Terror-Anschläge in Paris vereitelt

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Frankreich entgeht knapp einem terroristischen Anschlag auf Kirchen in Paris: Ein 24-Jähriger ist am Sonntagmorgen festgenommen worden. In seinem Auto findet die Polizei Pistolen und Schnellfeuergewehre unter anderem der Marke Kalaschnikow.

Ein Storch ziert die Zimmernummer 310 in der dritten Etage des Studentenwohnheimes im 13. Arrondissement in Paris. Seit Sonntag ziert die Tür auch ein Polizeisiegel. In Zimmer 310 wohnte ein aus Algerien stammender Student der Informatik, der beschuldigt wird, ein oder mehrere Attentate auf eine oder mehrere Kirchen in Paris oder in der Pariser Umgebung geplant zu haben. Die Attentate sollten am Sonntag während der Messen stattfinden (Artikel).

Am Sonntag früh liegt der junge Mann auf dem Bürgersteig vor dem Studentenwohnheim. Ein anderer Student sieht beim Hinausgehen aus dem Haus, dass er stark blutet und verständigt den Notarzt. Der versorgt die Verletzungen – ein Schuss im Bein und ein Schuss in der Hüfte und verständigt die Polizei, wie bei Schussverletzungen üblich. Der Polizei erzählt der junge Algerier, dass er überfallen worden sei und dass man versucht habe, ihm den Rucksack zu stehlen.

„Sicherheitsrisiko“

Die Polizisten wollen das nicht so ganz glauben. Sie überprüfen den Verletzten, stellen fest, dass er bereits einmal wegen Gewalttätigkeit mit der Polizei zu tun hatte. Vor allem aber stellen sie fest, dass der junge Mann im Polizeiregister mit einem „S“ gekennzeichnet ist. Das heißt, dass der Mann ein Sicherheitsrisiko darstellen kann. Die Polizisten verfolgen die Blutspur auf dem Bürgersteig bis zu seinem Auto. Dort finden sie zwei Rucksäcke gefüllt mit unterschiedlichen Waffen, darunter eine Sig Sauer, die früher einem Polizisten gestohlen worden sein soll.

Mehr noch, sie finden Notizzettel mit einer oder mehrerer Kirchen, Zeiten der Messen, die Nähe zum nächsten Polizeirevier und die vermutliche Zeit, die die Polizei von ihrem Kommissariat bis zu den betroffenen Kirchen benötigt. Der junge Mann, der aus der Rolle des Opfers in diesem Augenblick in die eines vermutlichen Attentäters gerät, wird festgenommen und in das Krankenhaus „L´Hôtel Dieu“ gefahren. Es ist das einzige in Paris, das über einen eigenen Justizbereich verfügt. Der Verdächtige befindet sich von diesem Augenblick an für 96 Stunden in Polizeigewahrsam, wird danach einem Richter vorgeführt.

Dschichad

Der Verdächtige ist 2009 nach Frankreich zum Studium der Informatik gekommen. Seine Familie wohnt in St. Dizier im Département Haute Marne, Nachbar-Département des lothringischen Départements Meurthe et Moselle. Der Polizei fällt er auf, als bekannt wird, dass er sich nach Syrien begeben will, um sich dem Djihad anzuschließen. Er wird im Jahre 2014 verhört, dann noch einmal 2015. Eine besondere Überwachung findet nicht statt. Allerdings wird immer dann, wenn er in eine zufällige Polizeikontrolle gerät, ein Bewegungsprofil erstellt. Mögliche Djihadisten wie den jungen Algerier gibt es 3.000 in den Computern der französischen Sicherheitsbehörden.

Der Verdacht, dass es sich hier um einen Mann handelt, der in einer Kirche um sich schießen wollte, erhärtet sich, als die Polizei das Zimmer 310 im Pariser Studentenwohnheim untersucht. Der Computer des Algeriers gibt Einzelheiten preis. Die Polizei belässt es nicht bei der Durchsuchung, sie überprüft auch die Familie in Saint Dizier und führt die Schwester, die eine radikalisierte Muslimin sein soll, zum Verhör.

Mordverdacht

„Wir haben riesiges Glück gehabt, dass das Attentat vermieden werden konnte“, heißt es aus den Sicherheitsbehörden in Paris.

Am selben Sonntag befindet sich die 32jährige Aurelie Chatelain in Villejuif im Großraum Paris. Die Mutter eines siebenjährigen Mädchens ist Fitness-Trainerin und Tanzlehrerin aus Coudray im Norden Frankreichs. Eine Woche lang will sie einen Fortbildungskurs „Pilatus“ in Villejuif machen. Am Sonntag wird sie mit drei Schüssen in ihrem Auto ermordet. Das Auto wird angezündet und verbrennt teilweise. Sie wird am Montag früh gefunden. Nachforschungen ergeben nirgendwo ein Motiv oder Hinweise auf einen Täter. Als die Kriminalpolizei die am Tatort gefundene DNA im Auto der Frau vergleicht, stößt sie auf die DNA des jungen Algeriers, der möglicherweise Kirchen überfallen wollte. Der Student wird seitdem auch des Mordes verdächtigt. Warum er die Frau getötet haben könnte, ist nicht hat bekannt. Er ist so stark verletzt, hat so viel Blut verloren, dass er nur teilweise verhört werden kann.

Sicherheitsgesetz

Das verhinderte Attentat kommt in Frankreich zu einem Zeitpunkt, in dem ein neues Sicherheitsgesetz diskutiert wird, das den Sicherheitsbehörden weitgehende Freiheiten gibt. Das Gesetz stößt auf scharfen Widerstand der bürgerlichen Opposition in der Nationalversammlung. Die Regierung bedeutet das Attentat weitgehend aus. Innenminister Bernard Cazeneuve stellt das verhinderte Attentat in einer eigenen Pressekonferenz dar, die von den Nachrichtensendern live übertragen wird. Premierminister Manuel Valls nimmt nach der wöchentlichen Ministerratssitzung im Hof des Präsidentenpalastes Stellung. Und nachdem es zunächst geheißen hatte, dass ein Staatsanwalt am Nachmittag eine Stellungnahme abgeben sollte, wurde danach eine Stellungnahme von Staatspräsident Hollande ins Spiel gebracht. Frei nach dem Motto, dass man es der Opposition unmöglich machen wolle, weiter gegen das Gesetz zu opponieren. Sicherheitsexperten erläuterten in den Nachrichtensendern aber schon, dass man auch mit dem neuen Gesetz dieses geplante Attentat nicht hätte verhindern können.

Die französischen Nachrichtensender haben aus der Kritik an ihrer Berichterstattung nach dem Attentat auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ gelernt. Die Namen der Kirchen, die der mögliche Attentäter aufgeschrieben hatte, geben sie nicht bekannt. Interviewt aber wird der Pfarrer der Kirche St. Cyr et Saint Julitt in Villejuif, bei dem sich am Mittwoch Morgen um 08.30 Uhr drei Polizisten zur Bewachung des Eingangs während der Morgenmesse melden. Das verstünde er nicht ganz, sagt der Pfarrer. Die Kirche sei ziemlich leer gewesen. Am Sonntag hätte eine Bewachung aber wohl Sinn gemacht. Da sei sie für die Sonntagsmesse mit Gläubigen voll gefüllt gewesen.