Der Streit eskaliert und 38 Länder schauen zu

Der Streit eskaliert und 38 Länder schauen zu
(Andreas Gebert)

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Hinter der Fassade des europäischen Patentamtes ist ein heftiger Sozialkonflikt ausgebrochen. Der Streit zwischen dem Präsidenten und der Gewerkschaft wütet bereits seit Jahren.

Frühere und auch heutige Beamte des europäischen Patenamtes sprechen von einem wahren Horrorszenario, das sich hinter den Türen dieses Amtes in München, Berlin, Den Haag und Wien abspiele. Der Führungsstil des Präsidenten Benoît Battistelli (vorher Generaldirektor bei dem französischen „Institut national de la propriété industrielle“), der 2010 dieses Amt übernahm, führe von Eskalation zu Eskalation.

Erst kürzlich zogen Mitarbeiter zu Tausenden durch die Münchner Straßen und zu Konsulaten, damit die Mitgliedsstaaten Battistellis Reformwerk mit diesem debattieren. Doch Battistelli wurde im März dieses Jahres allenfalls ermahnt, gleichzeitig wurde seine Amtszeit noch vor der Frist bis 2018 verlängert.

Arbeitsklima auf dem Nullpunkt

Glaubt man den Aussagen der Gewerkschatler, überspannt Battistelli seit geraumer Zeit den Bogen dermaßen, dass das Arbeitsklima auf dem Nullpunkt angelangt ist. „Im Herbst 2015 suspendierte er einen Patentrichter, der ihm wegen der Gewaltenteilung gar nicht untersteht, was für einen Aufruhr in den verschiedenen Gremien des Amtes wie der Patentszene sorgte.“

Doch damit längst nicht genug. Im Laufe dieses Jahres wurden bereits drei Gewerkschaftler der Suepo kurzerhand vor die Tür gesetzt. Unseren Informationen nach hat der Präsident sehr fadenscheinige, um nicht zu sagen mit den Haaren herbeigezogene Ursachen für diese Kündigungen angegeben. Um ihm den Rücken zu stärken, soll Battistelli, so ist weiter zu hören, eine Gruppe von zehn ihm bestens bekannte laut Gewerkschaftler komplett unqualifizierte Leute um sich geschart haben, die er von außen zu sich ins EPA holte und auf Schlüsselpositionen hob.

Manifestation in Den Haag

Ein weiterer Suepo-Gewerkschaftler wurde nun Anfang November in der Niederlassung in Den Haag fristlos entlassen. Er soll einen anderen Mitarbeiter unter Druck gesetzt haben. Wie, wofür, wann, wen, das geht nicht aus den Vorwürfen hervor. Die EPA-Beamten in Den Haag hatten denn auch am Donerstag zu einer Protestaktion in der niederländischen Filiale aufgerufen. Ein Großteil der rund 2.800 dort arbeitenden Beamten nahm daran teil und schrie Skandal.

Der Ermittler, der König, der Richter – nur einige Bezeichnungen, die man intern für Battistelli hört – missbrauche allenthalben die gewisse Immunität, die das Amt wegen seines speziellen Statuts genießt. In diesem außerstaatlichen Amt – die Gesetze der angeschlossenen 38 Länder spielen hier keine Rolle – habe der Präsident eine interne Untersuchungseinheit eingesetzt, die alle 7000 Mitarbeiter quasi permanent kontrolliert.

„Das geht so weit, dass wir unter uns nur mehr auf den Gängen oder außerhalb der Gebäude miteinander reden, da wir fest davon überzeugt sind, dass wir von der Untersuchungseinheit belauscht werden“, so ein Mitarbeiter dem Tageblatt gegenüber. „Wir schreiben uns untereinander auch keine Mails mehr, da auch diese hinter unserem Rücken einer steten Kontrolle unterzogen werden.“

Beamte nehmen sich das Leben

Der Druck, der auf den Mitarbeitern des EPA liege, sei beim allerbesten Willen nicht mehr zu ertragen. Ein Gewerkschaftler, mit dem wir vorgestern sprechen konnten, der jedoch aus Angst vor „König Battistelli“ nicht namentlich erwähnt werden möchte, gab uns zu verstehen, dass sich in den vergangenen fünf Jahren fünf EPA-Mitarbeiter das Leben genommen haben. Ein Belgier, Vater von zwei Kinder, sprang durch das Fenster seines Büros in Den Haag in den Tod, ein zweiter, um nur diese Beispiele zu nennen, nahm sich am letzten Tag seines Urlaubs das Leben. Er wollte auf keinen Fall zurück in die „prison dorée“, so heißt es.

Ein Großteil der dem „système fou“ des Präsidenten ausgelieferten Beamten seien seit vielen Monaten in psychologischer Behandlung. „Es gibt für uns keine Anlaufstelle, wo unseren Problemen Gehör geschenkt wird. Der Zuständige für soziale Angelegenheiten und interne Kommunikation, ein früherer Lieutnant-Colonel der französischen Armee, gehört der Gefolgschaft Battistellis an. Den einzelnen Ländern, die an das EPA angeschlossen sind und jeweils über eine einzige Stimme verfügen, egal wie gross oder klein sie sind, sind wegen des bereits beschriebenen Statuts weitgehends die Hände gebunden,“ so ein Mitarbeiter aus München. „Das EPA ist eine tickende Zeitbombe, die in naher Zukunft wohl explodiert, sollten die 38 Mitgliedsstaaten nicht schnellstens etwas unternehmen.“