Punkt für Al-Kaida

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(dpa/Screenshot)

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Nach Ansicht von Sicherheitsexperten in Frankreich hat das Terrornetzwerk Al-Kaida mit den Anschlägen von Paris im "Wettstreit der Dschihadisten" einen Punktsieg errungen.

Im „Wettstreit der Dschihadisten“ bedeutet der blutige Anschlag auf die französische Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ einen Punkt für Al-Kaida. In der Propagandaschlacht zwischen dem internationalen Terrornetzwerk und der rivalisierenden Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) gibt die Ermordung von zwölf Menschen durch die Brüder Chérif und Said Kouachi nach Ansicht von Experten vor allem dem jemenitischen Ableger Al-Kaida auf der arabischen Halbinsel (Aqap) neuen Auftrieb, bei dem die Attentäter 2011 ihre militärische Ausbildung erhielten.

In einem Internetvideo bekannte sich Aqap am Mittwoch zu dem Anschlag. „Es wurden Helden rekrutiert, und sie haben gehandelt“, sagte der Aqap-Führer Nasser Ben Ali al-Anassi in dem Video.

„Spirituelle“ Schlüsselfiguren

Demnach ordnete der oberste Al-Kaida-Chef Aiman al-Sawahiri persönlich den Angriff auf die islamkritische Satirezeitschrift in Paris an. Zwar bleibt offen, ob Aqap den Anschlag tatsächlich initiierte oder nur nachträglich den Nutzen daraus zu ziehen sucht. Experten sind sich aber einig, dass der Angriff die Gruppe im Wettstreit mit dem IS stärkt.

„Es ist logisch, dass Aqap versucht, das Prestige der Taten für sich zu beanspruchen“, sagt der Pariser Islamexperte Jean-Pierre Filiu. Seinen Angaben zufolge wurden die Kouachi-Brüder 2011 von Aqap unter der „spirituellen“ Führung des Predigers Anwar al-Aulaki ausgebildet, der im selben Jahr bei einem US-Drohnenangriff getötet wurde. Die „Schlüsselfigur in dieser weitreichenden Verschwörung“ sei aber der französisch-tunesische Dschihadist Boubaker al-Hakim, der für die Kouachi-Brüder die „Referenzperson“ gewesen sei. Die Brüder hätten versucht, sich al-Hakim im Irak anzuschließen, wo er seit 2004 für Al-Kaida kämpfte, seien dabei aber gescheitert, sagt Filiu. Inzwischen hat sich al-Hakim allerdings dem IS angeschlossen.

„Charlie“-Attentat exemplarisch

Auch sonst hat Al-Kaida zuletzt an Bedeutung gegenüber der Dschihadistenmiliz verloren. Auch der dritte Attentäter von Paris, Amedy Coulibaly, bekannte sich in einem posthum veröffentlichten Video nicht zu Al-Kaida sondern zum IS – auch wenn die Gruppe sich ihrerseits nicht zu Coulibalys Angriff auf einen jüdischen Supermarkt mit vier Toten bekannte.

Nach Ansicht von Filiu versuchen sich Al-Kaida und der IS gegenseitig zu „überbieten“. Der Angriff auf „Charlie Hebdo“ müsse vor dem Hintergrund dieser Rivalität gesehen werden. Der Islamwissenschaftler Mathieu Guidère aus Toulouse sagt, Al-Kaida versuche seit dem Aufstieg der IS-Miliz in Syrien und dem Irak zu reagieren, indem es neue spektakuläre Aktionen ausführt. Der Anschlag in Paris sei „eine Propaganda-Aktion durch die Tat“ gewesen, die der Extremistengruppe neuen Zulauf bringen könne.

Die Jemen-Expertin April Longley von der International Crisis Group verweist darauf, dass auch die aktuelle politische Lage im Jemen Aqap zu Gute komme. Die „ausgeprägte Schwäche“ der jemenitischen Regierung seit der Eroberung der Hauptstadt Sanaa durch die schiitischen Rebellen im September biete Aqap „neue Möglichkeiten“, sagt Longley. Angesichts der gemeinsamen Bedrohung durch die schiitischen Rebellen habe die Extremistengruppe zuletzt bei sunnitischen Stämme neue Verbündete finden können.