/ Ruf nach dem Bildungsminister
Beim ersten Verhandlungstag des sogenannten „School Leaks“-Prozesses – bei dem drei Sekundarlehrerinnen sowie der Ehemann einer angeklagten Sekundarlehrerin wegen „violation du secret professionnel“ und „recel d’information“ vor Gericht stehen – wurde über den eigentlichen Sachverhalt kaum gesprochen. Vielmehr ging es um die Forderung der Verteidiger, den Bildungsminister Claude Meisch in den Zeugenstand zu rufen und um prozedurale Fehler beim Verhör des einzigen männlichen Angeklagten.
Letzterer wurde laut seinem Verteidiger Fränk Rollinger beim Verhör von der Polizei nicht darüber aufgeklärt, dass er sich mit seiner Aussage nicht selbst belasten müsse, sondern die Aussage verweigern oder einen Anwalt hinzuziehen könne. Obwohl der Angeklagte durch die Aussage seiner Frau bereits als Verdächtiger eingestuft wurde – diese hatte der Polizei mitgeteilt, dass ihr Ehemann eine E-Mail mit Examensfragen verschickt hatte – wurde ihm von der Polizei mitgeteilt, er werde lediglich als Zeuge verhört. Maître Fränk Rollinger forderte daher eine „Annulation“ der Anklage gegen seinen Mandaten.
„Claude Meisch muss sich als Politiker verantworten“
Der Staatsanwalt Jean-Paul Frising argumentierte seinerseits, dass der Angeklagte bzw. sein Anwalt bereits mehrmals auf diesen Umstand hätte hinweisen und Einspruch einlegen können. Zudem sei die Frist für die Einreichung eines Einspruchs abgelaufen. Am Donnerstag werden die Richter über die von Me Fränk Rollinger geforderte „Annulation“ entscheiden. Für Aufsehen sorgte ebenfalls die Forderung der Verteidiger, den Bildungsminister Claude Meisch in den Zeugenstand zu rufen. Auch wenn der Staat als „partie civile“ beim Prozess auftrete, sei Claude Meisch in seiner Funktion als Minister in den Zeugenstand zu rufen, da er sich als Politiker verantworten müsse. Besonders Me Gaston Vogel echauffierte sich über die Abwesenheit des Bildungsministers. Diese sei ein „Skandal“ und der Minister müsse unter Eid aussagen.
Warum das Mathematikexamen?
Die Anwesenheit Claude Meischs oder eines hohen Beamten des Bildungsministeriums könnte durchaus vonnutzen sein, da es wohl zusätzliche Ungereimtheiten bezüglich der Weitergabe von Examensfragen zu geben scheint.
Das Bildungsministerium teilte im März 2015 offiziell mit, dass Fragen der Deutsch- und Französischexamen des Grundschul-Lernzyklus 4.2 vorab an die Öffentlichkeit gelangten, also „geleakt“ wurden.
Auch in einem internen Schreiben an den „Commissaire du Gouvernement adjoint chargé de l’instruction disciplinaire“ betonte der Bildungsminister, dass die Examensfragen in den Fächern Deutsch und Französisch weitergereicht wurden („Quels documents ont été divulgués? „Epreuve commune compréhension écrite de la langue française, Epreuve commune compréhension orale de la langue française, Epreuve commune production écrite en langue française, Epreuve commune compréhension écrite de la langue allemande, Epreuve commune compréhension orale de la langue allemande, Epreuve commune production écrite en langue allemande“).
Vom Fach Mathematik wurde hier nicht gesprochen. Dennoch mussten die Schüler im April 2015 das Examen in diesem Fach wiederholen. Damals wurde von einer „Vorsichtsmaßnahme“ gesprochen. Sollte diese „Vorsichtsmaßnahme“ wirklich nötig gewesen sein, stellt sich die Frage, ob nicht noch andere Personen als die beim „School Leaks“-Prozess Angeklagten mit der Weitergabe von Examensfragen zu tun hatten.
Des Weiteren konnte bereits Anfang Februar 2015 auf der Plattform „mySchool/TAO“ auf die Verbesserungen der Examensfragen zugegriffen werden. Sieben Grundschullehrer profitierten hiervon. Sie wurden lediglich von ihrem Inspektor dazu aufgerufen, ihre erlangten Informationen nicht zu missbrauchen. Demnach spricht einiges dafür, dass der „School Leaks“-Prozess nach dem morgigen zweiten Verhandlungstag verlängert werden muss.
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