/ Rebellen erobern Amtssitz des Präsidenten
Kurz vor dem Putsch zitierte Jemens Präsident noch aus Shakespears Hamlet-Tragödie: „Sein oder nicht sein“, warnte Abed Rabbo Mansur Hadi am Dienstag. Sein Land stehe am Scheideweg, Einheit sei jetzt wichtiger denn je. Nur Stunden später stürmten Huthi-Rebellen seinen Amtssitz und entwaffneten nach Angaben der Nachrichtenseite „Al-Masdar Online“ dessen Leibgarde. Hadis Schicksal war zunächst unbekannt. Der Fernsehsender „Al-Arabija“ berichtete von Explosionen rund um den Präsidentenpalast. Es war nicht die erste Tragödie in Jemens jüngster Geschichte.
Im August vergangenen Jahres marschierten 30.000 Anhänger des Volksstammes der Huthi auf die Hauptstadt zu. Nach kurzer Gegenwehr der Armee übernahmen sie de facto die Kontrolle über die Stadt. Sie kritisieren die Umsetzung eines vor einem Jahr im nationalen Dialog beschlossenen Übergangsprozess hin zu einem föderalen Staatssystem. Auch forderten sie die Einsetzung einer neuen Regierung. Präsident Hadi beließen die Rebellen jedoch im Amt. Nun – kurz vor Verabschiedung einer neuen Verfassung – wagten die Huthis offensichtlich den finalen Zugriff auf die Staatsmacht.
Büroleiter in Geiselhaft
Am Samstag entführten sie zunächst Hadis Büroleiter, er befindet sich seither in Geiselhaft. Am Montagmorgen dann rückten Bewaffnete auf den Präsidentenpalast vor, angeblich nur, um vor Ort eigene Sicherheitsposten zu errichten. Die Palastwachen eröffneten das Feuer, im Verlauf des Tages starben mindestens acht Menschen, Dutzende wurden verletzt.
Am Abend hatten Regierung und Huthis dann – wie zuletzt im September – einen Waffenstillstand ausgehandelt. Doch nur wenige Stunden später zogen die Aufständischen erneut Truppen zusammen, dieses Mal am Amtssitz von Regierungschef Chaled Bahah im Herzen von Sanaa. Bahah war erst im November von den Huthis als neuer Premierminister abgesegnet worden.
Kalaschnikow statt Dialog
Zunächst blieb das Schicksal von Bahah wie Hadi unklar. Zumindest Präsident Hadi residiert für gewöhnlich nicht in dem nun eroberten Palast – der dient lediglich offiziellen Amtsgeschäften. Doch mit der Eroberung des Präsidentenpalastes ist klar, dass sich die Rebellen mehr als vier Monate nach der Einnahme Sanaa nicht mehr mit Dialogen beruhigen lassen. Längst herrscht in der Hauptstadt eine Kalaschnikow-Wirklichkeit.
Diese Schwäche der Offiziellen nutzt einer weiteren Gruppe im Land: Al-Kaida. Das weltweit operierende Terrornetzwerk hat in den Bergen des Jemens einen seiner verlässlichsten Rückzugsorte. Ihr lokaler Ableger auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) zeichnet für die Anschläge auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ in Paris verantwortlich. Aus frustrierten Stammesangehörigen im Südjemen rekrutieren die Dschihadisten neue Extremisten.
Anschläge auch im Norden
Blieb der Terror von Al-Kaida meist auf den Südjemen beschränkt, verüben die Kämpfer seit dem Vormarsch der Huthi immer öfter auch im Norden Anschläge. Bei einem Bombenanschlag auf die Polizeiakademie in Sanaa starben Anfang Januar mehr als 30 Menschen, doppelt so viele wurden verletzt.
„Je mehr ich mich damit auseinandersetze, warum der Jemen so miserabel geworden ist, desto trauriger und wütender werde ich“, schreibt Nadia Sakkaf auf Twitter. Sakkaf ist Herausgeberin und Chefredakteurin der Tageszeitung „Yemen Times“, seit zwei Monaten ist sie zudem die neue Informationsministerin des Jemen. Nach der Übernahme von Staatsfernsehen und offizieller Nachrichtenagentur durch die Huthis am Montag ist Sakkafs Twitter-Kanal eine der letzten unabhängigen Quellen aus dem Land. „Das alles zu begreifen, ist nicht gut für die Gesundheit“, schrieb sie am Abend vor dem Putsch. „Und Politikerin zu sein auch nicht.“
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