Tote bei Begräbniszug

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Syriens Opposition begräbt ihre Toten. Das Regime schießt auf die Trauernden. Zwei Abgeordnete aus dem Süden geben ihr Mandat zurück - bröckelt die monolithische Macht?

Syriens immer stärker werdende Opposition hat am Samstag um 112 Demonstranten getrauert, die bei den Anti-Regime-Protesten am Vortag getötet worden waren. Das Regime von Präsident Baschar al-Assad antwortete mit erneut mit Schüssen auf die Begräbniszüge. Dabei gab es mindestens 14 Tote. In der südsyrischen Stadt Isra (Provinz Daraa) wurden sechs, in Vororten von Damaskus acht Teilnehmer erschossen. Das berichteten syrische Aktivisten der Nachrichtenagentur dpa. Zwei Abgeordnete des an sich linientreuen Parlaments aus der Provinz Daraa gaben unter Protest ihr Mandat zurück.

Nach Angaben der Opposition vom Samstag waren am Vortag in ganz Syrien 112 Demonstranten getötet worden. Aktivisten sprachen von einem „Karfreitags-Massaker“. Es war der blutigste Tag seit Beginn der Proteste vor fünf Wochen. Landesweit waren am Freitag Hunderttausende auf die Straße gegangen, um gegen die despotische Assad-Herrschaft zu demonstrieren, so viele wie noch nie.

„Angriffe“ von Bewaffneten

Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete derweil, bei „Angriffen“ von Bewaffneten auf Polizei- und Armeeposten seien zehn Menschen getötet worden. Unter ihnen seien zwei Polizisten sowie zusammen acht Soldaten und angebliche Angreifer. Auf die große Zahl getöteter Demonstranten gingen die Regimemedien nicht ein. Ausländische Journalisten erhalten kaum Arbeitsvisa für Syrien und werden von den Behörden obendrein daran gehindert, die Proteste selbst zu beobachten.

Zu dem hohen Blutzoll kam es, weil Heckenschützen in Zivil von Hausdächern willkürlich in die Menschenmengen feuerten. Die Regimemedien sprachen nur vage von „unidentifizierten Bewaffneten“. Die Aktivisten gingen aber davon aus, dass sie zu Sonderkommandos des allmächtigen Geheimdienstes gehörten.

Abgeordnete legen Mandat nieder

Die Parlamentsabgeordneten Chalil al-Rifaa und Nasser Hariri begründeten ihren Rücktritt im arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira damit, dass sie sich nicht mehr in der Lage gesehen hätten, die Bevölkerung in der Provinz Daraa zu schützen. Die gleichnamige Provinzhauptstadt war einer der ersten Brennpunkte der regierungsfeindlichen Proteste. Dutzende Demonstranten wurden von den Sicherheitskräften allein dort getötet.

Bislang galt es in Syrien als unerhört, dass Abgeordnete ihr Mandat zurückgeben. Das Parlament ist ohnehin nicht frei gewählt. Bei einer Pseudo-Wahl wurde die überwiegende Mehrheit der Sitze über eine vom Regime zusammengestellte Einheitsliste verteilt. Außerdem sind alle politischen Parteien außer der herrschenden Baath-Partei verboten.

Das Blutbad am Freitag wurde auch international verurteilt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte ein sofortiges Ende der „anhaltende Gewalt gegen friedliche Demonstranten“.