Renzi warnt vor Panikmache

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(Imago Stock&people)

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In der aufgeheizten Stimmung kurz vor dem Verfassungsreferendum in Italien hat Premierminister Matteo Renzi vor Panikmache gewarnt und zur Ruhe aufgerufen.

„Am 5. Dezember (dem Tag nach dem Referendum) kommen nicht die Heuschrecken. Wir müssen mit Leichtigkeit in die Abstimmung gehen“, sagte der Ministerpräsident italienischen Medien zufolge von Donnerstag. Auf Beleidigungen sollte nicht mehr eingegangen werden.

Etwas mehr als eine Woche vor der Abstimmung am 4. Dezember werden die Töne in beiden Lagern immer schriller. Der Anführer der Oppositionspartei Fünf-Sterne-Bewegung, Beppe Grillo, hatte Renzi zuletzt als „verwundete Wildsau“ bezeichnet und gesagt, die Befürworter der Verfassungsreform seien „Serienkiller“ von Italiens Kindern.

Die Abstimmung ist auch deshalb so wichtig, weil Renzi seinen Rücktritt angekündigt hatte, falls die Gegner der Reform gewinnen. Bei einem Nein wird eine Regierungskrise befürchtet, die auch an den Märkten Turbulenzen auslösen könnte. Derzeit liegen die Gegner in Umfragen vorne.

Anleger zunehmend nervös

Nach dem Brexit-Votum und der überraschenden Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten geht das Referendum an den Finanzmärkten als neues Schreckgespenst um. Ein „No“ seiner Landsleute zu den geplanten Veränderungen könnte die EU in eine Krise stürzen und die Finanzmärkte gehörig durcheinander rütteln. Anleger flüchten schon aus italienischen Staatsanleihen und Aktien. „Der Markt sieht dieses Referendum als Wendepunkt zwischen Himmel und Hölle an“, sagte Anleihe-Experte Sergio Capaldi von der Bank Intesa Sanpaolo.

Bei Börsianern macht bereits das Wort „Italexit“ die Runde. Dabei will Renzi nur über Einschränkungen bei der Rolle des Senats und Zuständigkeiten der Regionalregierungen abstimmen lassen. Allerdings wächst die Sorge, dass sich nach Großbritannien auch eine möglicherweise neue rechtsgerichtete Regierung in Italien für einen Ausstieg aus der Europäischen Union (EU) stark machen könnte. „Wenn Renzi das Referendum verliert, fängt das Gebilde Europa an zu bröckeln“, sagt der Volkswirt der National-Bank, Dirk Gojny.

Angst vor politischem Chaos

Experten fürchten, dass dann Rechtspopulisten wie die Protestpartei Fünf Sterne unter der Führung des Komikers Beppe Grillo Oberhand gewinnen können. „Ein Rückzug Renzis stürzt Italien wieder ins politische Chaos und das mit vielen nicht erledigten Hausaufgaben“, sagt Gojny. Die Wirtschaft dort hinkt anderen EU-Staaten hinterher, die Arbeitslosigkeit verharrt seit Jahren bei rund zwölf Prozent.

Die hohe Nervosität der Anleger wird bei einem Blick auf die Aktienmärkte besonders deutlich: In den vergangenen sechs Monaten verlor der Mailänder Auswahlindex mehr als acht Prozent, während der EuroStoxx50 gut zwei Prozent und der Dax sogar fast acht Prozent zulegte. Die Börse in Spanien, wo es ein monatelanges Regierungschaos gab, steht mit einem Verlust von 1,5 Prozent in dem Zeitraum vergleichsweise gut da. „Die Märkte sind sich des politischen Risikos in Italien mittlerweile sehr stark bewusst“, sagt Commerzbank-Experte Christoph Rieger. Die Analysten der Deutschen Bank rechnen mit weiteren deutlichen Einbußen, sollte Renzi das Referendum verlieren.

Zinsen auf Staatsschulden steigen

Vor allem Bankaktien stehen an der Börse unter Beschuss. Der Index der italienischen Finanztitel büßte in den vergangenen sechs Monaten ein Fünftel ein. Der vergleichbare europäische Branchenindex legte dagegen neun Prozent zu. Schätzungen zufolge ächzen Italiens Geldhäuser unter einem 360 Milliarden Euro schweren Berg fauler Kredite. Traditionsbanken wie die Banca Monte dei Paschi di Siena brauchten eine gigantische Kapitalspritze. „Die Rettung der italienischen Banken wird noch schwieriger, wenn Renzi verliert“, sagt Analyst Neil Wilson von ETX Capital Markets.

Kritisch für die Häuser sind nicht nur die ausfallgefährdeten Darlehen. Auch der deutliche Anstieg der Renditen italienischer Staatsanleihen in Folge einer Verkaufswelle dieser Papiere macht den Instituten zu schaffen. „Gerade die Banken haben einen Großteil davon in den Büchern“, sagt Gojny. Seit Sommer haben sich die Renditen der zehnjährigen Titel auf ein Eineinhalb-Jahres-Hoch von 2,2 Prozent verdoppelt. Ein Anstieg auf drei Prozent, also auf das Niveau vom Frühjahr 2014, ist nach Meinung von Rieger möglich.

Die EZB steht bereit

Allerdings glaubt der Commerzbank-Analyst nicht, dass die Renditen lange so hoch bleiben werden. „Das Glück für Italien ist, dass nur vier Tage nach dem Referendum die EZB tagt und die wird alles daran setzen, dass eine mögliche Verkaufswelle an den Anleihemärkten gestoppt wird.“ Die Europäische Zentralbank (EZB) kauft seit März 2015 Staatsanleihen und andere Wertpapiere an den Märkten auf, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Doch selbst wenn die EZB es schafft, bei einem Renzi-Rücktritt die Nerven der Anleger erst einmal zu beruhigen, steht ihr und dem Finanzmarkt im April eine neue Bewährungsprobe bevor: Die Präsidentschafts-Wahl in Frankreich, bei der es auf ein Duell zwischen den Konservativen und der rechtsextremen Front National hinausläuft.