Proteste gegen Kapitalismus

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(dpa)

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Ein Hauch "Occupy Wall Street" weht durch Deutschland: Tausende Finanzmarktkritiker haben am Samstag in zahlreichen deutschen Städten gegen Auswüchse des Kapitalismus und soziale Ungleichheit demonstriert.

In Berlin zogen mehr als 5000 Protestierende vom Alexanderplatz in Richtung Kanzleramt. In der Bankenmetropole Frankfurt am Main kamen nach Polizeiangaben rund 5000 Menschen zu einer Protestkundgebung an der Europäischen Zentralbank (EZB). Auch in Köln, Hannover, Leipzig und München gab es Proteste. Die Kundgebungen waren Teil eines weltweiten Aktionstages.

Insgesamt folgten in Deutschland nach Angaben der Mitorganisatoren von Attac mehr als 40.000 Kapitalismuskritiker in etwa 50 Städten dem Aufruf zum Protest. Max Bank vom Attac-Koordinierungskreis wertete den Protesttag als großen Erfolg. „Der Funke ist übergesprungen, die Bewegung ist da“, sagte er.

Auch in London und Rom

Auch in anderen europäischen Städten wie London war das Echo auf den im Internet verbreiteten Aufruf groß. In Rom waren es mehr als 100.000 Protestierende. Vorbild der Demonstrationen sind die amerikanische Protestbewegung „Occupy Wall Street“ („Besetzt die Wall Street“) und die jungen Demonstranten in Spanien, die sich gegen das Finanzsystem und große Teile der Bankenwelt wendet.

Die Proteste in Deutschland blieben nach Polizeiangaben friedlich. In Berlin kam es aber auf dem Weg durch das Regierungsviertel zum Kanzleramt kurz zu Tumulten, als rund 200 Protestler über die Wiese auf den Bundestag zustürmten. Dort bauten die Aktivisten die Absperrungen ab und riefen „Occupy Bundestag“. Die Polizei sicherte das Gelände.

„Ihr verzockt unsere Zukunft“

Die Demonstranten in der Bankenmetropole Frankfurt machten ihrem Unmut mit Plakat-Parolen wie „Ihr verzockt unsere Zukunft“ und „Schranken für Banken“ Luft. Einige riefen lautstark: „Brecht die Macht der Banken und Konzerne“» In München machten etwa 1000 Demonstranten ihrem Unmut Luft, in Köln zogen nach Polizeiangaben rund 1500 Demonstranten durch die Innenstadt.

In Stuttgart gingen etwa 1500 Menschen auf die Straße. Mit „Rettungsschirmen“, Trillerpfeifen und Plakaten prangerten sie die Macht der Wirtschaft an. Bernd Riexinger von Verdi Stuttgart sagte: „Die Wirtschaft muss den Menschen dienen, nicht umgekehrt.“

Einige Parteien begrüßen die Proteste

SPD, Linke, Grüne und Gewerkschaften begrüßten die Proteste. „Zu Recht brandmarken sie das Auseinanderdriften von Arm und Reich“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer. Der Protest der zumeist jungen Menschen sei ein Alarmsignal.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles forderte eine private Gläubigerbeteiligung bei der Bewältigung der Schuldenkrise und eine Finanztransaktionssteuer, „damit nicht immer nur der einfache Steuerzahler für die Folgen der Krise aufkommen muss“.

„Beginn einer Demokratiebewegung“

Der Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, bezeichnete die Proteste als den „Beginn einer neuen Demokratiebewegung“. Im Gespräch mit den Zeitungen der „WAZ“-Mediengruppe forderte er erneut eine Verstaatlichung der Banken. Am Samstag verlangte er in Berlin eine europaweite Vermögensabgabe für Millionäre.

Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold sagte NDR 2, die Protestbewegung treffe einen Nerv. Er hoffe, dass die neue globale Bewegung ein Gegengewicht zur Finanzmarktlobby bilden könne. Grünen-Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin sprach sich in „Sonntag aktuell“ für eine Devisentransaktionssteuer und eine schärfere Finanzmarkt-Kontrolle aus. „Wir haben keine Staatsverschuldungskrise, sondern eine vom Finanzmarkt verschuldete Krise.“

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach sagte in der Zeitung: „Die Demonstranten dürfen nicht die Ursache der Krise aus den Augen verlieren – die immense Staatsverschuldung der europäischen Regierungen.“