Gauck zu Besuch in Luxemburg

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Seit Montagmorgen ist der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck in Luxemburg. Es ist der Beginn einer dreitägigen Staatsvisite.

Mit Gauck kommt ein deutscher Bundespräsident nach Luxemburg, der sein Amt anders ausfüllt als seine Vorgänger. Gauck repräsentiert nicht. Gauck politisiert.

Es kommt nicht immer so wie gedacht. Bereits 2010 kandidierte Joachim Gauck für das höchste deutsche Staatsamt. Im dritten Wahlgang unterlag er dem Kandidaten der CDU, Christian Wulff. Gauck war damals Kandidat der Sozialdemokraten und der Grünen. Ob sie auch dachten, daraus würde für Gauck eine politische Verpflichtung erwachsen, lässt sich schwer sagen.

Mittlerweile, und über den Umweg des Scheiterns von Wulff, ist Gauck doch ins Amt gekommen. Seit dem 23. März 2012 ist Gauck Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Die Würde des Amtes hatte gelitten unter seinem Vorgänger. Gauck, jetzt Konsenskandidat aller großen Parteien bis auf die Linke, die einen eigenen Kandidaten aufstellte, sollte sie wiederherstellen.

Gute Umfragewerte

Diese Aufgabe scheint ihm zu gelingen. Seine Umfragewerte sind bemerkenswert gut. Drei von vier Befragten finden Gauck in seinem Amt am richtigen Platz. Kritisiert wird er eigentlich nur von den Rändern. Es sind andersherum auch die Ränder, die er besonders hart angeht.

Dabei ist Gauck, früher als Linker teilweise angefeindet, eher ein Konservativer, am ehesten ein Liberaler. In erster Linie entzieht er sich aber dem politischen Schubladendenken. Mit dem überraschenden Ergebnis, dass er eigen und beliebt zugleich ist. Das muss einem erst einmal gelingen.

Was ihn bei aller Streitbarkeit auszeichnet und ihm die erwähnten Beliebtheitswerte – genauso wie den Respekt und die Anerkennung im Ausland – beschert: Gauck wirkt authentisch. Oder anders gesagt, der Mann kommt gut an. Sogar bei denjenigen, die seine Meinungen und Ansichten nicht durchgehend teilen. Dazu zählen nicht nur Kanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier, denen jedoch Gaucks Einmischung ins politische Alltagsgeschäft missfällt. Dazu dürften auch breite Schichten der deutschen Bevölkerung zählen. Denn Gauck hat zu jedem großen Politikum in Deutschland eine feste Meinung, die er kundtut. Gauck repräsentiert nicht. Gauck politisiert. Ob einem das nun gefällt oder nicht – es ist seine Interpretation des Amtes Bundespräsident. Er mischt sich ein.

Gauck repräsentiert nicht, Gauck politisiert

In seiner Rolle bezeichnet er die Freundschaft zu Russland als gekündigt. Er schließt Krieg als letztes Mittel nicht aus, auch der Einsatz von Soldaten könne erforderlich sein. Die Rente mit 67 findet er eine durchaus gute Idee, die Antikapitalisten der Occupy-Bewegung hingegen, bei denen ihm der „Eventcharakter“ missfällt, findet er „unsäglich albern“.

Das Handelsabkommen CETA zwischen der Europäischen Union und Kanada bewirbt Gauck. CETA gilt, besonders was den umstrittenen Investorenschutz angeht, als Blaupause für TTIP. Erst an diesem Wochenende hat Gauck in einem ARD-Interview angezweifelt, ob die Linkspartei einen Ministerpräsidenten in Deutschland, in diesem Falle Thüringen, stellen sollte. Hierfür wurde er nicht nur von der Linken, sondern auch von Teilen der SPD und der Grünen scharf kritisiert und an seine – allerdings nicht niedergeschriebene – parteipolitische Neutralität erinnert.

Gauck sagt seine Meinung also klar. Er teilt sie dabei in ausgewählter Sprache mit. Seiner dezidierten Ausdrucksweise zum Trotz klingt es irgendwie laut, wenn er seine Meinung sagt.

Unbequemer Grenzgänger

Gauck, der ehemalige evangelische Pastor, Antikommunist, wurde oft geschmäht, bestenfalls als Unbequemer, und ist genau dies geblieben: unbequem.
Er lotet die Grenzen seines Amtes aus, ist in diesem Sinne ein „Grenzgänger“. Und gibt, das müssen wohl auch seine Kritiker einsehen, seinem Amt die Würde, die arg zerbeult war, langsam aber sicher wieder.

Wie kein anderer zuvor hat sich Gauck für die Greueltaten der Nazis entschuldigt, unter anderem in den Niederlanden, in Frankreich, in Griechenland, in Italien tat er dies. Gauck ist ein überzeugter Europäer, der die Verdrossenheit über Europa als große Gefahr sieht. Nun kommt Deutschlands überparteiliches, gleichwohl politisches Staatsoberhaupt nach Luxemburg. Gauck erwidert damit den Staatsbesuch Luxemburgs in Deutschland aus dem Jahr 2012.

Damals würdigte Gauck in seiner Rede den jetzigen Gastgeber. Nicht zuletzt dank des Engagements Luxemburgs sei Europa zum weltweit größten Raum der Freiheit geworden.