Die Stadt in der Nähe von Aleppo wird von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) erbittert verteidigt, deren Kämpfer den türkischen Truppen immer wieder schmerzhafte Verluste zufügen. Der Mangel an Fortschritten bringt die Regierung in Ankara in Verlegenheit und weckt Zweifel am Zustand der Streitkräfte, die besonders hart von der rigorosen Entlassungswelle nach dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli getroffen wurden.
Ankara hatte Ende August seine Truppen nach Syrien geschickt, um gemeinsam mit verbündeten syrischen Rebellengruppen die Dschihadisten und kurdische Milizen von der Grenze zurückzudrängen. Bei dem Einsatz „Schutzschild Euphrat“ erzielte die Armee mit der Eroberung der Grenzstadt Dscharablus und anderen Orten zunächst rasche Erfolge, doch geriet die Offensive vor al-Bab ins Stocken.
Türkei stützt sich auf Rebellenbündnis
„Schutzschild Euphrat hat nicht genug Ressourcen“, sagt Aaron Stein vom Politikinstitut Atlantic Council. „Die Rebellen, die auf Seiten der Türkei kämpfen, sind schlecht ausgebildet und haben sich seit Jahren als unfähig erwiesen, Gelände zu erobern und zu halten.“ Die Türkei hat zwar erhebliche eigene Truppen nach Syrien entsandt, doch stützt sie sich bei der Offensive wesentlich auf das Rebellenbündnis Freie Syrische Armee (FSA). Dass sich die zweitgrößte Armee der Nato seit Wochen an den Dschihadisten in Al-Bab die Zähne ausbeißt, wirft kein gutes Licht auf ihren Zustand.
Die Streitkräfte waren besonders stark von den Massenentlassungen nach dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli betroffen. Mehr als 6000 Soldaten wurden als mutmaßliche Putschisten inhaftiert sowie 162 Generäle und Admiräle – die Hälfte des gesamten Generalscorps. Jeder weitere Fortschritt der türkischen Truppen in Syrien hängt nun von der Einnahme von Al-Bab ab, was auf Arabisch bezeichnenderweise „Das Tor“ bedeutet. Mindestens 48 Soldaten wurden bereits bei der Offensive in Syrien getötet, die meisten von ihnen vor Al-Bab. Besonders der Einsatz von Selbstmordattentätern fügte den Türken wiederholt schwere Verluste zu.
Eine Art Entscheidungsschlacht
Für die Dschihadisten in Al-Bab ist es eine Art Entscheidungsschlacht, da es für sie keinen Ausweg gibt. „Für diese ausländischen Kämpfer gibt es nur zwei Möglichkeiten: Gefangenschaft oder Tod“, sagt Soner Cagaptay vom Washington Institute. Neben dem erbitterten Widerstand der Dschihadisten macht der türkischen Armee aber auch die mangelnde Luftunterstützung durch die US-geführte Anti-IS-Koalition zu schaffen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warf den USA daher immer wieder vor, die Türkei im Stich zu lassen.
Washington verwies dagegen darauf, dass die Offensive nicht abgesprochen gewesen sei. „Weil Ankara auf Al-Bab vorgerückt ist, ohne die konkrete Unterstützung der USA einzuholen, musste die Türkei allein vorgehen“, sagt Cagaptay. Die Türkei hofft nun auf einen Kurswechsel unter US-Präsident Donald Trump. Mangels Unterstützung aus Washington wandte sich die Türkei an Moskau, obwohl Russland im syrischen Bürgerkrieg auf der entgegengesetzten Seite steht. Mitte Januar gab es erstmals gemeinsame Luftangriffe bei Al-Bab. Einen Durchbruch brachten sie freilich nicht.
Erdogan versicherte am Freitag, dass die Armee „den Job zu Ende“ bringen werde in Al-Bab, nicht aber weiter nach Syrien vorstoßen werde. In der Türkei werden derweil Fragen lauter, wie die Armee wieder aus Syrien rauskommt. Bei der Offensive gebe es „kein Endziel und keine Exitstrategie“, kritisiert der frühere türkische Botschafter in den USA, Faruk Logoglu. Das anvisierte Ziel sei „weit jenseits des Erreichbaren“ und die Türkei riskiere, „weiter in den syrischen Sumpf gezogen zu werden“, warnt er.
De Maart

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