Trumps rechtspopulistisches Curry

Trumps rechtspopulistisches Curry
(dapd/Rajat Gupta)

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Was Donald Trump mit dem"Bombay Club" und seine Ideen mit indischem Curry zu tun haben, lesen Sie in unserer Tageblatt-Reportage aus Washington.

Wo treffen sich D.C.s politische Elite, Promis und Medienmogule, wenn sie Lust auf eine würzige Abwechslung haben?

Mit dem Tageblatt in den USA

Dhiraj Sabharwal, stellvertretender Chefredakteur des Tageblatt, berichtet für Sie aus den USA über das Herz der politischen Macht, Kurioses und den bisweilen skandalreichen Wahlkampf.

Die Reise beginnt in der politischen Hauptstadt Washington, führt in die republikanische Hochburg Dallas, Texas, und endet in New York, wo die Wahlgewinner Schampus schlürfen und die Verlierer bittere Krokodilstränen vergießen.

Präsident Obama, George Bush Senior, Dick Cheney, Harrison Ford und Bruce Willis schwören auf den Washingtoner „Bombay Club“. Selbst Nelson Mandela schwärmte von dem Restaurant.

Kulinarische Hotspots

Während in der amerikanischen Hauptstadt die kulinarischen Hotspots kommen und gehen, ist das indische Restaurant in der Connecticut Avenue seit 21 Jahren eine Institution.

Die legendären Kaviar-Bars der 90er Jahre wirken im Vergleich wie anachronistisch-dekadente Schlemmertempel. Das preiswerte, aber raffinierte indische Essen im „Bombay“ ist der ideale Kompromiss für Washingtons Networker: Niemand stört, man ist unter seinesgleichen und geht zudem nicht hungrig nach Hause.

Hunde schnüffeln

Restaurantbesitzer Irfan Ozarslan kennt seine besondere Kundschaft in und auswendig. Er hat sie alle kommen und gehen sehen. Sobald Hunde im Restaurant herumschnüffeln, weiß sein Team, dass der Präsident gleich hereinspaziert.

Kommt es ganz wild, könnte dieser Mann demnächst Donald Trump heißen. Obschon wenig über „The Donald’s“ Curryvorlieben bekannt ist, hat der orangefarbene Rechtspopulist sich mittlerweile selbst bei der amerikanischen „Hindu“-Community angebiedert, um die von ihm verhassten Muslime weiter zu isolieren.

172 Millionen Muslime

Wie plump der republikanische Präsidentschaftskandidat vorgeht, zeigt sich daran, dass er sich jüngst nicht etwa an Hindus, sondern an Inder richtete – und dabei Indiens religiöse Minoritäten mit den Hindus gleichstellte. Alleine 172 Millionen Inder sind Muslime.

Nicht weniger primitiv war sein Versuch, den Schulterschluss mit Indiens Premier Narendra Modi zu suchen und sich mit ihm auf eine Ebene zu setzen.

Nationalismus und Populismus

Inder im In- und Ausland sehen Parallelen zwischen Politikern wie Modi, Trump und anderen „starken Männern“. Handelt es sich jedoch um die gleiche Form von Nationalismus und Populismus?

„So weit würde ich nicht gehen, da ihr Stil meiner Meinung nach sehr unterschiedlich ist“, antwortet Dr. Shashi Tharoor. Der indische Politiker, Schriftsteller, Diplomat und Social-Media-Guru ist so etwas wie ein moderner Renaissance-Mann.

Machtlosigkeit und mangelnde Autonomie

„Aber es gibt, wenn Sie wollen, in der Weltpolitik einen Trend, der sie verbindet und der auch Leute wie Erdogan in der Türkei, Putin in Russland, die ungarischen Politiker und einige andere umfasst“, stellt Tharoor nüchtern fest.

