Riskante Kiefer-OPs sind der letzte Schrei

Riskante Kiefer-OPs sind der letzte Schrei
(AFP)

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Im Dienste der Schönheit werden in Südkorea umfassende Kiefer-OPs angeboten. Angepriesen werden schmalere Gesichter und Kinnpartien in zierlicher V-Form.

Nasenkorrekturen oder Augen-Lifts – das sind in Südkoreas boomender Schönheitsindustrie längst Standards. Der Trend geht hin zu einem wesentlich radikaleren Eingriff: Jetzt werden werden umfassende Kiefer-OPs angeboten. Verschwiegen wird dabei, dassdem riskanten und schweren Eingriff ein monatelanger, oft schmerzhafter Heilungsprozess folgt. Etliche Patienten klagen danach über Taubheitsgefühle, Gesichtslähmungen oder schiefe Mundpartien.

OPs in Luxemburg
Hierzulande werben gleich mehrere Kliniken mit Schönheitsoperationen. Hier eine Preisliste der verschiedenen Eingriffe:
Kinnkorrektur ab 1.200 Euro
Fettabsaugung ab 1.500 Euro
Facelift ab 3.000 Euro
Bodycontouring: 1.500 Euro
Brustvergrößerung: 5.000 Euro
Postraffung ab 3.000 Euro
etc. …

Immer öfter unterziehen sich Patientinnen aus rein
kosmetischen Gründen der folgenschweren Knochenchirurgie, die eigentlich für erblich bedingte Deformierungen oder Kauprobleme aufgrund von Über- oder Unterbiss entwickelt wurde. Die kosmetischen Vorzüge der Eingriffe werden auf Plakaten, in U-Bahn-Stationen, in Zeitschriften und im Internet beworben. „Außer Dir hat es jeder getan“, heißt es auf einem Plakat in einem Bus. In Fernsehshows treten Prominente auf, die von einem „neuen Leben“ dank der Kieferchirurgie schwärmen.

Ein hoher Preis

Ein zartes Gesicht mit spitz zulaufendem Kinn gilt zusammen
mit großen Augen und einem hohen Nasenrücken in großen Teilen Ostasiens als Inbegriff weiblicher Schönheit. Um dieses Ziel zu erreichen, sind viele Frauen offenbar bereit, einen hohen Preis zu zahlen.

„Diese Operation verändert das Aussehen viel dramatischer als
Botox oder eine Nasen-Operation, weil sie die gesamte Struktur
der Gesichtsknochen verändert“, sagt Choi Jin Young, Professor
für Zahnmedizin an der Staatlichen Universität Seoul. „Es ist
eine sehr komplexe, potenziell gefährliche Operation. Es ist
beunruhigend, dass Leute ohne tatsächliche Zahnmängel dies auf sich nehmen, nur um ein kleines, hübsches Gesicht zu haben.“

5000 Eingriffe jährlich

Nach Angaben des Internationalen Verbands der ästhetisch-plastischen Chirurgen hat Südkorea eine der höchsten Pro-Kopf-Raten plastisch-chirurgischer Eingriffe weltweit. Eine
Studie schätzt die Zahl der Doppel-Kiefer-OPs im Land auf jährlich 5000, doch dabei wurde nicht zwischen kosmetischen und medizinisch notwendigen Operationen unterschieden.

Der Studie zufolge litten rund 52 Prozent nach der unter
Vollnarkose vorgenommenen Operation an sensorischen Problemen wie Taubheitsgefühlen im Gesicht. Nach Angaben der
Verbraucherschutzbehörde in Seoul stieg die Zahl der registrierten Beschwerden von 29 im Jahr 2010 auf 89 im vergangenen Jahr, wobei viele weitere Fälle post-operativer
Probleme wahrscheinlich nie bekannt werden.

Schiefer Mund

„Mein Mund bewegt sich immer nach links und die Kieferpartie
ist taub“, schreibt eine Patientin in einem Online-Forum. „Ich
spüre es nicht einmal, wenn Speichel aus meinem Mund tropft.“
Dazu stellte sie Fotos ihrer schiefen Mundpartie. Im August
verübte eine 23-jährige Studentin nach einer Kiefer-OP
Selbstmord. In ihrem Abschiedsbrief schrieb sie verzweifelt, sie
könne nicht mehr kauen und müsse pausenlos weinen, weil Nerven einer Tränendrüse geschädigt worden seien.

Der auf medizinische Behandlungsfehler spezialisierte Anwalt
Shin Hyon Ho in Seoul berichtet von Fällen, in denen die
Operation chronische Kieferschmerzen, schiefe Mundpartien,
Fehlstellungen bei den Zähnen und die Unfähigkeit zu kauen oder zu lächeln zur Folge hatte. „Die Anzahl von Fällen mit Bezug zur Schönheitschirurgie nimmt zu und die Komplikationen werden schlimmer“, konstatiert Shin.

Schönheit über alles

Nach anonymen Angaben eines Chirurgen machte eine Zahnklinik in Seoul die Schönheits-Kieferoperation vor rund vier Jahren populär. Seither bieten auch plastische Chirurgen sie an, was sie für einen größeren Kundenkreis erschwinglich machte. „Zwar wurde es ursprünglich entwickelt, um Zahnfehlstellungen zu korrigieren, doch man kann es niemandem verübeln, dass er sich operieren lässt um gut auszusehen“, sagt der Mediziner. „Vor allem an einem Ort wie hier, wo die Schönheit, vor allem bei
Frauen, wichtiger ist als alles andere.“