Putin stimmt „Kontaktgruppe“ zu

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Was Russland als Maßnahme zur Stabilisierung darstellt, wertet die Ukraine als Besetzung der Krim. Die USA drohen Putin mit einem möglichen Ausschluss aus der Runde der G8. Doch dann nehmen die Bemühungen um eine friedliche Lösung Fahrt auf.

Mit der Androhung eines Kampfeinsatzes auf der Krim hat Russland die schwerste Ost-West-Krise seit Ende des Kalten Krieges heraufbeschworen. US-Präsident Barack Obama warnte, eine Invasion der Ukraine werde Kremlchef Wladimir Putin „teuer zu stehen kommen“. Der G8-Gipfel im Juni im russischen Sotschi steht auf der Kippe. US-Außenminister John Kerry warnte, Russland könne sogar aus dem Kreis der G8-Industriestaaten ausgeschlossen werden.

Kanzlerin Angela Merkel warf Präsident Putin in einem Telefonat am Sonntagabend vor, mit der „unakzeptablen russischen Intervention auf der Krim gegen das Völkerrecht verstoßen zu haben“. Nach Darstellung der Bundesregierung akzeptierte Putin den Vorschlag Merkels, umgehend eine sogenannte „Fact finding mission“ zur Untersuchung der Lage in der Ukraine zu starten. Außerdem solle eine Kontaktgruppe gebildet werden – möglicherweise unter Leitung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) -, um einen politischen Dialog zu beginnen.

Internationale Beobachter

Auch die Nato regte am Abend die Entsendung internationaler Beobachter unter der Ägide des UN-Sicherheitsrates oder der OSZE an. Wichtig sei ein politischer Prozess in der Ukraine, bei dem auch die Rechte von Minderheiten respektiert würden, hieß es in einer Erklärung der Botschafter der 28 Nato-Staaten. Die Nato-Regierungen verurteilten das Vorgehen Russlands scharf, verzichteten aber auf jedwede Drohungen. „Ein militärisches Vorgehen der Streitkräfte Russlands gegen die Ukraine ist ein Bruch des internationalen Rechts“, sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen.

Auf der Krim übernahmen russisch sprechende Milizen die Kontrolle über die zur Ukraine gehörende Schwarzmeer-Halbinsel. Das Parlament in Moskau hatte am Samstag einstimmig den Weg für einen Militäreinsatz in der Ukraine bereitet und dies mit dem Schutz der russischen Bevölkerung nach den jüngsten Ausschreitungen in der Ukraine begründet. Putin habe nun alle Vollmachten, um einzuschreiten, teilte der Kreml mit.

Die neue prowestliche Regierung in der Ukraine wertete das Vorgehen Russlands als „militärische Aggression“ und warf dem Kreml vor, die Krim besetzen zu wollen. Am Abend verkündete der Befehlshaber der ukrainischen Marine, Denis Beresowski, sich den prorussischen Kräften auf der Krim angeschlossen zu haben. Das russische Außenministerium wiederum versicherte, man wolle keinen Krieg mit der Ukraine. Russland werde alles tun, um die bilateralen Beziehungen zu festigen – «zumal davon die Stabilität in Europa» abhänge, sagte der stellvertretende Außenminister Grigori Karassin im Staatsfernsehen.

Die Führung in Kiew forderte die Nato und den Westen insgesamt auf, alle Mechanismen zu prüfen, um die territoriale Einheit des Landes zu schützen. Als Reaktion auf den russischen Parlamentsbeschluss versetzte die Ukraine ihre Streitkräfte in volle Kampfbereitschaft. Interimspräsident Alexander Turtschinow unterzeichnete eine entsprechende Anordnung. Russland habe für einen „Akt der Aggression“ keine Grundlage. „Alle Erklärungen über Gefahren für russische Staatsbürger oder russischsprachige Ukrainer sind erdacht“, sagte Turtschinow. Es handelt sich bei der Anordnung nicht um eine Generalmobilmachung.

Jazenjuk; Intervention ist Kriegsbeginn

Das ukrainische Parlament, die Werchowna Rada, tagte am Sonntag hinter verschlossenen Türen. Ministerpräsident Arseni Jazenjuk sagte, sein Land werde einen russischen Militäreinsatz nicht hinnehmen. „Eine Intervention wird der Beginn eines Krieges und das Ende aller Beziehungen sein.“ Nach einem Telefonat mit seinem russischen Amtskollegen Dmitri Medwedew betonte Jazenjuk, seine Regierung werde alle nötigen Maßnahmen zur Wahrung von Ruhe und Ordnung ergreifen.

Das russische Vorgehen auf der Krim sorgte international für große Besorgnis. Die USA, Kanada, Großbritannien und Frankreich setzten ihre Teilnahme an Konferenzen zur Vorbereitung des G8-Treffens im russischen Sotschi aus, teilte das Weiße Haus nach einem 90-minütigen Telefonat zwischen Obama und Putin am Samstag mit.

Der deutsche Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier reagierte skeptisch auf den Vorstoß, Russland notfalls aus der Gruppe der G8 auszuschließen. „Ich bin eher bei denen, die sagen, das G8-Format ist das einzige Format, in dem wir aus dem Westen noch mit Russland unmittelbar sprechen“, sagte er am Sonntagabend im ARD-„Bericht aus Berlin“.

Putin will nach Kreml-Angaben seinen Befehl zum Militäreinsatz von der weiteren Lage auf der Krim abhängig machen. Dort blieb die Lage am Sonntag angespannt, aber ruhig. Die russischen Streitkräfte brachten nach ukrainischen Angaben mehrere tausend Soldaten auf die Krim, wo Moskau seit über 200 Jahren die Schwarzmeerflotte in Sewastopol unterhält. Das Abkommen über die Schwarzmeerflotte erlaubt Russland die Stationierung von Marineeinheiten auf der Krim.

Die Krim-Regierung hatte Russland um Schutz vor gewaltbereiten ukrainischen Nationalisten und Extremisten angerufen. In mehreren Städten der Schwarzmeer-Halbinsel demonstrierten Menschen gegen die Regierung in Kiew. Auch außerhalb der Krim gab es Proteste: So wurden in Charkow bei Zusammenstößen nach russischen Medienberichten mehr als 100 Menschen verletzt.

Krim als eigener Staat?

Die Krim soll nach Vorstellung der neuen prorussischen Führung künftig als eigener Staat existieren, teilte Krim-Parlamentschef Wladimir Konstantinow in Simferopol mit. Bei einem für den 30. März geplanten Referendum sollen die mehrheitlich russischsprachigen Krim-Bewohner über eine Abspaltung von der Ukraine entscheiden.

Bei Protesten in Moskau gegen einen möglichen russischen Kampfeinsatz in der Ukraine nahm die Polizei nach Oppositionsangaben am Sonntagabend mehr als 300 Gegner von Präsident Wladimir Putin fest. Auf einer anderen Kundgebung in Moskau hatten zuvor rund 20 000 kremltreue Demonstranten die russische Krim-Politik begrüßt.