Ratko Mladics grausame Verbrechen

Ratko Mladics grausame Verbrechen
(AFP)

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Bei seinen Landsleuten ist er immer noch ein Held. Doch die Anklage hat dem Serben-General Mladic vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal Völkermord und schwerste Verbrechen vorgehalten.

Die Schrecken des Krieges in Bosnien-Herzegowina haben den ersten Tag des Prozesses gegen den Serben-General Ratko Mladic vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal geprägt. Die Anklage hielt dem 70-Jährigen am Mittwoch in Den Haag die grausamen Details von Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Mord, Totschlag, Massenvergewaltigungen, unmenschliche Gefangenenlager, Terror und Vertreibungen habe der frühere Militärchef der bosnischen Serben (1992-1995) nur mit dem einzigen Ziel organisiert, Bosnien für die Serben zu erobern, sagte der Ankläger Dermot Groome.

Dem früheren Militärchef werden „57 genau spezifizierte Verbrechen“ zur Last gelegt, „für die Mladic persönlich verantwortlich ist“, so Groome. Der 70-jährige Mladic, der im Gerichtssaal in Anzug und Krawatte erschien, folgte der Verlesung der Anklage regungslos.

Der Ankläger eröffnete seine auf sechs Stunden angesetzte Anklage mit einem Verbrechen von November 1992, als Mladic-Truppen „150 muslimische Männer ermordet hatten“. Er zeigte weiter, wie Mladic und seine politischen Gesinnungsgenossen ihre Landsleute mit Lügen und Schauergeschichten über ihre drohende Auslöschung durch die Muslime an die Waffen gebracht hatten. Es habe sich um „die Mobilisierung friedlicher Menschen durch ihre Verängstigung“ gehandelt.

„Brutale ethnische Säuberungen“

Die Staatsanwaltschaft beschrieb weiter, wie die Mladic-Soldaten mit Hilfe paramilitärischer Gruppen aus Serbien „brutale ethnische Säuberungen“ mit Hilfe von Massakern und grausamen Gefangenenlagern erzwungen hatten. Auf Landkarten wurde „eine dramatische Veränderung der Bevölkerung“ zugunsten der Serben dokumentiert. „400.000 Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben“, damit die Serben ein zusammenhängendes Territorium in Bosnien schaffen konnten.

Die Anklage zitiert auch aus dem Tagebuch von Mladic, das der General während des Krieges mit akkurater Schrift verfasst hatte. Darin wird als „strategisches Ziel“ die Verbindung der serbischen Teile Bosniens mit der benachbarten Mutterrepublik Serbien zu einem Großserbien aufgeführt. Der Staatsanwalt beschrieb anhand von Videoaufnahmen, Dokumenten und Zitaten, wie Mladic und sein ebenfalls vor dem UN-Tribunal stehender politischer Vorgesetzter Radovan Karadzic die Kriegsverbrechen geplant und in die Tat umgesetzt hätten.

Mladic demonstrativ gelassen

Mladic selbst, der im Anzug mit Krawatte im Gerichtssaal erschienen war, hörte den Anschuldigungen meist regungslos zu. Manchmal lachte er verächtlich, machte sich immer wieder Notizen. Einmal richtete er während der Anklageverlesung seinen Blick auf Munira Subasic, eine der prominentesten Opfervertreterinnen. Er fuhr sich dann mit dem Zeigefinger über den Hals, als deute er eine Enthauptung an.

Die Anklage berichtete von „ethnischen Säuberungen“ in Kljuc in Westbosnien, wo 12.000 Muslime vertrieben wurden. Im ostbosnischen Foca seien 20.000 Muslime deportiert worden.

Auf wenige Kriegsverbrechen konzentriert

Um das Riesenverfahren zu beschleunigen, hat sich die Anklage auf wenige besonders schwere Kriegsverbrechen konzentriert. Darunter sind der jahrelange Beschuss von Sarajevo mit mehr als 11.500 Toten, das Massaker an muslimischen Jungen und Männern im Juli 1995 im ostbosnischen Srebrenica mit bis zu 8000 Toten sowie der Geiselnahme von UN-Blauhelmen 1995, die als „lebende Schutzschilde“ gegen mögliche NATO-Angriffe missbraucht worden waren.

Für die Anklageverlesung waren sechs Stunden angesetzt. Der erste Tag ist am Mittwoch nach mehr als vier Stunden vorzeitig beendet worden. Die Verlesung der Anklage habe weniger Zeit als geplant in Anspruch genommen, sagte der Vorsitzende Richter, Alphons Orie. Das Verfahren soll am Donnerstagmorgen fortgesetzt werden. Dann werde die Staatsanwaltschaft ihren Vortrag abschließen.

Erste Zeugen am 29. Mai

Die ersten Zeugen sollen vom 29. Mai an vernommen werden. Erste ausführliche Äußerungen des 70 Jahre alten Angeklagten sowie seiner Verteidiger sind erst für einen späteren Zeitpunkt des Verfahrens geplant.Die Staatsanwaltschaft will 413 Zeugen aufbieten. Um das Verfahren abzukürzen, werden die meisten Augenzeugen nicht persönlich im Gerichtssaal erscheinen, vielmehr werden ihre Aussagen aus früheren Prozessen lediglich verlesen. Die Verteidigung und Mladic selbst wollen sich erst zu einem späteren Zeitpunkt ausführlicher äußern.

In Serbien wurde der Beginn des Prozesses von keiner TV-Anstalt übertragen. Demgegenüber war das Verfahren live im Fernsehen des serbischen Teils von Bosnien zu verfolgen.