Schicksalstag für die Krim

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Am Sonntag sollen rund 1,8 Millionen Menschen auf der Halbinsel per Referendum entscheiden, ob sie künftig zu Russland gehören wollen. Die Ukraine will die Abspaltung ihres Gebietes aber nicht hinnehmen.

Auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim sollen die Bewohner an diesem Sonntag über eine Trennung von der krisengeschüttelten Ex-Sowjetrepublik Ukraine entscheiden. Ein international umstrittener Beitritt zu Russland ist geplant.

Wie läuft das Referendum auf der Krim ab?

Die mehr als 1200 Wahllokale sind von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr MEZ geöffnet. Der Stimmzettel ist in Ukrainisch, Krimtatarisch und Russisch verfasst und enthält zwei Fragen: Ob die Bevölkerung einen Anschluss an Russland wünscht oder eine weitreichende Autonomie innerhalb der Ukraine, die eine de-facto-Unabhängigkeit bedeuten würde. Angeboten wird je nur ein „Ja“-Feld. Wahlberechtigt sind 1,84 Millionen Menschen, die meisten davon Russen.

Die Minderheit der Krimtataren, die traditionell an der Ukraine orientiert ist, will die Befragung boykottieren. Den Großteil der Kosten für das Referendum – etwa 1,5 Millionen Euro – trägt Russland. Erste Ergebnisse werden noch am Abend nach Schließung der Wahllokale erwartet. Die Krim-Führung rechnet mit mehr als 80 Prozent Zustimmung für einen Beitritt an Russland.

Viel ist die Rede von Provokationen – mit welchem Verlauf ist zu rechnen

Die Regierung der Halbinsel wirft der Zentralregierung in Kiew vor, das Referendum sabotieren zu wollen. Daher sollen mehr als 1500 Bewaffnete die Wahllokale schützen. Dabei handelt es sich um „Selbstverteidigungskräfte“ sowie um eine kürzlich aufgestellte eigene Armee. Auch die seit mehr als 200 Jahren in Sewastopol stationierte russische Schwarzmeerflotte dürfte keine Destabilisierung der Lage zulassen. Wegen der angeblichen Gefahr von Angriffen ukrainischer Nationalisten seien einige Zugänge zur Krim aber geschlossen worden, sagte Krim-Vizeregierungschef Rustam Temirgalijew. Außerdem seien Flugverbindungen mit der Hauptstadt Kiew gekappt worden.

Warum ist der Volksentscheid umstritten?

EU-Politiker werfen Russland einen Bruch des Völkerrechts vor. Moskau betreibe aktiv die Abspaltung der Krim von der Ukraine und den Beitritt in Russland. Kremlchef Wladimir Putin weist dies zurück. Moskau unterstütze das Referendum auf der Krim, weil die Halbinsel selbst über ihr Schicksal entscheiden solle. Die mehrheitlich russische Bevölkerung wolle nicht mit nationalistischen Kräften in Kiew und der Westukraine in einem Staat leben, behauptet Putin. Die Zentralregierung der früheren Sowjetrepublik wiederum betont, die ukrainische Verfassung sehe ein solches Referendum eines Landesteils gar nicht vor.

Wie geht es nach dem Referendum weiter?

Das Parlament auf der Krim will sich mit dem Ergebnis des Volksentscheids an die Führung in Moskau wenden mit der Bitte um Beitritt zur Russischen Föderation. Putin und das Parlament in Moskau haben bereits signalisiert, der Aufnahme zuzustimmen. Krim-Vizeregierungschef Rustam Temirgalijew sagte am Freitag in Simferopol, dass ein Vertrag zwischen der Krim und Russland geschlossen werden solle. Außerdem seien Wahlen geplant, um die neue Führung zu legitimieren. Zudem sollen die Bürger russische Pässe und den Rubel als Währung erhalten.

Was wird aus dem ukrainischen Eigentum?

Schon kurz nach ihrer Machtübernahme hatten die neuen Kräfte auf der Krim eine Nationalisierung des ukrainischen Staatsbesitzes einschließlich etwa der Marine angekündigt. Aus ukrainischem soll künftig also russisches Staatseigentum werden. 1954 hatte Kremlchef Nikita Chruschtschow die Halbinsel seiner Heimat geschenkt, was Russen bis heute als historisches Unrecht ansehen.

Krim-Vizeregierungschef Rustam Temirgalijew erwartet, dass die juristische Abwicklung bis zu einem Jahr dauern werde. Die Gerichte, die öffentliche Verwaltung und die gesamte Bürokratie müssten jetzt auf russisches Recht umgestellt werden.

Die Ukraine kritisiert den gesamten Prozess als Verstoß gegen internationales Recht – wie verhält sich das Land?

Die neue ukrainische Führung steht nach ihrer Machtübernahme und dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch vor dem Staatsbankrott und muss viele Probleme gleichzeitig bewältigen. Auch die Armee gilt als nicht handlungsfähig. Zwar haben die USA und die EU der Ex-Sowjetrepublik Hilfe zugesichert – allerdings nur finanziell und politisch, aber nicht militärisch. Zudem machen der Regierung in Kiew zunehmend auch die russischsprachigen Regionen im Osten und Süden der Ukraine Probleme, die ebenfalls mit einer Abspaltung drohen.

Russland steht international am Pranger wegen angeblicher Verletzung des Völkerrechts, es drohen Sanktionen – wie reagiert Moskau?

Kremlchef Wladimir Putin hatte die USA und die EU vor Sanktionen gewarnt. Strafmaßnahmen würden immer beiden Seiten schaden, sagte er. Die Moskauer Führung bereitet sich nach Informationen der Zeitung „Wedomosti“ auf das Schlimmste vor – vom Einfrieren russischer Konten im Ausland bis zum möglichen Abbruch diplomatischer Beziehungen. Nach Ansicht von Experten könnte sich der wichtige Gaslieferant Russland künftig noch stärker auf seinen Nachbarn China als Handelspartner konzentrieren und auf den asiatischen Raum insgesamt.