Putin holt die Krim nach Russland

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EU und USA drohen - doch Putin schafft Fakten. Unbeeindruckt von internationalen Sanktionen gliedert Russlands Präsident die Krim in die Föderation ein - und hofft dabei auf Verständnis vor allem der Deutschen.

Russland verleibt sich die Krim im Eiltempo ein – allen Protesten und Strafmaßnahmen des Westens zum Trotz. Präsident Wladimir Putin unterzeichnete am Dienstag den Vertrag über die Aufnahme der völkerrechtlich zur Ukraine gehörenden Halbinsel in die Russische Föderation. Die große Mehrheit der Russen und der Krim-Bewohner sei dafür, sagte Putin in einer umjubelten Rede an die Nation im Kreml. „Nur das Volk ist der Quell aller Macht.“ Die Krim sei immer ein Teil Russlands gewesen.

Auch Vertreter der prorussischen Krim-Führung setzten in Moskau ihre Unterschriften unter das Dokument. Die noch ausstehende Zustimmung des Parlaments gilt als sicher und wird noch diese Woche erwartet.

Weitere Sanktionen

USA, EU und Ukraine verurteilten die Annexion des ukrainischen Territoriums und wollen den Schritt nicht anerkennen. Die USA drohen Russland mit weiteren Sanktionen. „Es werden weitere Schritte unternommen werden“, falls Kremlchef Wladimir Putin seinen Kurs nicht ändere, sagte Regierungssprecher Jay Carney am Dienstag im Weißen Haus. „Die Sanktionen werden zunehmen.“

Kanzlerin Angela Merkel sprach erneut mit US-Präsident Barack Obama. Beide seien sich in der rechtlichen Beurteilung der Ereignisse auf der Krim einig, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Die einseitige Unabhängigkeitserklärung der Krim und die heute eingeleitete Aufnahme in die Russische Föderation sind inakzeptable Schläge gegen die territoriale Integrität der Ukraine.“

EU erkennt Referendum nicht an

Die Europäische Union erkenne das Referendum auf der Krim und die nachfolgende Annexion durch Russland nicht an, erklärten EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel. Die Staats- und Regierungschefs der EU würden bei ihrem Gipfel am Donnerstag und Freitag „eine geeinte europäische Antwort“ beschließen. Der politische Teil des fertig ausgehandelten Partnerschaftsabkommens mit der Ukraine soll zum Abschluss des Gipfels unterschrieben werden.

Neben den verhängten Sanktionen setze die EU weiter auch auf Dialog, sagte Merkel. Zugleich plädierte sie für eine schnelle Auszahlung erster Finanzhilfen an die Ukraine, die nach eigenen Angaben vor dem Bankrott steht.

Uniformierter erschossen

Nach abweichenden Berichten wurde am Dienstag auf der Krim ein Uniformierter getötet, dessen Identität aber unklar blieb. Bei dem Toten handele es sich um einen Angehörigen der prorussischen sogenannten Selbstverteidigungskräfte, meldete die Agentur Interfax. Dagegen berichtete die Kiewer Agentur Unian, in der Hauptstadt Simferopol sei ein ukrainischer Soldat getötet worden.

Putin bezeichnete das Krim-Referendum vom Sonntag über eine Angliederung an Russland als „überzeugend“. Es sei demokratisch und im Einklang mit internationalem Recht abgelaufen. Die Schwarzmeer-Halbinsel sei von enormer strategischer Bedeutung.

Der Westen solle die „Wiederherstellung der Einheit“ Russlands akzeptieren, forderte Putin, der den Anschluss der Krim mit der deutschen Wiedervereinigung 1990 verglich. Nun werde es zwei neue Subjekte Russlands geben. Es handelt sich um die Teilrepublik Krim und die bisher direkt von Kiew verwaltete Hafenstadt Sewastopol, in der die russische Schwarzmeerflotte stationiert ist.

„Verantwortungslos“

Putin kritisierte die vom Westen verhängten Sanktionen gegen sein Land. „Wir betrachten ein solches Vorgehen als verantwortungslos und eindeutig aggressiv.“ Russland werde angemessen darauf reagieren. Das russische Parlament verurteilte die Sanktionen als „politische Hysterie“.

In der schwersten Krise seit Ende des Kalten Krieges hatten die EU und die USA Kontosperrungen und Einreiseverbote für Funktionäre in Russland und auf der Krim beschlossen. Auch Japan verhängte Sanktionen.

Keine Waffenexporte

Großbritannien stoppte Waffenexporte nach Russland und kündigte die militärische Kooperation bis auf weiteres auf. „Es sei nötig, den Druck auf Russland zu erhöhen“, erklärte Außenminister William Hague in London. „Die Krise in der Ukraine ist der bisher schwerste Test für die europäische Sicherheit im 21. Jahrhundert.“

Schwere Vorwürfe richtete Putin an die prowestliche Führung in Kiew. „Es gibt keine legitimierte Macht in der Ukraine.“ Der jüngste Machtwechsel in Kiew sei ein Putsch gewesen, der mit Mord und Terrorismus einhergegangen sei. Unter den neuen Kräften seien Neonazis, Russlandfeinde und Antisemiten.

G7 ohne Russland

US-Präsident Obama lud zu einem Treffen der sieben wichtigsten Industriestaaten (G7) ohne Russland ein. Es soll am Rande des Nukleargipfels in Den Haag stattfinden, der am 25. und 26. März geplant ist.

Für Verwirrung hatte Frankreichs Außenminister Laurent Fabius gesorgt, der über Twitter mitgeteilt hatte „(…) wir haben für die G8 entschieden, die Teilnahme Russlands auszusetzen“. Merkel und ein Sprecher von Fabius stellten später klar, dass Russland weiterhin Mitglied der G8-Gruppe sei. Die großen Industrienationen hätten lediglich – wie bereits bekannt – die Vorbereitungen für das diesjährige G8-Treffen im Juni in Sotschi ausgesetzt.

Auf der Krim hatten die Bewohner bei einem international nicht anerkannten Referendum mit großer Mehrheit für einen Beitritt zu Russland gestimmt. Die USA, die EU und die Ukraine sehen einen eklatanten Bruch des Völkerrechts. Ein militärisches Eingreifen hatten die Ukraine und der Westen aber abgelehnt.

Keine Spaltung

Die Übergangsregierung in Kiew hat die Sorge geäußert, dass es auch in den russisch geprägten Landesteilen im Süden und Osten des Landes zu Entwicklungen wie auf der Krim kommen könnte. Putin betonte: „Wir wollen keine Spaltung der Ukraine, wir brauchen das nicht.“ Dies bezog er allerdings nicht auf die Krim.

Die Finanzmärkte hoffen auf eine Entspannung der Krim-Krise. Während der Putin-Rede drehte der Dax am Dienstag ins Plus. Anleger deuteten seine Äußerungen so, dass es kein russisches Interesse an einer Verschärfung des Konflikts gebe, sagten Händler.