten für Gentechnik-Futter. Der Luxemburger EU-Abgeordnete Claude Turmes spricht von Wortbruch.

Der Streit um die Verwendung von Lebens- und Futtermitteln mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in der Europäischen Union geht in eine neue Runde. Das Europaparlament hat am Mittwoch mit überwältigender Mehrheit den Vorschlag der EU-Kommission abgelehnt, wonach jeder EU-Staat das Recht erhalten soll, ein Import- und Vermarktungsverbot von GVO-Produkten zu erlassen – selbst wenn diese in der EU zugelassen sind.

Sprecher aller maßgeblichen Fraktionen bezeichneten diesen Vorstoß als in der Praxis nicht umsetzbar, weil dies die Wiedereinführung von Zollkontrollen voraussetzen würde. Im Januar hatte das Europaparlament nach langen und heftigen Debatten eine Richtlinie verabschiedet, die es den EU-Staaten erlaubt, auf ihrem Territorium den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zu untersagen. Von dieser Möglichkeit haben bisher 19 Länder Gebrauch gemacht, darunter Luxemburg (Link).

Gentech-Lobby

Mit dem neuen Vorschlag will die Kommission dieses Recht nun ausweiten – auf den Import und die Vermarktung von GVO-Lebens- und Futtermitteln. EU-Gesundheitskommissar Vytenis Povilas Andriukaitis begründete dies mit der Uneinigkeit der 28 Mitgliedsländer in dieser Frage. Die EU-Staaten hätten sich nie auf eine gemeinsame Position verständigen können, sagte er. Nun solle „jeder aufstehen und seine Position klarstellen.“

Im Straßburger Parlament stößt das Vorhaben auf entschiedenen Widerstand. „Statt die Zulassungsprozedur zu demokratisieren zielt der Vorschlag lediglich darauf ab, einzelnen Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu geben, nationale Verbote auszusprechen. Dadurch will die EU-Kommission die Blockadehaltung vieler Mitgliedstaaten auflösen und die Zulassungsprozedur auf europäischer Ebene zu Gunsten der Gentech-Lobby vereinfachen und beschleunigen,“ sagt der Luxemburger EU-Parlamentarier Claude Turmes (Déi Gréng ) am Mittwoch in Straßburg.

Wortbruch

Und er legte nach: „Die EU-Kommission hat uns bewusst einen Vorschlag unterbreitet, der praktisch nicht umsetzbar ist und nicht konform mit den Regeln der Welthandelsorganisation ist, um erst einmal von den Verhandlungen zum TTIP-Abkommen abzulenken, wo die Frage der EU-Gentechnikgesetzgebung auch diskutiert wird.“ Claude Turmes wirft EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in dem Zusammenhang Wortbruch vor. Juncker müsse jetzt handeln.

Zahlreiche Abgeordnete forderten die Kommission auf, einen neuen Vorschlag zu erarbeiten. Dies lehnte der EU-Gesundheitskommissar strikt ab. Er werde trotz des massiven Widerstands im Europaparlament an seinem Entwurf festhalten, kündigte der Litauer an. Die Vorlage geht nun an den Rat, in dem die 28 EU-Staaten vertreten sind.

Sojamehl

Im Rat gehen die Meinungen weit auseinander, bisher zeichnet sich keinerlei Einigung ab. Bei der geplanten Verordnung hat das Europaparlament ein Mitspracherecht – Parlament und Rat müssen sich also auf einen Kompromiss einigen. Gelingt dies nicht, ist der Vorstoß gescheitert und es bleibt beim Status Quo.

Derzeit kann beispielsweise ein Land den Anbau von Genpflanzen verbieten und gleichzeitig zulassen, dass seine Landwirte importiertes GVO-Sojamehl verfüttern. Es sei davon auszugehen, dass gentechnisch veränderte Futtermittel in allen EU-Staaten verwendet werden, erläuterte ein Sprecher des zuständigen Ausschusses.

Nach Kommissionsangaben wurden 2013 rund 32 Millionen Tonnen Soja in die EU importiert – vor allem aus den USA, Brasilien, Argentinien und Paraguay. In diesen Ländern machen gentechnisch veränderte Pflanzen 90 Prozent des Anbaus aus.

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