Schlussspurt im Südkaukasus

Schlussspurt im Südkaukasus
(dpa)

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Mit Massenkundgebungen demonstriert die Opposition in Georgien vor der Parlamentswahl ihre Stärke. Die Regierungsgegner um Oligarch Iwanischwili rechnen am Montag mit einem hohen Sieg. Doch auch Präsident Saakaschwili zeigt sich kämpferisch.

Wahlkampf bis zum letzten Augenblick: Bei einer der größten Kundgebungen in der Geschichte Georgiens haben vor der Parlamentswahl etwa 200.000 Regierungsgegner in der Hauptstadt Tiflis für einen Machtwechsel demonstriert. Auch in der zweitgrößten Stadt Kutaissi versammelten sich Zehntausende Unterstützer der Bewegung Georgischer Traum des Milliardärs Bidsina Iwanischwili. Sie will bei der Abstimmung am Montag die Partei von Präsident Michail Saakaschwili, die Vereinte Nationale Bewegung, im Parlament der Südkaukasusrepublik ablösen.

Angesichts eines harten Wahlkampfes mahnte der beliebte Patriarch Ilia II. eine faire und friedliche Abstimmung an. „Wir hoffen, dass diese Wahlen nicht gefälscht werden, und das Volk diejenigen wählt, die es will“, sagte das einflussreiche Kirchenoberhaupt am Sonntag nach Medienberichten.

„Es geht um das Schicksaal Georgiens“

Der 44-jährige Saakaschwili schwor im Westen der Ex-Sowjetrepublik am Schwarzen Meer seine Anhänger auf eine Entscheidungswahl ein. „Es geht nicht um das Schicksal der Regierung, nicht um das Schicksal Saakaschwilis, sondern um das Schicksal Georgiens“, sagte der Staatschef am Samstagabend in der Stadt Osurgeti. Am Vortag hatte er sich bei einer Großkundgebung in einem Stadion in Tiflis vor etwa 60.000 Unterstützern kämpferisch gezeigt.

Bei der Oppositionskundgebung in der Hauptstadt herrschte Volksfeststimmung, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur dpa berichtete. Zahlreiche Menschen schwenkten Fahnen und trugen blaue T-Shirts der Bewegung Georgischer Traum. Augenzeugen meinten, es seien weit mehr Menschen auf der Straße gewesen als bei der friedlichen «Rosenrevolution» von 2003, mit der Saakaschwili den damaligen Präsidenten Eduard Schewardnadse aus dem Amt gedrängt hatte. Die Opposition sprach von 600.000 Teilnehmern in Tiflis sowie 100.000 in Kutaissi.

„Geburt eines neuen Georgiens“

„Der Tag der Geburt eines neuen Georgiens naht“, rief Iwanischwili der Menge zu. Sie sollten sich nicht von „Saakaschwilis Bande“ einschüchtern lassen. Mit dem Sieg von Georgischer Traum würden Gesetz und Ordnung wieder einkehren, versprach Iwanischwili.

Auf einer Bühne traten bekannte Popsänger auf, darunter Iwanischwilis Sohn Bera. Die Berater des Oligarchen verbreiteten eine Studie des deutschen Meinungsforschungsinstituts Forsa, nach der Georgischer Traum vor einem Erdrutschsieg steht.

Auf Wahlrecht verzichten

Iwanischwili kündigte an, demonstrativ auf sein Wahlrecht zu verzichten. Er protestierte damit gegen die Aberkennung seiner Staatsbürgerschaft. Da der 56-Jährige einen französischen Pass hat, dürfte er laut einer umstrittenen Verfassungsänderung zwar abstimmen. Er hatte diese „Lex Iwanischwili“ vom Mai jedoch scharf kritisiert.

Die Opposition klagte im Wahlkampf über eine Atmosphäre der Einschüchterung. Dutzende Regierungsgegner wurden bei Kundgebungen festgenommen. Die Polizei bestreitet politische Motive.

Die Stimmung war auch durch einen Folterskandal in den Gefängnissen aufgeheizt worden. Wegen unmenschlicher Behandlung von Häftlingen nahm die Polizei einen hochrangigen Mitarbeiter eines Gefängnisses in Kutaissi fest. Damit sind nun 19 Beschuldigte in dem Skandal in Haft, der vor knapp zwei Wochen durch Videoaufnahmen publik geworden war. Iwanischwili sprach der Regierung das „moralische Recht“ ab, das Land zu führen.