Am Abend sei im Stadtteil Besiktas Tränengas auf Demonstranten gefeuert worden, berichteten Aktivisten und türkische Medien. Tränengas zog auch bis auf den zentralen Taksim-Platz, wo Gegner Erdogans weiter die Stellung hielten. In Besiktas soll es den Angaben zufolge auch weitere Verletzte gegeben haben. Nach Angaben des Ärzteverbands TTB gab es bei den Massenprotesten gegen Erdogans Regierung bis zum Montagnachmittag einen Toten und mehr als 2300 Verletzte.
Die USA und die EU zeigten sich besorgt über die Unruhen, bei denen am Sonntag nach Angaben von Ärzten ein Mann getötet wurde. Am Montag gingen die Sicherheitskräfte gegen Demonstranten in der Nähe von Erdogans Büro im Stadtteil Besiktas vor, wie AFP-Reporter berichteten. Zeitgleich strömten erneut mehrere tausend Demonstranten auf den Taksim-Platz. Auf dem zentral gelegenen Platz riefen Demonstranten „Tayyip, tritt zurück“.
Der Regierungschef war zuvor nach Marokko abgereist. Dort sagte Erdogan am Abend, die Lage in der Türkei „beruhigt sich allmählich“. Wenn er zurückkehre, seien „die Probleme erledigt“.
Ein Toter
Am Sonntagabend wurde bei den Massenprotesten ein junger Demonstrant getötet. Mehmet Ayvalitas habe an der Blockade einer Stadtautobahn in Istanbul teilgenommen, teilte die Vereinigung der türkischen Ärzte (TBB) mit. Als ein Auto in die Menge raste, sei Ayvalitas tödlich verletzt worden. Schuld an dem Tod sei die „Unnachgiebigkeit“ der Regierung. Die „Polizeibrutalität“ müsse gestoppt werden.
In der Türkei gibt es seit Tagen heftige Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Polizei. Nach Angaben von Ärztevereinigungen und Menschenrechtsorganisationen wurden mehr als 1700 Menschen verletzt. Die türkische Regierung zählte hingegen bis Sonntag 173 Verletzte. Das Vorgehen der Sicherheitskräfte löste international Besorgnis aus.
Gewalt
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton kritisierte einen „unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt“. US-Außenminister John Kerry forderte die türkische Polizei auf, Zurückhaltung zu üben.
Die Unruhen hatten am Freitag in Istanbul begonnen. Auslöser war die gewaltsame Auflösung von Protesten gegen den Bau eines Einkaufszentrums im beliebten Gezi-Park am Taksim Platz. Aus Solidarität mit den Demonstranten in Istanbul gab es auch in zahlreichen anderen Städten der Türkei Proteste, die sich zunehmend gegen die Regierung richteten. Die Demonstranten werfen Erdogan einen autoritären Regierungsstil vor sowie den Versuch, die Gesellschaft zu islamisieren.
Staatspräsident Abdullah Gül signalisierte am Montag Entgegenkommen. „Demokratie bedeutet nicht nur Wahlen“, sagte Gül laut der Nachrichtenagentur Anadolu. Verschiedene Meinungen mittels friedlicher Demonstrationen auszudrücken sei vollkommen normal. „Die mit gutem Willen überbrachten Botschaften wurden gehört“, versicherte Gül.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können