Putin dreht den Gashahn auf

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(dpa)

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Nach rund anderthalb Jahren Bauzeit strömt erstmals russisches Erdgas durch die Ostseepipeline Nord Stream nach Deutschland - unter Umgehung aller Transitländer

Die Energiegroßmacht Russland ist am Ziel. Unter Umgehung der bisweilen problematischen Transitländer wie Ukraine und Weißrussland pumpt das Riesenreich erstmals Gas in die 1224 Kilometer lange Ostseepipeline Nord Stream direkt nach Deutschland. Mit dem Gas wird zunächst im ersten von zwei Strängen der Druck aufgebaut. Doch erst im Oktober ist der nach russischen Regierungsangaben groß genug, um vom Anlandepunkt in Lubmin bei Greifswald Verbraucher zu versorgen.

Russlands Regierungschef Wladimir Putin inszeniert das Aufdrehen des Gashahnes am Startpunkt der Leitung am Dienstag in Portowaja bei Wyborg als Triumph. Zur Feier an die finnische Grenze ist auch Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder gekommen, Putins Freund. Beide brachten 2005 das Jahrhundertvorhaben auf den Weg, Putin damals noch als Kremlchef. Schröder ist inzwischen Vorsitzender des Aktionärsausschusses der russisch-dominierten Nord Stream AG.

Energiefenster

An der Pumpstation feiern Putin und Schröder Europas größtes Energieprojekt, das viele Menschen im Westen eine zu hohe Abhängigkeit von Russland befürchten lässt. Doch Putin weist solche Bedenken seit langem zurück. Nord Stream sei Russlands „Energiefenster zu Europa“, sagte er schon vor der Zeremonie. Auch Luxemburg deckt einen Teil seines Erdgasbedarfs in Russland.

Mit Blick auf andere Pipelinepläne der EU spottete er bei einer Konferenz seiner Partei Geeintes Russland zu Wochenbeginn außerdem: „All die alternativen Vorhaben? Wo sind sie denn? Alle nur auf dem Papier.“ Die Ostseepipeline hingegen sei nun Wirklichkeit.

Wettlauf

Im Wettlauf um die Energieversorgung Westeuropas schafften die Russen gegen die Konkurrenz etwa der von Brüssel favorisierten Nabucco-Leitung rasch Fakten. Große Verlegeschiffe versenkten in den vergangenen Monaten Stahlrohre in der Ostsee, durch die das Gas von sibirischen Feldern künftig fließt.

Die nach letzten russischen Regierungsangaben 8,8 Milliarden Euro teure Leitung soll den Energiebedarf von rund 26 Millionen Haushalten decken. 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr sind das von 2012 an.

Exklusivlage

Die Röhre befreie Russland „vom Diktat der Transitländer“ und diversifiziere den russischen Export, lobte Putin. Vor allem die Ukraine verliere nun ihre „Exklusivlage“ als wichtigstes Transitland für die EU. Gerade versucht die verarmte Ex-Sowjetrepublik, wieder einmal bei Russland die Gaspreise zu drücken.

Die Ukraine, das kritisierte Präsident Viktor Janukowitsch in einem Interview mit der Zeitung „Kommersant“ (Dienstag), zahle mehr als Deutschland für russisches Gas – und damit eben zu viel. Russland allerdings pocht auf die Gasverträge, die 2009 nach einem wochenlangen „Gaskrieg“ geschlossen wurden.

Eigenbedarf

Weil Russland damals mitten im Winter den Gashahn abdrehte, blieben auch viele Wohnungen in der EU kalt. Aber nicht zuletzt, weil Russland der Ukraine seit langem unterstellt, illegal Gas für den Eigenbedarf abzuzapfen, ist die Ostseepipeline aus russischer Sicht ein Erfolg auf ganzer Linie.

Mitten im russischen Wahlkampf inszeniert Putin die Pipeline als seine Erfolgsgeschichte. Vor allem nach dem Aus für deutsche Atomkraftwerke setzt Russland nun zudem darauf, noch mehr Gas zu verkaufen. Im November ist die feierliche Eröffnung von Nord Stream auf deutscher Seite geplant, wie Putin sagte.