Politischer Wandel

Politischer Wandel
(Gerardo del Valle)

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Die Guatemalteken haben es satt. Bei der Präsidenten- und Parlamentswahl geben viele Wähler ihre Stimme aus Protest ab - gegen die verkrusteten Strukturen und Vetternwirtschaft.

Die Abgeordneten, die Politik als profitträchtiges Geschäft verstehen. Die Parteien, die keine Programme, sondern nur Partikularinteressen haben. Und die Regierung, die das Land als ihren Privatbesitz betrachtet.

Davon profitiert der Schauspieler und Komiker Jimmy Morales, der als Gewinner aus der ersten Runde der Präsidentenwahl hervorgeht. Der Kandidat der nationalistischen Partei FCN gilt als Außenseiter, der noch nicht im schmutzigen Politik-Betrieb Guatemalas verdorben wurde. Für was der 46-Jährige mit Verbindungen zu rechten Militärkreisen inhaltlich tatsächlich steht, bleibt allerdings unklar.

Skandal um kriminelles Netzwerk

«Wir wollen nur in Frieden leben, ohne Korruption», sagt Lorena Hernández, nachdem sie in einer Schule in Guatemala-Stadt ihr Kreuz auf dem Wahlzettel gemacht hat.

Das bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste Land Mittelamerikas wurde in den vergangenen Wochen von einem Korruptionsskandal erschüttert, der bis in die höchsten Regierungskreise reicht. Das kriminelle Netzwerk «La Línea» soll das Zollamt ausgeplündert und die Staatskasse um Einnahmen in Millionenhöhe gebracht haben.

Rücktritt durch Demonstrationen

Mit monatelangen friedlichen Demonstrationen haben die Guatemalteken zunächst Vizepräsidentin Roxana Baldetti und schließlich Staatschef Otto Pérez zum Rücktritt gezwungen – die beiden mutmaßlichen Drahtzieher von «La Línea».

Tatsächlich gehen viele Experten davon aus, dass das eigentliche Problem Guatemalas im Parlament liegt. Laut einem Bericht der Internationalen Kommission gegen Straffreiheit (Cicig) stammt rund die Hälfte der Parteienbudgets aus dubiosen Quellen. Zahlreiche Abgeordnete wechseln regelmäßig die Partei – wohl weniger aus ideologischem Gesinnungswandel als aus finanziellen Interessen.

Einschüchterungsversuche

Auch bei der Abstimmung am Sonntag gibt es Hinweise auf Unregelmäßigkeiten. Wahlbeobachter berichten von Stimmenkauf, Einschüchterungsversuchen und ortsfremden Wählern, die gezielt zur Abstimmung in umkämpfte Wahlkreise gebrachten werden. Vor allem in verarmten Regionen auf dem Land soll eine Stimme oftmals nicht mehr als einen Sack Bohnen kosten.

Mehr soziale Gerechtigkeit und bessere Bildung dürften der Schlüssel zur Bekämpfung der weit verbreiteten Korruption in Guatemala sein. Die alten Eliten haben daran allerdings kaum ein Interesse. «Die Politiker wollen, dass die Leute ignorant bleiben», sagt Politikwissenschaftlerin Álvarez.

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