Tag der Entscheidung über Jean-Claude Juncker

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Die EU-Staats- und Regierungschef werden am Freitag in Brüssel, rund einen Monat nach den Europawahlen, dem Europäischen Parlament einen Kandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten vorschlagen.

Am Nachmittag dürfte der Europäische Rat den ehemaligen luxemburgischen Premierminister Jean-Claude Juncker zum künftigen EU-Kommissionspräsidenten nominieren. Nachdem am Mittwoch sowohl der schwedische Regierungschef Fredrik Reinfeldt als auch der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte ihre Bereitschaft signalisiert hatten, den Luxemburger doch zu unterstützen, bleiben nur noch der britische Premierminister David Cameron und der ungarische Regierungschef Viktor Orban, die sich gegen Jean-Claude Juncker aussprechen. Damit könnte es erstmals im Europäischen Rat zu einer Abstimmung kommen. Was durchaus keine Katastrophe ist, da dieser Fall im Lissabon-Vertrag vorgesehen ist, indem festgelegt wurde, dass eine qualifizierte Mehrheit für die Nominierung des Kandidaten ausreicht. Die Autoren des Vertrages sind also davon ausgegangen, dass nicht unbedingt immer Einstimmigkeit zwischen den Mitgliedstaaten in dieser Personalfrage zu erreichen ist.

Zugeständnisse

Die sozialdemokratischen Staats- und Regierungschefs hatten bereits am vergangenen Wochenende deutlich gemacht, dass sie Jean-Claude Juncker unterstützen werden, unter Bedingungen allerdings. Was sie am Donnerstag bei einem Vorbereitungstreffen im belgischen Elverdinge noch einmal betonten. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn erklärte nach dem Treffen, dass sie sich einen politischen Wechsel in Europa erwarten, bei dem auf Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Investitionen in moderne Technologien gesetzt werde.

„Es kann nicht nur fanatisch auf die Maastrichter-Kriterien geachtet werden“, so Asselborn, der zudem dafür plädierte, alle Möglichkeiten, die der Stabilitäts- und Wachstumspakt an Flexibilität bei der Bewertung der Haushaltsdefizite bietet, auszuschöpfen. Die Steuern zu erhöhen und Sozialleistungen abzubauen, sei der falsche Weg, damit könne man die Bürger nicht mit Europa versöhnen, betonte der luxemburgische Außenminister.

Während sich die Sozialdemokraten in Europa Zugeständnisse erwarten, wird auch Cameron mit solchen rechnen können. Zumindest erklärte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag bei einem Treffen der Europäischen Volkspartei in Kortrijk, dass man „inhaltlich“ auf Großbritannien zugehen müsse. Die 28 werden dazu heute ebenfalls eine von ihrem Präsidenten Herman van Rompuy vorgelegte „Strategische Agenda für die Union in Zeiten des Wandels“ verabschieden, in der fünf politische Prioritäten festgelegt werden, u.a. in der Energiepolitik, der Justiz- und Sicherheitspolitik, bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum sowie in der Außenpolitik.

Weitere Personalien

Sollten die 28 heute Jean-Claude Juncker nominieren, würde das Europäische Parlament am 16. Juli über ihn abstimmen. Bereits für den folgenden Tag ist ein außerordentliches Gipfeltreffen angesetzt, um weitere Personalfragen zu klären. So müssen Nachfolger für den Hohen Beauftragten für die gemeinsame EU-Außen- und Sicherheitspolitik, der gleichzeitig Vizepräsident der EU-Kommission ist, sowie für den Präsidenten des Europäischen Rates gefunden werden. Zudem sollen dann weitere Vorgaben für das Arbeitsprogramm der EU für die kommenden fünf Jahre festgelegt werden, wie Jean Asselborn uns gestern weiter erklärte.

Was die weiteren Personalien anbelangt, hat die dänische Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt am Donnerstag erklärt, dass sie nicht Kandidatin für die Nachfolge von Van Rompuy sei. Für den Posten sollte Frankreich bereits Interesse angemeldet haben, das den ehemaligen Premierminister Jean-Marc Ayrault entsenden könnte. Als mögliche Nachfolgerin der EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton wird die italienische Außenministerin Federica Mogherini gehandelt. Zwar wird kritisiert, dass sie über zu wenig Erfahrung verfüge. Solche Bedenken waren allerdings vor fünf Jahren kein Problem, als die ebenso unerfahrene Britin Catherine Ashton den neu geschaffenen Posten übernahm.