Sprücheklopfen auf Parteitagen

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Die Parlamentswahl in Großbritannien liegt noch 20 Monate in der Zukunft - dennoch machen die Parteien schon mehr Wahlkampfrhetorik als Sachpolitik. Bis hin zu persönlichen Angriffen.

200 Pfund im Jahr, verspricht die Konservative Regierungspartei in Großbritannien, werde das durchschnittliche britische Ehepaar künftig mehr auf dem Konto haben. Die Konkurrenz von Labour garantiert, dass die Energiepreise zwei Jahre lang nicht steigen sollen. Die Liberaldemokraten, derzeit als Juniorpartner mit den Konservativen in der Regierung, versprechen kostenloses Mittagessen für die Schulkinder. Das Ganze gewürzt mit ein paar in die Presse lancierten persönlichen Angriffen auf Einzelpersonen – und die Polit-Schlammschlacht auf der Insel ist fast zwei Jahre vor den nächsten Wahlen eröffnet.

In Großbritannien ist Conference Season – die wichtigsten Parteien des Landes rufen ihre Basis jedes Jahr im Herbst zum Parteitag zusammen. Eigentlich sollen dort programmatische Dinge geklärt werden, die Ausrichtung der Partei justiert, die Probleme des Landes und dafür probate Lösungen diskutiert werden. In diesem Jahr ist es anders: Die Parteien werfen gegenseitig mit Dreck aufeinander – und mit geradezu grotesken Wahlversprechen auf die Bevölkerung. Das eigentlich Politische droht zur Fußnote zu werden, finden Kommentatoren.

Premierminister David Cameron, nach der von seiner eigenen Fraktion verschuldeten peinlichen Niederlage in der Syrien-Frage und anderen Abstimmungsniederlagen geschwächt, schoss den Vogel ab. Als sogar die Bank von England nach langen Diskussionen laut über eine Notbremse in Sachen Immobilienblase nachdachte und eine Verschärfung der Richtlinien für die Kreditvergabe für die Banken ins Auge fasste, marschierte Cameron – getrieben von kritischen Umfragewerten und innerparteilicher Kritik an seiner Führung – in die Gegenrichtung. Das Regierungsprogramm zur Förderung von Wohneigentum werde sogar noch vorgezogen, verkündete der Regierungschef am Rand des Parteitags seiner Konservativen in Manchester.

Bessere Kreditbedingungen für Hauskäufer

Hauskäufer bräuchten nur noch fünf Prozent des Kaufpreises selbst aufzubringen, den Rest bekämen sie als Kredit von Bank und Staat. Ökonomen schlugen angesichts der Situation vor allem in der Hauptstadt die Hände über dem Kopf zusammen. In London, wo die Immobilienpreise explodierten und zuletzt um zehn Prozent in zwölf Monaten zulegten, wird nun noch mehr superbilliges Geld in einen ohnehin überhitzten Markt gepumpt. Fachleute sind der Meinung, es müsste vielmehr auf der Angebotsseite korrigiert werden, nicht bei der Nachfrage. „Der Markt braucht Hilfe für Neubauten, nicht Hilfe für Käufer“, heißt es vom renommierten Institute of Directors.

Die als teils unvernünftig eingestuften Vorstöße von Parteipolitikern haben einen Grund – die Parteienlandschaft in Großbritannien ist 20 Monate vor den nächsten Parlamentswahlen unübersichtlicher denn je. Und die führenden Figuren der drei großen Parteien sind allesamt auch intern umstritten. Mit der europafeindlichen UKIP ist zudem ein neuer Unsicherheitsfaktor aufgekommen, der in Umfragen beständig über der Zehn-Prozent-Marke liegt.

Konservativer Pakt mit Euroskeptikern

Die regierenden Konservativen mit Premier Cameron an der Spitze fürchten, auch im zweiten Anlauf keine absolute Mehrheit zu schaffen – parteiintern wird das als Schwäche angesehen. Politische Denkfabriken fachsimpeln derzeit darüber, ob es für die Tories opportun sein könnte, einen Pakt mit den Eurokritikern von UKIP einzugehen.

Cameron bastelt derweil nach Medienberichten bereits an einer neuen Koalitionsvereinbarung mit den Liberaldemokraten – auch wenn er offiziell verkündet: „In einer Alleinregierung wäre der Premierminister stärker und wir könnten klarere Entscheidungen treffen.“ Umfragen sehen allerdings im Moment eher die Labour-Opposition in Front – zuletzt mit bis zu elf Prozentpunkten Vorsprung. Prompt folgte wieder der Griff in den Schlammkübel: In der Tory-nahen Postille „Daily Mail“ wurde der verstorbene Vater des als führungsschwach eingestuften Labour-Chefs Ed Miliband – ein Marxist jüdischen Glaubens – als Staatsfeind verunglimpft. Das war dann auch Cameron ein bisschen zu viel: „Wenn irgendjemand etwas über meinen Vater sagen würde, hätte ich den Drang, sehr energisch zu reagieren“, sagte er.