Es scheine demnach ein Phänomen zu geben, das auf dem Versuch aufbaue, mit dem Gefühl von Unsicherheit oder gar Machtlosigkeit und mangelnder kultureller oder politischer Autonomie der Menschen zu spielen.

Alter Wein aus neuen Schläuchen

Politiker wie Trump und ihr Umfeld schotteten sich gegen die Herausforderungen der Außenwelt ab. „Es ist eine Kombination von kulturellem Nativismus, eine gewisse Neubestätigung der Größe des eigenen Landes und eines erheblichen Misstrauens gegenüber fremden Einflüssen wirtschaftlicher, kultureller und persönlicher Art“, lautet Tharoors zerschmetterndes Fazit.

Diese Form des Populismus wird meist als „unglaublich“ und „nie da gewesen“ bezeichnet. Für Michael Kazin, Historiker an der Universität Georgetown, ist Trumps Populismus inhaltlich betrachtet jedoch nicht spektakulär. Es handle sich um alten Wein aus neuen Schläuchen.

Der „rich kid“ und die Armen

Trump habe zwar ein Vermögen geerbt, prahle mit seinem Reichtum und seinem Besitz, pendele zwischen exklusiven Resorts und Luxushotels hin und her und würde mit seinen wirtschaftlichen Plänen seinesgleichen noch reicher machen …

Aber: „Ein Politiker muss nicht inmitten von Menschen mit bescheidenen Mitteln leben oder eine Politik promoten, die ihre Einkommen steigern würden, um ihren Unmut zu artikulieren und ihre Unterstützung zu gewinnen“, so Kazin.

Historische Tradition der Populisten

Genau hierin liegt die ganze Stärke des Phänomens Trump. Er reiht sich in eine historisch gewachsene Tradition der US-Populisten ein.

Er ist nicht der erste Politiker, der seine Kritik an die Eliten und das Establishment richtet. Das Gleiche gilt für seine Eigenwerbung, der Held der „normalen Menschen“ zu sein.

Trumps rechtspopulistisches Curry

Laut Kazin ist es Trump gelungen, einen Populismus salonfähig zu machen, der die Eliten im Big Business und in der Regierung gleichzeitig angreift. Genau dies unterscheidet ihn von seinen republikanischen Parteikollegen, mit denen er herzlich wenig anfangen kann.

Die trumpsche Gewürzmischung entfaltet ihren vollen rechtspopulistischen Geschmack aber erst durch das Hinzufügen einer besonderen Zutatenkombination: ätzende Islamfeindlichkeit, giftige „wirkliche Amerikaner“-Rhetorik und bitteres Ängsteschüren vor Schwarzen und Latinos. Rassismus gibt es in der Trumpschen Welt nicht. Nur unnötige Political Correctness.

Das Sprachrohr: Die Medien

Wie kann jedoch dieser Mann derart viel Gehör finden? „Das Bemerkenswerte am Phänomen Trump ist, wie stark es von den Medien abhängt“, analysiert Shashi Tharoor.

„Tatsache ist, dass Trump Schätzungen zufolge kostenlose Werbung im Wert von etwa einer Viertel Milliarde Dollar erhalten hat“, erinnert der Medienprofi.

„Wie könnten wir nicht darüber berichten?“

In vielen Demokratien, deren politische Systeme Einzelpersonen fokussierten, sei Trump durch die Aufmerksamkeit der Medien nach vorn gestellt worden. Je skandalöser seine Aussagen, desto mehr Aufmerksamkeit habe er dafür bekommen.

Dass das Phänomen Trump zum Verzweifeln sei, habe der Wahlkampf verdeutlicht: „Ich denke, rückblickend werden die Medien sagen: ’Wir hätten nichts anderes tun können. Wenn ein Politiker, der sich als Präsident bewirbt, die unglaublichsten Dinge der Welt sagt, wie könnten wir nicht darüber berichten?’“

Lesen Sie die vollständige Reportage in der Samstag-Ausgabe des Tageblatt (5.11.2016).