Sagen die Iren wieder Nein?

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Die Verfassung Irlands verlangt von den Bürgern des kleinen Landes eine Abstimmung über den Fiskalpakt. So wird Irland wieder einmal zum Testfall für europäische Finanzpolitik. Am 31. Mai wird entschieden.

Wieder einmal die Iren: Wenn am 31. Mai die Menschen im Süden der grünen Insel per Referendum über den EU-Fiskalpakt abstimmen, herrscht in Berlin, Paris und Brüssel Hochspannung. Wird die kleine Republik am Nordwestrand der EU wieder einmal aufbegehren und einen wichtigen EU-Vertrag infrage stellen? Wie schon 2001 bei den Nizza-Verträgen? Und vor allem wie 2008, als der Lissabon-Vertrag durch ein Nein der Iren verzögert wurde?

Diesmal stehen die Vorzeichen anders. In Brüssel hat man gelernt. Nur zwölf der 17 Euro-Länder müssen den Fiskalpakt ratifizieren, damit er im Herbst in Kraft treten kann. Und auch die Umfragen in dem nach einer Bankenkrise notorisch klammen Irland sehen die Euro- Befürworter vorn – wenn auch die Nein-Sager zuletzt wieder ein wenig Aufwind bekommen haben. Der Hochmut der Boomjahre des einstigen „keltischen Tigers“ scheint verflogen. Die Iren, vom süßen Duft des schnellen Geldes ab 2008 zuerst in einen Immobilienrausch, dann in eine Banken- und dadurch in eine Staatskrise getrieben, sind längst nüchterner geworden.

„Ja“ dürfte gewinnen

Alle großen politischen Parteien – neben der Koalitionsregierung aus der konservativen Fine Gael und der sozialdemokratischen Labour-Partei auch die oppositionelle Fianna Fail – sind erklärtermaßen für ein „Ja“ zum Fiskalpakt. „Die Eurozone ist gefährdet und Irland darf nichts tun, um sie über die Kante zu schubsen“, sagt Oppositionsführer und Ex-Außenminister Micheal Martin. Lediglich ganz am linken Flügel, wo der ehemalige IRA-Sympathisant und jetzige Sinn-Fein-Parlamentarier Gerry Adams gemeinsam mit einigen Gewerkschaften Stimmung macht, regt sich politischer Widerstand.

Die Iren waren Ende 2010 mit 67,5 Milliarden Euro aus Mitteln von EU, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank vor dem Staatsbankrott gerettet worden. Spätestens in der zweiten Hälfte 2013 wollen sie sich wieder selbst Geld an den Märkten beschaffen – bis dahin reichen die Hilfsmilliarden. Klappt die Rückkehr an die Märkte nicht oder nicht rechtzeitig, muss die internationale Gemeinschaft vielleicht ein zweites Mal in die Spur. Das geht nur, wenn Irland am Fiskalpakt teilnimmt und damit Zugriff auf den neuen Sicherheitsmechanismus ESM hat.

Herbe Einschnitte

Die Folge der Milliardenhilfen aus Europa war für die Iren der Zwang zu herben Einschnitten. Sieben Sparhaushalte in Folge haben Premierminister Enda Kenny und sein Vorgänger Brian Cowen ihren Landsleuten schon zugemutet. Die fetten Jahre sind vorbei und damit auch die Privilegien. Die Iren müssen jetzt Grundsteuer auf ihre Häuser zahlen und auch das Trinkwasser ist künftig nicht mehr umsonst. Die Mehrwertsteuer stieg von 21 auf 23 Prozent.

Das krisenerprobte irische Volk liebt dies nicht. Proteste nehmen zu. Viele weigern sich einfach, etwa die neue Grundsteuer zu zahlen. Vor allem junge Leute verlassen reihenweise das Land. Die Regierung um Premier Kenny und Labour-Außenminister Eamon Gilmore konnte in den vergangenen Wochen den Iren dennoch die Notwendigkeit des europäischen Fiskalpakts zur Haushaltsdisziplin deutlich machen. „Wenn wir nicht am Stabilitätspakt teilnehmen, dann ist es weitaus wahrscheinlicher, dass wir eine zweite Finanzspritze brauchen – und wir hätten dann nicht einmal Zugang zum Europäischen Stabilitäts-Mechanismus (ESM)“, warnt Gilmore. „Das wäre das Schlimmste“, sagte er im irischen Fernsehen RTE.

Export-Paradies

Das Geschäftsmodell Irlands fußt darauf, dass internationale Unternehmen von der grünen Insel aus in die Eurozone exportieren. Whiskey und Butter, Botox und Viagra gehen von Irland aus in viele Länder Europas. Große US-Firmen wie Facebook oder Cisco haben ihre Europa-Hauptquartiere bewusst nach Irland verlegt, und damit in die Eurozone – die konkurrenzlos günstige Unternehmenssteuer war auch kein Hindernis. „Der Trend hält an“, sagt Edgar Morgenroth vom größten irischen Wirtschaftsforschungsinstitut ESRI.

Die Exporte bescheren den Iren trotz der völlig zusammengebrochenen Binnennachfrage noch immer ein kleines Wachstum. 0,5 Prozent sagt das Institut ESRI für das laufende Jahr voraus, 0,7 Prozent die Regierung selbst. Die Arbeitslosigkeit von derzeit 14,5 Prozent konnte das jedoch noch nicht abbauen. Und da könnte nach Morgenroths Ansicht für Irland eine Gefahr lauern. „Die Leute brauchen das Geld, um ihre Schulden zu tilgen“, sagt er. Auch die OECD sieht in ihrem jüngsten Bericht bei den privaten Schulden eine Gefahr.

Die Umfrageinstitute sehen derzeit bei zwischen 53 und 60 Prozent der Bürger Zustimmung zum Fiskalpakt. Aber: „24 Stunden sind in der Politik eine lange Zeit“, lautet ein alter Spruch in Dublin. Die Stimmung begann sich zu drehen, als Frankreichs neuer Präsident François Hollande das Ende der Sparpolitik in Europa forderte. In Irland ist es Tradition, mit Abstimmungen nicht nur über das eigentliche Thema zu urteilen, sondern auch über die Arbeit der Regierung, die unter allen Umständen die Zukunft Irlands in der Eurozone sichern will. Und die Unzufriedenheit mit Kenny und Co. wächst.