Putin gewinnt Präsidentenwahl

Putin gewinnt Präsidentenwahl
(dpa)

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Putin kehrt in den Kreml zurück. Der Regierungschef gewinnt die Präsidentenwahl nach ersten Auszählungen deutlich. Die Opposition spricht von Manipulationen und kündigt Massenproteste an.

Rückkehr in den Kreml: Bei der russischen Präsidentenwahl hat der Favorit Wladimir Putin nach vorläufigen Ergebnissen deutlich gewonnen. Der 59-jährige Regierungschef lag laut ersten Auszählungen bei 61,7 Prozent der Stimmen. Das teilte die Wahlleitung am Sonntagabend mit. Damit kehrt Putin im Mai nach vier Jahren Unterbrechung in den Kreml zurück, wo er bereits von 2000 bis 20008 amtierte. Die Opposition kündigte aus Protest gegen die aus ihrer Sicht unfaire Wahl Massenkundgebungen an.

Die Vollmachten des russischen Präsidenten

In Russland bestimmt der direkt vom Volk gewählte Präsident als Staatsoberhaupt die Ausrichtung der gesamten Innen- und Außenpolitik. Faktisch sind ihm auch die Schlüsselressorts Justiz und Verteidigung untergeordnet. Der Kremlchef hat den Oberbefehl über die Streitkräfte inklusive der Atomwaffen. Er hat auch das Recht, den Ministerpräsidenten zu entlassen. Spätestens zwei Wochen nach Amtsantritt schlägt das Staatsoberhaupt dem Parlament seinen Regierungschef vor, der mit absoluter Mehrheit bestätigt werden muss.

Der Regierungschef legt im Einklang mit Präsidialerlassen und Gesetzen die grundlegende Ausrichtung der Regierungstätigkeit fest und organisiert sie. Die mehr als ein Dutzend Militär- und Sicherheitsorgane, darunter Armee, Polizei und Geheimdienste, berichten direkt an den Präsidenten. Im Fall eines Rücktritts des Staatsoberhaupts führt der Regierungschef die Amtsgeschäfte des Präsidenten, jedoch mit eingeschränkten Befugnissen. Dann würde der Regierungschef den Termin für die Neuwahl des Präsidenten festsetzen.

Während das Staatsoberhaupt im Kreml am Roten Platz residiert, hat der Regierungschef seinen Amtssitz im 2,5 Kilometer entfernten Weißen Haus am Ufer der Moskwa. Zuletzt regierten Boris Jelzin (1991-1999), Wladimir Putin (2000-2008) und Dmitri Medwedew (seit 2008) im Kreml. (dpa)

Auch in den sogenannten Wählernachbefragungen (exit polls) lag Putin mit 59 Prozent der Stimmen deutlich vorn. Der Kommunist Gennadi Sjuganow kam als zweitstärkster Kandidat auf etwa 17 Prozent. Der neue Präsident wurde das erste Mal gemäß geänderter Verfassung für sechs und damit zwei Jahre länger als bisher gewählt. Putin kann laut Verfassung nach seinem Zwischenspiel wieder zwei Amtszeiten als Kremlchef in Folge ableisten, wenn er 2018 noch einmal gewählt würde.

Amtsinhaber Dmitri Medwedew hatte seinen Verzicht auf eine neue Kandidatur mit der hohen Popularität Putins begründet. Putin hatte vor der Wahl angekündigt, Kremlchef Medwedew in einem umstrittenen Ämtertausch zum Regierungschef zu machen. Das Amt des Premiers ist dem des Präsidenten untergeordnet.

„Augenwischerei“

Die Wahl war von massiven Betrugsvorwürfen und Sicherheitsvorkehrungen begleitet. Erstmals wurde die Abstimmung praktisch flächendeckend mit Videokameras überwacht, um Fälschungsvorwürfe zu entkräften. Die Zentrale Wahlkommission sprach von einer deutlich regeren Stimmabgabe als 2008 (damals 70 Prozent). Um 15.00 Uhr MEZ lag die Wahlbeteiligung nach offiziellen Angaben bei knapp 60 Prozent.

