Renzi drängt Volk zu „Ja“

Renzi drängt Volk zu „Ja“
(Imago Stock&people)

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Kurz vor dem schicksalhaften Verfassungsreferendum in Italien hat Regierungschef Matteo Renzi seine Landsleute noch einmal eindringlich zur Zustimmung aufgerufen.

„Unser ‚Ja‘ wird nicht nur Italien ändern, sondern auch Europa und die ganze Welt“, sagte Renzi am Freitagabend zum Abschluss seiner Kampagne in Florenz. Die Italiener stimmen am Sonntag über die größte Verfassungsreform seit 1945 ab – und zugleich über Renzis Zukunft.

Seine Anhänger forderte Renzi auf, die noch unentschlossenen Wähler auf den letzten Metern zu überzeugen. „Es gibt viele davon, wir müssen sie einen nach dem anderen aufsuchen“, sagte der Regierungschef. „Alles entscheidet sich in den nächsten 48 Stunden.“

Für den Regierungschef hängt die politische Zukunft am Ergebnis der Volksabstimmung: Die Verfassungsreform ist „sein“ Projekt – scheitert es, wird mit seinem Rücktritt und einer neuerlichen Phase der Instabilität in Italien gerechnet. Dies wird angesichts des aufkommenden Rechtspopulismus in Europa auch bei den engen Partnern der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone mit Sorge verfolgt.

Mehr politische Stabilität

Vom Parlament wurde die Verfassungsreform im April verabschiedet. Sie soll für politische Stabilität sorgen, denn in Italien gab es nicht weniger als 60 Regierungen seit 1948. Die Verabschiedung von Gesetzentwürfen, die oft zwischen den bislang gleichberechtigten Parlamentskammern hin- und hergeschoben werden, soll beschleunigt werden. Konkret ist vorgesehen, den Senat von derzeit 315 auf 100 Mitglieder zu verkleinern. Er soll außerdem der Regierung nicht mehr das Misstrauen aussprechen können und nur noch über eine begrenzte Anzahl von Gesetzen befinden dürfen.

Zudem sollen die Regionen eine Reihe ihrer bisherigen Kompetenzen an den Zentralstaat abgeben. Die 110 Provinzen als Verwaltungseinheit zwischen Regionen und Kommunen sollen abgeschafft werden. Seit diesem Jahr gilt in Italien überdies ein neues Wahlrecht. Es soll dem Wahlsieger eine breitere Mehrheit im Abgeordnetenhaus verschaffen. Die Partei, die mit mindestens 40 Prozent der Stimmen als stärkste Kraft aus einer Wahl hervorgeht, soll automatisch rund 55 Prozent der Sitze bekommen. Sollte es jedoch keine Verfassungsänderung geben, würde durch diese neue Bestimmung das Patt zwischen beiden Parlamentskammern noch verschärft.

Rund 40 Verfassungsartikel stehen am Sonntag zur Abstimmung. Die Befürworter der Reform versprechen sich davon ein moderneres Italien. Renzi erhält Unterstützung von Arbeitgebern, früheren Regierungschefs und von europäischen Partnern wie Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die deutsch-italienische Abgeordnete Laura Garavini warnte im NDR, bei einem „Nein“ würde eine „extrem europafreundliche Regierung stürzen“, Populisten würden Auftrieb erhalten.

Der Ausgang der Wahl ist offen

Gegner der Verfassungsreform fürchten um die nach dem Faschismus in Italien errungene Gewaltenteilung und sehen zu viel Macht in den Händen des Ministerpräsidenten konzentriert. Für ein „Nein“ beim Referendum warben Politiker und Parteien aus dem gesamten politischen Spektrum, darunter die populistische Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo und die rechtsextreme Lega Nord.

Der Ausgang der Wahl ist offen. In Italien sind zwei Wochen vor einer Abstimmung Umfragen verboten – daher stammen die jüngsten Erhebungen aus einer Zeit, in der noch zahlreiche Menschen unsicher waren, ob sie überhaupt wählen gehen und was sie dann ankreuzen würden. Vor zwei Wochen lag das „Nein“-Lager mit fünf bis acht Prozentpunkten vorn.

Rund 50 Millionen Italiener sind am Sonntag zur Wahl aufgerufen. Sehr wichtig werden auch die Stimmen der fast vier Millionen Auslandsitaliener sein, die bereits votiert haben. Italienischen Medienberichten zufolge war deren Beteiligung hoch – sie gelten als Unterstützer der Verfassungsreform. Stimmen die Italiener am Sonntag mit „Ja“, wird Renzi deutlich gestärkt. Bei einem „Nein“ ist sein sofortiger Rücktritt des Politikers der Demokratischen Partei (PD) denkbar; er könnte aber auch noch als Übergangspremier weiter regieren. Vor den nächsten Wahlen müsste indes in jedem Fall das Wahlgesetz weiter entwickelt werden, da die jüngste Reform vor allem das Abgeordnetenhaus betraf.