Türkei greift Ziele in Syrien an

Türkei greift Ziele in Syrien an
(AP)

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Nach einem tödlichen Granateneinschlag in einem türkischen Grenzort hat türkische Artillerie auf Ziele in Syrien gefeuert. Nato-Rat verurteilt Grenzzwischenfall.

Wenige Stunden nach einem Granatenangriff auf ein türkisches Grenzdorf hat die türkische Armee Ziele in Syrien angegriffen. Es habe sich um eine Reaktion auf die Attacke gehandelt, bei der am Mittwoch eine Mutter und vier ihrer Kinder von aus Syrien abgefeuerten Granaten getötet worden waren, berichteten türkische Medien am Abend unter Berufung auf Regierungsangaben. Es seien Ziele ausgewählt worden, von denen aus das türkische Dorf beschossen worden sei, hieß es. Weitere Einzelheiten waren zunächst nicht bekannt.

Stichwort: Bündnisfall
Als kollektives Verteidigungsbündnis haben sich die Mitgliedstaaten der NATO im Falle eines Angriffs zu gegenseitigem Beistand verpflichtet. Nach Artikel 5 des NATO-Vertrages wird dieser Bündnisfall ausgelöst durch einen bewaffneten Angriff „auf das Gebiet eines Mitgliedstaates der NATO in Europa oder Nordamerika, auf das Gebiet der Türkei, auf die Inseln eines Mitgliedstaates im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses oder auf Streitkräfte, Schiffe oder Flugzeuge eines Mitgliedstaates in oder über diesen Gebieten“.

Eine der Voraussetzungen des Beistandsfalls ist, dass der Angriff von außen kam. Dafür müssen der NATO – wie jetzt im Fall Türkei/Syrien – Beweise vorgelegt werden. Ziel des Beistands ist es, die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets auch unter Anwendung von Waffengewalt wieder herzustellen und zu erhalten. Festgestellt wird der Bündnisfall vom NATO-Rat. Dem Beschluss müssen alle NATO- Mitgliedstaaten zustimmen.

Der NATO-Rat verurteilte in einer Dringlichkeitssitzung den Grenzzwischenfall, bei dem in dem türkischen Dorf Akcakale nach türkischen Angaben fünf Menschen getötet wurden. Der Rat sprach in Brüssel von einer „flagranten Verletzung internationalen Rechts“. Die Situation werde genauestens beobachtet. Der Bündnisfall nach Artikel fünf wurde nicht ausgerufen, aber nach Artikel vier weitere Konsultationen vereinbart.

Gefährliche Spannungen

Die Türkei hatte sich zuvor bei UN-Generalsekretär Ban Ki Moon über den syrischen Beschuss beschwert. Dieser hatte an die Türkei appelliert, die Kommunikation mit Syrien offen zu halten, um eine Verschärfung der Spannungen zu verhindern.

In dem türkischen Dorf Akcakale waren nach türkischen Angaben mindestens drei Granaten eingeschlagen. Die Ortschaft liegt unmittelbar an der Grenze zu Syrien und nahe des lange umkämpften Grenzübergangs Tell Abjad, den syrische Rebellen nach zweitägigen Gefechten eingenommen hatten.

Unklare Lage auf den Golanhöhen

Auch an den südlichen Nachbarn Israel rückte der syrische Bürgerkrieg näher heran: An der Waffenstillstandslinie auf den von Israel kontrollierten Golanhöhen versammelten sich Dutzende bewaffneter Männer. Die israelischen Behörden versetzten daraufhin die Streitkräfte in der Region in Alarmbereitschaft und schlossen einen Ausflugspunkt. Israelische Sicherheitskräfte bezeichneten die Lage als unklar. So sei nicht bekannt, ob es sich bei den Männern in ziviler Kleidung um syrische Soldaten oder Rebellen handelte. Es habe keine Versuche gegeben, die Waffenstillstandslinie mit Gewalt zu überschreiten.

Syriens Präsident Baschar al-Assad Assad kämpft seit 18 Monaten gegen einen Aufstand, der sich zu einem Bürgerkrieg ausgeweitet hat. Der Opposition zufolge sind in dem Konflikt mehr als 30.000 Menschen ums Leben gekommen. Hunderttausende Syrer sind in Nachbarländer geflüchtet. Alle internationalen Friedensbemühungen stocken, und auch die Vorstöße der Regionalmächte haben bislang keinen Erfolg.