Die unabhängige Wahlbeobachterorganisation Golos, die Oppositionspartei Jabloko und die neue Liga der Wähler beklagten ähnlich viele Unregelmäßigkeiten wie bei der umstrittenen Parlamentswahl im Dezember. Das Innenministerium wies die Vorwürfe zurück. Abgesehen von kleineren, unbedeutenden Manipulationsversuchen verlaufe die Abstimmung reibungslos, hieß es.

Nach Massenprotesten gegen den Sieg von Putins Partei Geeintes Russland bei der Dumawahl hatte die Zivilgesellschaft diesmal eine nie dagewesene Zahl an Beobachtern mobilisiert. Zehntausende wollten Wahlfälschungen verhindern. Auch internationale Beobachter unter anderem von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) waren im Einsatz.

„Ausgeschlafener“ Putin

Als letzter der Kandidaten gab der Ex-Geheimdienstchef Putin seine Stimme ab. Seine Rückkehr in den Kreml, wo er bereits von 2000 bis 2008 regierte, gilt als sicher. Das russische Präsidentenamt ist eines der mächtigsten der Welt. Zu den fast unbegrenzten Vollmachten den Kremlchefs gehört auch die Gewalt über das nach den USA größte Atomwaffenarsenal.

„Ich habe ausgeschlafen, Sport getrieben, und bin dann hierhergekommen“, sagte Putin nach Angaben der Agentur Interfax bei der Stimmabgabe. „Natürlich rechne ich mit einer guten Wahlbeteiligung“, führte er aus. Seit langem erschien er wieder einmal mit seiner Ehefrau Ljudmila (54).

110 Millionen Wähler

Zu der Abstimmung in den insgesamt neun Zeitzonen des flächenmäßig größten Landes der Erde waren 110 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen. Erstmals konnten die Menschen wegen befürchteter Manipulationen die Abstimmung über Internetkameras auf der Seite webvybory2012.ru live in den meisten der landesweit 96.000 Wahllokale verfolgen. Das sei eine Weltpremiere, sagte Wahlleiter Wladimir Tschurow.

Als erster Kandidat gab der Multimilliardär Michail Prochorow im Gebiet Krasnojarsk in Sibirien seine Stimme ab. Der 46-Jährige war das einzige neue Gesicht unter den Bewerbern. Mit im Rennen waren auch Kommunistenchef Gennadi Sjuganow (67), der Ultranationalist Wladimir Schirinowski (65) und der Linkskonservative Sergej Mironow (59).

Hoffnung auf Stichwahl

Putins Mitbewerber hofften auf eine Stichwahl. Die Opposition hat aus Protest gegen die aus ihrer Sicht unfaire Wahl und wegen mangelnden politischen Wettbewerbs Massenkundgebungen angekündigt. Ihr Kandidat Grigori Jawlinski war nicht zugelassen worden.

Rund 450.000 Sicherheitskräfte waren im Einsatz, um einen störungsfreien Wahlverlauf zu garantieren. Die Anhänger Putins wollten noch am Wahlabend in Moskau Massenkundgebungen zur Unterstützung ihres Kandidaten organisieren.

Ämter-Karussel

Putin durfte 2008 nicht bei der Kremlwahl antreten, weil die Verfassung nur zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten zulässt. Er hatte damals seinen politischen Ziehsohn Dmitri Medwedew für das Präsidentenamt vorgeschlagen. Im Fall seines Sieges will Putin Kremlchef Medwedew in einem umstrittenen Ämtertausch zum Regierungschef machen. Das Amt des Premiers ist dem des Präsidenten untergeordnet.

Der Kremlchef wird nach einer Verfassungsänderung erstmals für sechs Jahre gewählt, zwei Jahre länger als bisher. Amtsinhaber Medwedew hatte seinen Verzicht auf eine neue Kandidatur mit der hohen Popularität Putins begründet. Der neue Präsident soll im Mai sein Amt antreten. Dann ist auch der Rollentausch geplant.

Für Wirbel am Rande der Abstimmung sorgte die vorübergehende Festnahme von sechs Punk-Musikern nach spektakulären Protestaktionen gegen Putin. Die vermummt auftretende Band Pussy Riot hatte unter anderem in der Erlöserkathedrale und vor dem Kreml gegen Putin protestiert. Die Polizei nahm am Samstag und Sonntag fünf Frauen sowie den Koordinator der Gruppe vorläufig fest.