„Putin hatte verboten, mich umzubringen“

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(dpa)

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Rund zehn Jahre saß der Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski in Lagerhaft. Jetzt spricht er erstmals über seine Zeit im russischen Straflager.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat nach Einschätzung von Michail Chodorkowski persönlich dafür gesorgt, dass dem Kremlkritiker während seiner zehnjährigen Lagerhaft keine Gewalt angetan wurde. „Putin hatte verboten, mich umzubringen“, sagte Chodorkowski in einem am Sonntag veröffentlichten Interview der Schweizer Zeitungen „Le Matin Dimanche“ und „SonntagsZeitung“.

Auf die Frage, ob er sich dessen ganz sicher sei, antwortete Chodorkowski: „Das ist eine Vermutung. Ich bin mir dessen nicht sofort bewusstgeworden. Doch nach sechs Monaten habe ich begriffen, dass es ein striktes Verbot gab, mich anzurühren.“ Chodorkowski war kurz vor Weihnachten entlassen worden und direkt nach Deutschland gereist.

„Schwarze Zone“

Im Lager sei er zunächst in die „schwarze Zone“ gekommen. „Dort regieren die Gefangenen.“ Es gebe noch die „rote Zone“, wo es keine Moral gebe und Chaos und Selbstjustiz herrschten, sowie die „Regime-Zone“, welche die „normale Zone“ sei.

Auf die Frage, wo es sich besser lebe, antwortete Chodorkowski, für gewöhnliche Gefangene, das seien 90 Prozent der Inhaftierten, sei die Situation in der Regime-Zone besser. Für jene 10 Prozent, die über Geld und eine gewisse Autorität in der Unterwelt verfügten, sei die schwarze Zone eindeutig besser: „Man verfügt über Telefon, Lebensmittel, Wodka, Drogen. Für mich spielte es keine Rolle.“ In der schwarzen Zone könne ein Inhaftierter unter gewissen Bedingungen sogar seine Baracke verlassen und spazieren gehen. „Es ist alles – oder fast alles – möglich.“

Gnadengesuch

Das Essen im Lager sei recht gut gewesen. „Das hängt von den Insassen ab. Sie stehen in der Küche. Wenn sie kalte oder schlecht zubereitete Mahlzeiten servieren, dann gibt es sofort Ärger.“

Er habe lange nicht damit gerechnet, jemals freizukommen, berichtete Chodorkowski. Er lebe nach dem Prinzip „nichts glauben, nichts fürchten, nichts fordern“. Das bewahre vor Enttäuschungen. Der Vorschlag, ein Gnadengesuch zu stellen, sei ihm vom ehemaligen deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher über dessen Anwalt überbracht worden. „Aber ich wusste, dass der Vorschlag von Putin stammte.“